Liebe Leserinnen und Leser
Ich weiss nicht, ob Sie das interessiert,
wahrscheinlich interessiert Sie das nicht, oder vielleicht doch, aber ich
schreibe es auf jeden Fall:
Ich habe ein neues Portemonnaie.
Jetzt fragen Sie sich sicher, warum, man
fragt ja immer warum, warum ist die Banane krumm und warum schauen sich Leute
das Dschungelcamp an und warum wählen Menschen Trump und so weiter, aber hier
ist die Antwort ganz klar und auf der Hand: Das alte war einfach kaputt und
zerschlissen und nicht mehr brauchbar. Sie kennen das vielleicht, irgendwann
ist das Material im Münzenfach so aufgerissen, dass die kleinen Münzen anfangen
sich in den Falten zu verstecken. Auf jeden Fall war ich lange auf der Suche,
und am Samstag wurde ich fündig!
Mein neuer Geldbeutel – man beachte, wie
geschickt ich hier mit Synonymen umgehe – ist aus dem Laden im Missionshaus
Basel und wurde in Indien von korrekt bezahlten Arbeitskräften aus
Lederabfällen hergestellt, er hat dadurch eine aussergewöhnliche
Farbzusammenstellung, die aber aufreizend schön ist. Zudem erfüllt er alle
Bedingungen, die sich der aufgeklärte Käufer wünscht:
Er ist Fairtrade.
Er ist ökologisch.
Er ist ein Unikat.
Er ist formschön, praktisch und
vorzeigbar.
Und er war mit 56.- absolut bezahlbar.
So weit, so gut.
Aber nun meldet sich jene Stimme, die
immer meckert und immer motzt, die Stimme, die man so gerne als „Kleinen Mann
im Ohr“ bezeichnet. Und der Kmio (wir kürzen ihn jetzt mal so ab) fängt
bösartig an zu fragen und es entspinnt sich ein heftiger Disput zischen uns.
„Wie ist denn das Unikat-Öko-Fairtrade-Portemonnaie
nach Basel gekommen?“
„Weiss ich nicht, sei ruhig.“
„Ich bin nicht ruhig, ich will nur wissen,
ob hier beim Transport…“
„Es kam mit dem Schiff.“
„Das glaubst du selber nicht, das kannst
du dem Storch und dem Fuchs oder deiner Grossmutter oder deiner Grosstante
erzählen, das Ding kam mit dem Flugzeug.“
„Und wenn schon.“
„Und wenn schon? Wo lebst du? Der
Geldbeutel hat bei seinem Weg ans Rheinknie CO2 verbraucht.“
„Und wenn schon.“
„Na, du bist halt ein Typ, dem alles egal
ist.“
Sie sehen, meine lieben Lesenden, es ist
gar nicht so einfach. Man will irgendwie alles richtig machen, aber alles
richtig machen geht fast nicht. Man will ein ökologisches Produkt, das mit
fairen Löhnen in Ländern produziert wurde, die diesen Fairtrade brauchen, und
dann soll das Produkt auch noch auf CO2-neutralem Weg hierhergekommen
sein.
Genauso ist es doch auch mit Corona:
Man will die Ausbreitung des Virus
verhindern.
Man will so wenig wie möglich
Neuansteckungen.
Man will aber die Wirtschaft nicht total
schädigen.
Man will nicht Leute in die Armut stürzen.
Man will eigentlich alles aufs Mal, aber dann
merkt man, dass das nicht geht.
Und so hat man sich zähneknirschend, hat
sich widerwillig entschieden, hat schweren Herzens und schweren Kopfes eine
Entscheidung getroffen, und diese Entscheidung war richtig. Das Virus muss
gestoppt werden, damit es im Mai nicht alle gleichzeitig erreicht und die
Spitäler überschwemmt. Obwohl es für viele Leute ganz herbe Einbussen bringt.
Man muss sich entscheiden, man bekommt nie
den Fünfer UND das Weggli, man kann nicht alles haben, man bekommt nicht – so
sagen die Engländer – das sprechende Pferd.
Ich weiss nicht, ob Sie das interessiert,
aber: Ich habe ein neues Portemonnaie.
Mein neuer Geldbeutel – ich bin der
Synonym-König! – erfüllt alle Bedingungen, die sich der aufgeklärte Käufer
wünscht:
Er ist Fairtrade.
Er ist ökologisch.
Er ist ein Unikat.
Er ist formschön, praktisch und
vorzeigbar.
Und er war mit 56.- absolut bezahlbar.
Aber er hat auf seinem Weg nach Basel CO2
produziert, ich nehme wirklich nicht an, dass er mit dem Velo, zu Fuss, dass er
mit der Bahn oder mit dem Schiff kam,
Aber das muss ich halt in Kauf nehmen.
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