Vielleicht
erinnern sich die älteren unter meinen Leserinnen und Lesern noch an die netten
kleinen Zettel, die an Briefe und Dokumente angeheftet oder angebüroklammert
oder ihnen beigelegt waren:
O zu Ihrer Kenntnis O
ausgefüllt zurück
O für
Ihre Unterlagen O
mit Bitte um Antwort
O
unterschrieben zurück O
mit Bitte um Stellungnahme
|
Immer war
einer der Punkte sehr nett und liebevoll angekreuzt.
Man brauchte
ein wenig Zeit, um sich in dem Amtsdeutsch zurechtzufinden, man stellte sich
ein paar Fragen, aber irgendwann begriff man. So war mir am Anfang nicht klar, wenn
«für Ihre Unterlagen» angekreuzt war, wie ein Abheften ohne Kenntnis
funktionieren sollte, so wie in Faust 1 – denn was man schwarz auf weiss
besitzt, kannst man getrost nach Hause tragen? Auch der Unterschied zwischen
«Antwort» und «Stellungnahme» war für mich zu Beginn diffus. Im Dokument stand
«Herr X. sagt, Sie seien Y – stimmt das?» War jetzt das «nein» – man hatte um
Antwort gebeten – nicht auch eine Stellungnahme?
Aber
irgendwann kapierte ich und die netten Kleinzettel wurden eine praktische
Anleitung, was zu tun war:
Kenntnis: lesen,
wegwerfen.
Unterlagen: lesen,
abheften
Unterschrift:
lesen (oder nicht), zurückschicken
Ausfüllen:
lesen (wohl oder übel), zurückschicken
Antwort:
lesen, nachdenken!!!, antworten
Stellungnahme:
lesen, lange nachdenken!!!, schreiben
Alles sehr
praktisch.
Und solch
ein Ding wünsche ich mir bei E-Mails!
Da schreibt Marco
an Matteo, dass er am Samstag in Basel sei und dass er ja noch einen Koffer bei
diesem habe und ihn abholen könne. Und Matteo antwortet, dass der Koffer inzwischen
bei mir sei und dass er mit mir Kontakt aufnehmen solle, und ich bekomme das
Ganze dann als Cc. Nun sitze ich vor meinen Mails und überlege: Was fange ich
mich diesen Informationen an? Ist der Schriftverkehr einfach eine Info, dass
Marco sich bei mir melden wird? Oder heisst es versteckt, dass ich nun mit dem
lieben Freund Kontakt suchen soll und eine Übergabe vereinbaren? Und wird es
nur eine Übergabe oder liegt auch noch ein Kaffee drin?
Da schreibt
mir eine Sängermutter, dass Muffi (Sopran 1) hohes Fieber habe,
ausserdem Bauch- und Gliederschmerzen und zwei grosse eitrige Pickel auf der
Stirn und deshalb nicht zur Probe kommen könne. Ist das nun einfach eine
Abmeldung, eine Abmeldung, die ich in die Liste eintrage und gut ist oder will
die Mama von Muffi mehr von mir hören? Schreibt sie die ganze grosse Diagnose,
um die Abmeldung logischer zu machen oder will sie Mitleid? Scheibe ich nun Danke
für die Info – Absenz ist eingetragen oder doch eher O Gott, der Arme!
Wünsche von gänzestem Herzen gute Besserung!!!!!!!!!!!!!! ?
Da schreibt
mir der Freund eines Freundes eines Freundes eines Freundes eines Freundes, er
sei neulich an meiner Wohnung vorbeigelaufen und habe diese wunderschöne,
exquisite und prachtvolle Blattpflanze in meinem Arbeitszimmer gesehen und er
habe sich eine solche Blattpflanze immer gewünscht. Hä? Will er jetzt die
Information, wie die Pflanze heisst (es ist eine Schierlings-Dieffenbachie)
oder möchte er einen Ableger? Oder möchte er die ganze Pflanze und ich soll
noch einmal mit einem Ableger anfangen?
Wir brauchen
beim Mailverkehr so eine Ankreuz-Zeile wie früher die angehefteten oder
angebüroklammerten oder beigelegten Zettel.
Vielleicht ergänzt
durch neue Punkte
O mit Bitte um Mitleid O
lade mich ein
O bitte
mitfreuen O
rufe mich an
O das
ist eine Drohung O habe
mich lieb
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