Spätsommerzeit
ist Pilzzeit! Und so stehe ich mit einem vollen Korb bei meinem
Lieblingspilzkontrolleur Jumbi. «Quirlhüpfender Dreckling», er nimmt den ersten
Pilz in die Hand, «sehr schmackhaft, in Butter dünsten und ein wenig Majoran.»
Beim zweiten Pilz schüttelt er den Kopf: «Rostschimmernder Grünling,
hochgiftig, schon der erste Bissen befördert dich ins Jenseits.» Der dritte
wiederum begeistert ihn: «Schlüpfriger Blaudunstling, eine Seltenheit, eine
Delikatesse! Egal ob mit Rahm, als Gratin oder als Salat – ein Gourmetpilz!» Es
folgen etliche Normalpilze, die wir schweigend zur Seite legen, bis der letzte
Pilz noch einmal seine Aufmerksamkeit erregt: «Blattpupsender Hopsling, sehr
guter Speisepilz, aber keinen Alkohol dazu, sonst hast du drei Stunden die
übelsten Magenkrämpfe.» Ich nehme den Blattpupsender Hopsling und werfe ihn in
die Abfalltonne, ich würde sicher aus Versehen ein Glas Rotwein dazu trinken
und mich dann auf dem Boden wälzen.
Ich packe
meinen Korb und wünsche meinem Lieblingspilzkontrolleur noch einen schönen Tag,
dann habe ich aber doch noch ein Anliegen: «Jumbi, sag mal, wer denkt sich
eigentlich diese Namen aus?» «Welche Namen?» «Na, diese oberbescheuerten und
unterirdischen Pilznamen:
Quirlhüpfender
Dreckling
Rostschimmernder
Grünling
Schlüpfriger
Blaudunstling
Blattpupsender
Hopsling
Wer denkt
sich das aus?» «Die Pilznamen sind halt so.»
Ja, die sind
halt so. Wirklich?
Nein, die
muss sich doch jemand ausgedacht haben und die Menschen, die das taten müssen
sehr, sehr, sehr schräge Leute gewesen sein. Wahrscheinlich Pilzfans, und bei
ihrer Pilzernährung war immer mal wieder ein Magic Mushroom, ein halluzinogener
Pilz dabei und in ihrer Psilocybin-Trance schwebten dann Zettel mit den
blödsinnigsten Namen heran:
Glasquietschender
Zupfling
Suppiger
Riesenschwammling
Erwacht aus
dem Pilz-Drogenrausch hatten sie sich dann doch noch einige merken können.
Genauso
bescheuert sind die Namen von Blatt- und Blühpflanzen.
Im letzten
Post habe ich eine Schierlingsdieffenbachie erwähnt und vielleicht haben sich
einige schlappgelacht und wieder einmal meinen Erfindungsgeist gelobt – aber
hier muss ich enttäuschen: Die Pflanze in meinem Zimmer heisst wirklich so.
Die meisten
Pflanzen heissen nach irgendwelchen Gärtnern oder Botanikern, und bei meiner
war es so: Heinrich Wilhelm Schott, der Direktor des Botanischen
Gartens
in Wien von 1845 bis 1865,
ehrte mit dem Gattungsnamen Dieffenbachia seinen langjährigen
Obergärtner Joseph Dieffenbach (1796–1863). (Wikipedia)
Da sind wir
ja noch mit einem blauen Auge davongekommen, wenn der Obergärtner wie 50% der
Wiener einen böhmischen Namen gehabt hätte stünde jetzt in meinem Zimmer eine
Hawlicekie, oder eine Hrdlischkarie, oder eine Hlwoschotschie.
Bei
wunderschönen, bezaubernden Blumen ist es so wie mit wunderschönen, bezaubernden
Menschen. Stellen Sie sich vor, der Traumprinz betritt das Zimmer, ein Mann,
der auf jedem Laufsteg und in jedem Modejournal, aber auch in jedem Film eine
perfekte Figur machen würde, und dann öffnet er den Mund und sagt: «Ich heisse
Klaus-Dieter.» Stellen Sie sich vor, eine Modelfrau kommt herein, sie ist eine
Mischung zwischen Brigitte Bardot, Claudia Schiffer und Jackie Onassis, gekleidet
in Chanel, Dior oder St. Laurent, sie lächelt Sie an und spricht: «Ich heisse
Walpurga».
So sehen wir
eine exzellente, leuchtende, eine wunderschöne und bunte, eine herrliche und
traumhafte Blume und wir zücken unsere Planzenbestimmungs-App (gibt es
wirklich), machen ein Foto und unser I-Phone sagt uns klipp und klar: Das ist
eine Karrenbauerie oder eine Söderie, da ist doch aller Zauber dahin, da ist
alle Schönheit verschwunden.
Letzte Nacht
hatte ich einen seltsamen Traum: Ich hatte zwei Pflanzen im Garten, die eine
brauchte viel (eher wärmeres) Wasser, die andere wollte keines. Auf einmal kam
ein Erpel zu dem Blumenbeet und die wasserarme Pflanze schien zu zittern, ja
fast zu schreien: «Die Ente bleibt draussen!», und tatsächlich fing die Ente
an, an dieser Pflanze zu knabbern. Und nun erschienen auf einmal die Namen der
beiden Gewächse: Es waren eine Doktorklöbnerie und eine Müller-Lüdenscheiderie
– Loriot liess grüssen…
Nein.
Und nochmals
nein.
Ich werde
allen Pilzen und allen Blumen jetzt einfach eigene Namen geben. Schöne Pilze
und schöne Blumen bekommen schöne Namen und hässliche Pilze und hässliche
Blumen bekommen hässliche Namen.
So einfach
ist das.
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