Dienstag, 17. September 2019

Die saublöden Namen von Pilzen und Blumen


Spätsommerzeit ist Pilzzeit! Und so stehe ich mit einem vollen Korb bei meinem Lieblingspilzkontrolleur Jumbi. «Quirlhüpfender Dreckling», er nimmt den ersten Pilz in die Hand, «sehr schmackhaft, in Butter dünsten und ein wenig Majoran.» Beim zweiten Pilz schüttelt er den Kopf: «Rostschimmernder Grünling, hochgiftig, schon der erste Bissen befördert dich ins Jenseits.» Der dritte wiederum begeistert ihn: «Schlüpfriger Blaudunstling, eine Seltenheit, eine Delikatesse! Egal ob mit Rahm, als Gratin oder als Salat – ein Gourmetpilz!» Es folgen etliche Normalpilze, die wir schweigend zur Seite legen, bis der letzte Pilz noch einmal seine Aufmerksamkeit erregt: «Blattpupsender Hopsling, sehr guter Speisepilz, aber keinen Alkohol dazu, sonst hast du drei Stunden die übelsten Magenkrämpfe.» Ich nehme den Blattpupsender Hopsling und werfe ihn in die Abfalltonne, ich würde sicher aus Versehen ein Glas Rotwein dazu trinken und mich dann auf dem Boden wälzen.
Ich packe meinen Korb und wünsche meinem Lieblingspilzkontrolleur noch einen schönen Tag, dann habe ich aber doch noch ein Anliegen: «Jumbi, sag mal, wer denkt sich eigentlich diese Namen aus?» «Welche Namen?» «Na, diese oberbescheuerten und unterirdischen Pilznamen:
Quirlhüpfender Dreckling
Rostschimmernder Grünling
Schlüpfriger Blaudunstling
Blattpupsender Hopsling
Wer denkt sich das aus?» «Die Pilznamen sind halt so.»

Ja, die sind halt so. Wirklich?
Nein, die muss sich doch jemand ausgedacht haben und die Menschen, die das taten müssen sehr, sehr, sehr schräge Leute gewesen sein. Wahrscheinlich Pilzfans, und bei ihrer Pilzernährung war immer mal wieder ein Magic Mushroom, ein halluzinogener Pilz dabei und in ihrer Psilocybin-Trance schwebten dann Zettel mit den blödsinnigsten Namen heran:
Glasquietschender Zupfling
Suppiger Riesenschwammling
Erwacht aus dem Pilz-Drogenrausch hatten sie sich dann doch noch einige merken können.

Genauso bescheuert sind die Namen von Blatt- und Blühpflanzen.
Im letzten Post habe ich eine Schierlingsdieffenbachie erwähnt und vielleicht haben sich einige schlappgelacht und wieder einmal meinen Erfindungsgeist gelobt – aber hier muss ich enttäuschen: Die Pflanze in meinem Zimmer heisst wirklich so.
Die meisten Pflanzen heissen nach irgendwelchen Gärtnern oder Botanikern, und bei meiner war es so: Heinrich Wilhelm Schott, der Direktor des Botanischen Gartens in Wien von 1845 bis 1865, ehrte mit dem Gattungsnamen Dieffenbachia seinen langjährigen Obergärtner Joseph Dieffenbach (1796–1863). (Wikipedia)
Da sind wir ja noch mit einem blauen Auge davongekommen, wenn der Obergärtner wie 50% der Wiener einen böhmischen Namen gehabt hätte stünde jetzt in meinem Zimmer eine Hawlicekie, oder eine Hrdlischkarie, oder eine Hlwoschotschie.

Bei wunderschönen, bezaubernden Blumen ist es so wie mit wunderschönen, bezaubernden Menschen. Stellen Sie sich vor, der Traumprinz betritt das Zimmer, ein Mann, der auf jedem Laufsteg und in jedem Modejournal, aber auch in jedem Film eine perfekte Figur machen würde, und dann öffnet er den Mund und sagt: «Ich heisse Klaus-Dieter.» Stellen Sie sich vor, eine Modelfrau kommt herein, sie ist eine Mischung zwischen Brigitte Bardot, Claudia Schiffer und Jackie Onassis, gekleidet in Chanel, Dior oder St. Laurent, sie lächelt Sie an und spricht: «Ich heisse Walpurga».
So sehen wir eine exzellente, leuchtende, eine wunderschöne und bunte, eine herrliche und traumhafte Blume und wir zücken unsere Planzenbestimmungs-App (gibt es wirklich), machen ein Foto und unser I-Phone sagt uns klipp und klar: Das ist eine Karrenbauerie oder eine Söderie, da ist doch aller Zauber dahin, da ist alle Schönheit verschwunden.

Letzte Nacht hatte ich einen seltsamen Traum: Ich hatte zwei Pflanzen im Garten, die eine brauchte viel (eher wärmeres) Wasser, die andere wollte keines. Auf einmal kam ein Erpel zu dem Blumenbeet und die wasserarme Pflanze schien zu zittern, ja fast zu schreien: «Die Ente bleibt draussen!», und tatsächlich fing die Ente an, an dieser Pflanze zu knabbern. Und nun erschienen auf einmal die Namen der beiden Gewächse: Es waren eine Doktorklöbnerie und eine Müller-Lüdenscheiderie – Loriot liess grüssen…

Nein.
Und nochmals nein.
Ich werde allen Pilzen und allen Blumen jetzt einfach eigene Namen geben. Schöne Pilze und schöne Blumen bekommen schöne Namen und hässliche Pilze und hässliche Blumen bekommen hässliche Namen.
So einfach ist das.




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