Dienstag, 24. September 2019

Önologen-Quatsch


Es ist schon spannend, wie die Posts sich gerade verzahnen und wie ich in jedem Beitrag wieder etwas von anderen aufnehmen kann, so hat uns die Dieffenbachie zu der schwachsinnigen Nomenklatur in der Botanik geführt und dann das Wort blattpupsen zum Unvermögen der WORD-Germanisten, später stiessen wir dann beim Wort rostschimmern auf die Önologen.

Ach, die Weinkundler!
Von allen Formulierungs-Künstlern und Wortjongleuren sind sie die, die die Grenze zum Schwachsinn am weitesten überschritten haben. Keiner schreibt und redet einen solchen Stuss, keiner hat einen solch überbordend unsinnigen Stil wie sie.
Wollen Sie ein Beispiel?
Wir nehmen uns die Texte einer Homepage vor, auf der jeweils zwei Önologen je einen Wein besprechen, wir nennen die beiden Vollaffen A und B. 

A:
Gereiftes Rot mit besorgniserregenden Braunreflexen.
O Gott! Worum muss ich mir Sorgen machen? Brauche ich einen Schutzraum, Vorräte oder eine kugelsichere Weste?
Dann aber schon in der Nase der Eindruck von frischer Präsenz,
Präsenz oder nur der Eindruck? Ich habe 2 Stunden überlegt und komme nicht dahinter, was der Unsinn soll, entweder ist was da oder nicht, oder?
gereift zwar, aber auch einnehmend mit einem Hauch von Peperoni. Am Gaumen zeigen sich Kaffee- und Lakritznoten, auch Leder. Dahinter lauert jedoch eine noch sehr vife Brombeer- und Pflaumenmarmelade-Frucht.
Deshalb die Besorgnis, da lauert eine Frucht! Sie lauert wie ein Attentäter! Ich werde ihr ein Messer in den Leib rammen – in berechtigter Notwehr…
Elegant, seidig, relaxed, souverän. Ganz grosses und sehr zugängliches Bordeaux-Kino.
Ganz, ganz, ganz sehr grosses Sprachquatsch-Kino!

B:
Mittleres, ins Orange-Braune ziehendes Rubinrot mit hellen Rändern. In der Nase beeindruckende St-Estèphe-Typizität
Ok, ok, das Wort «Typizität» existiert. Aber ist es nicht ein blöder Ausdruck? Ist es nicht bescheuert «du hast Basel-Typizität» zu sagen statt «du bist ein typischer Basler»?
mit Aromen nach Zedernholz, Leder, Tabak und Bouillon, aber wenig Frucht und minimalen oxidativen Anflügen.
Wahrscheinlich werden die Leute sogar diese ganzen Aromen schmecken. Die Frage ist nur: Warum? Weil man die wirklich schmeckt oder weil man sie schmeckt, weil man es vorher gesagt bekam? Wahrscheinlich das zweite.
Am Gaumen dann voll da: extraktreich, breit und ausladend bei traumhafter Eleganz und Länge und allerhöchstem Genussfaktor. Befindet sich auf dem absoluten Peak – und das nach 31 Jahren in der Schöppli-Flasche!


A:
Die Vignerons Catalans sind ein Zusammenschluss von rund 1000 (!) Winzerinnen und Winzern, die rund 10'000 Hektaren (!) bewirtschaften und vorwiegend Weine im Billigsektor produzieren. Der Red Domus mit viel Toasting,
«Toasting» ist ein Begriff aus der Popmusik, es bedeutet einen im Reggae verwendeten Sprechgesang, gut, wenn man genug von dem Red Domus getrunken hat, ist man vielleicht wirklich am Toasten.
sehr viel Frucht, etwas Pfeffer und stoffiger Opulenz.
Das Wort stoffig existiert jetzt wirklich ganz und gar nicht. Die Önologenfraktion interessieren aber solche Details nicht, jedes Nomen wird hier mit einem -ig versehen: stoffig, rosinig, rumig, ginig, orangig. Natürlich sind diese Wortbildungen im Deutschen möglich, aber muss man alles machen, was möglich ist? 
Dabei durchaus gut strukturiert, nicht zu üppig. Die Gerbstoffe dürften ihn sogar noch etwas zulegen lassen. Moderner, gekonnt gemachter Spasswein für sehr wenig Geld.

B:
Mittleres Granatrot. Umwerfende Nase mit Reifenoten, Frucht und leichten Röstaromen vom zurückhaltenden Holzeinsatz. Am Gaumen fruchtig und mundfüllend, aber noch ziemlich gerbstofflastig. Die Länge und die Eleganz gehen diesem professionell vinifizierten Wein etwas ab.
Verben mit -ieren bedeuten, dass mit einer Sache etwas gemacht wird oder eine Sache zu etwas gemacht wird. Heisst das also, dass Wein mit Wein verschnitten wurde oder dass Traubensaft zu Wein wurde? Gibt es nicht-vinifizierten Wein?

Fazit:
Lieber A, lieber B!
Schön, dass ihr Weine probiert und schön, dass ihr Notizen macht. Klar auch, dass ihr nach dem Probieren besoffen seid. Sollte aber das Ausarbeiten der Notizen nicht am nächsten Tag und nüchtern, ausgeschlafen und mit einer Tasse Kaffee erfolgen? Würde eurer Sprache guttun.

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