Freitag, 20. September 2019

Warum arbeiten bei WORD keine Germanisten?


Den folgenden Text haben Sie diese Woche gelesen, was Sie nicht gesehen haben, waren die roten Schlangenlinien mit dem WORD unbekannte (also wahrscheinlich falsch geschriebene Wörter) unterlegt hat. Ich markiere Ihnen diese einmal fett:

Spätsommerzeit ist Pilzzeit! Und so stehe ich mit einem vollen Korb bei meinem Lieblingspilzkontrolleur Jumbi. «Quirlhüpfender Dreckling», er nimmt den ersten Pilz in die Hand, «sehr schmackhaft, in Butter dünsten und ein wenig Majoran.» Beim zweiten Pilz schüttelt er den Kopf: «Rostschimmernder Grünling, hochgiftig, schon der erste Bissen befördert dich ins Jenseits.» Der dritte wiederum begeistert ihn: «Schlüpfriger Blaudunstling, eine Seltenheit, eine Delikatesse! Egal ob mit Rahm, als Gratin oder als Salat – ein Gourmetpilz!» Es folgen etliche Normalpilze, die wir schweigend zur Seite legen, bis der letzte Pilz noch einmal seine Aufmerksamkeit erregt: «Blattpupsender Hopsling, sehr guter Speisepilz, aber keinen Alkohol dazu, sonst hast du drei Stunden die übelsten Magenkrämpfe.»

Erstaunlich, nicht?
Gut, Wörter wie Jumbi oder quirlhüpfen sind klar, WORD hasst solche Wortgebilde und straft einen sofort. Interessanter ist das Wort Pilzzeit. Googeln Sie es einmal, dann kommen Sie zu etlichen Websites wie https://www.experto.de/praxistipps/wann-ist-pilzzeit.html (Ja, liebe Leserin, lieber Leser, die gibt es jetzt wirklich, ist einfach hier kein Link, denn Sie sollen ja meinen Post weiterlesen und sich nicht auf den nächsten Pilzausflug vorbereiten…) Pilzzeit ist ein normales, gebräuchliches Wort, eine Zusammensetzung aus Pilz und Zeit, ein – wortbildungstechnisch gesprochen – Determinativkompositum mit der Bedeutung «Zeit für Pilze».
Genauso interessant wie das Unterlegen eines solchen Normalo-Wortes mit der üblen roten Schlangenlinie ist das NICHT-Unterlegen anderer Wortgebilde. Finden Sie blattpupsen einen gebräuchlichen Ausdruck? Google findet das nicht:
keine treffer für blattpupsen
Rostschimmern wird auf einer einzigen Seite benutzt und zwar auf einer Weinseite (also eine Homepage über Weine, nicht eine, wo man weint…). Gut, die Site wird von einem Önologen gemacht und Önologen haben ja bekanntlich eh einen totalen Hau, was Wortschöpfungen betrifft, die sind ja noch tausendmal schlimmer als ich, mit Wörtern wie rosiniert-oxidativ (ich bekomme die rote Schlangenlinie!) oder alkoholisch-rosinige (Schlangenlinie!!!!).
Über die Sprache von Weinproben und Weinbüchern müsste man auch mal einen Post schreiben.

Wer also macht die Wortlisten bei WORD? Mit Sicherheit kann man sagen:
Es sind keine Germanisten.
Es sind keine Linguisten.
Es sind keine Deutschlehrer.

Das Gleiche gilt übrigens für die blauen Schlangenlinien. Schauen wir uns einmal diesen Satz an (er stammt aus dem Post über Computer-Hotlines):
Und nun startet das Drama in mehreren Szenen, das Sie wahrscheinlich alle kennen.
Die Formulierung ist völlig korrekt, aber WORD möchte hier ein «dass».

Nun werden Sie sagen, alles doch gar nicht so schlimm, man kann ja Deutsch, man kann die Korrektur auch ausschalten, man hat einen Verstand, aber ich als Deutschlehrer muss Ihnen da leider widersprechen. Da sitzen nun arme Schüler von mir am PC und korrigieren ein Pronomen-Das in ein Konjunktion-Dass, obwohl sie eigentlich dachten richtig zu denken, aber WORD kann ja nicht so falsch liegen…
Bei der Pilzzeit bekommen Sie übrigens – wie bei ganz, ganz, ganz vielen Komposita den Korrekturvorschlag
Pilz Zeit
Das ist nun eine Sache, die im Deutschen einfach nicht geht, wer zum Teufel hat den WORD-Machern eingeredet, dass man einfach zwei Hauptwörter nebeneinandersetzen kann?
Strassenpudding geht und Strassen-Pudding geht, aber Strassen Pudding geht nicht, Nebelorange geht und Nebel-Orange geht, aber Nebel Orange geht nicht.

Ich habe neulich in SWR2 einen Beitrag über die Armut in L.A. und im Silicon Valley gehört. Das ist jetzt kein Witz, in der reichsten Gegend der USA gibt es enorm viele Leute, die knapp über oder unter dem Existenzminium leben. Es herrscht bei den IT- und Internetgiganten dort nämlich eine 2- Klassen-Gesellschaft: Die IT-Leute, die Programmierer und Webdesigner haben horrende Löhne, bekommen Firmenwagen gestellt und essen fast gratis in Kantinen, die von *****-Köchen geleitet werden. Die anderen Angestellten haben Hungerlöhne, kommen mit dem Bus und müssen sich ihren Lunch mitbringen; zu diesen «anderen» gehören Putz- und Wachleute, Kantinenpersonal, Bürogummis und…
ganz offensichtlich Sprachberater, Germanisten, Romanisten, Sinologen usw. und gernerell Linguisten.
Vielleicht sollte man die Menschen, die sich um das Sprachtechnische von WORD kümmern, ein wenig besser als die Putzfrau zahlen.     





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