Den
folgenden Text haben Sie diese Woche gelesen, was Sie nicht gesehen haben, waren
die roten Schlangenlinien mit dem WORD unbekannte (also wahrscheinlich falsch
geschriebene Wörter) unterlegt hat. Ich markiere Ihnen diese einmal fett:
Spätsommerzeit
ist Pilzzeit! Und so stehe ich mit einem vollen Korb bei meinem
Lieblingspilzkontrolleur Jumbi. «Quirlhüpfender Dreckling», er
nimmt den ersten Pilz in die Hand, «sehr schmackhaft, in Butter dünsten und ein
wenig Majoran.» Beim zweiten Pilz schüttelt er den Kopf: «Rostschimmernder
Grünling, hochgiftig, schon der erste Bissen befördert dich ins Jenseits.» Der
dritte wiederum begeistert ihn: «Schlüpfriger Blaudunstling, eine
Seltenheit, eine Delikatesse! Egal ob mit Rahm, als Gratin oder als Salat – ein
Gourmetpilz!» Es folgen etliche Normalpilze, die wir schweigend zur Seite
legen, bis der letzte Pilz noch einmal seine Aufmerksamkeit erregt:
«Blattpupsender Hopsling, sehr guter Speisepilz, aber keinen Alkohol
dazu, sonst hast du drei Stunden die übelsten Magenkrämpfe.»
Erstaunlich,
nicht?
Gut, Wörter
wie Jumbi oder quirlhüpfen sind klar, WORD hasst solche Wortgebilde
und straft einen sofort. Interessanter ist das Wort Pilzzeit. Googeln
Sie es einmal, dann kommen Sie zu etlichen Websites wie https://www.experto.de/praxistipps/wann-ist-pilzzeit.html (Ja, liebe Leserin, lieber Leser, die gibt es jetzt wirklich, ist einfach
hier kein Link, denn Sie sollen ja meinen Post weiterlesen und sich nicht auf
den nächsten Pilzausflug vorbereiten…) Pilzzeit ist ein normales,
gebräuchliches Wort, eine Zusammensetzung aus Pilz und Zeit, ein –
wortbildungstechnisch gesprochen – Determinativkompositum mit der Bedeutung
«Zeit für Pilze».
Genauso interessant wie das
Unterlegen eines solchen Normalo-Wortes mit der üblen roten Schlangenlinie ist
das NICHT-Unterlegen anderer Wortgebilde. Finden Sie blattpupsen einen
gebräuchlichen Ausdruck? Google findet das nicht:
keine treffer für blattpupsen
Rostschimmern wird auf einer
einzigen Seite benutzt und zwar auf einer Weinseite (also eine Homepage über
Weine, nicht eine, wo man weint…). Gut, die Site wird von einem Önologen
gemacht und Önologen haben ja bekanntlich eh einen totalen Hau, was
Wortschöpfungen betrifft, die sind ja noch tausendmal schlimmer als ich, mit
Wörtern wie rosiniert-oxidativ (ich bekomme die rote Schlangenlinie!) oder
alkoholisch-rosinige (Schlangenlinie!!!!).
Über die Sprache von
Weinproben und Weinbüchern müsste man auch mal einen Post schreiben.
Wer also macht die Wortlisten
bei WORD? Mit Sicherheit kann man sagen:
Es sind keine Germanisten.
Es sind
keine Linguisten.
Es sind
keine Deutschlehrer.
Das Gleiche
gilt übrigens für die blauen Schlangenlinien. Schauen wir uns einmal diesen Satz
an (er stammt aus dem Post über Computer-Hotlines):
Und nun
startet das Drama in mehreren Szenen, das Sie wahrscheinlich alle
kennen.
Die
Formulierung ist völlig korrekt, aber WORD möchte hier ein «dass».
Nun werden
Sie sagen, alles doch gar nicht so schlimm, man kann ja Deutsch, man kann die
Korrektur auch ausschalten, man hat einen Verstand, aber ich als Deutschlehrer
muss Ihnen da leider widersprechen. Da sitzen nun arme Schüler von mir am PC
und korrigieren ein Pronomen-Das in ein Konjunktion-Dass, obwohl sie eigentlich
dachten richtig zu denken, aber WORD kann ja nicht so falsch liegen…
Bei der
Pilzzeit bekommen Sie übrigens – wie bei ganz, ganz, ganz vielen Komposita den
Korrekturvorschlag
Pilz Zeit
Das ist nun
eine Sache, die im Deutschen einfach nicht geht, wer zum Teufel hat den
WORD-Machern eingeredet, dass man einfach zwei Hauptwörter nebeneinandersetzen
kann?
Strassenpudding
geht und Strassen-Pudding geht, aber Strassen Pudding geht nicht, Nebelorange
geht und Nebel-Orange geht, aber Nebel Orange geht nicht.
Ich habe
neulich in SWR2 einen Beitrag über die Armut in L.A. und im Silicon Valley
gehört. Das ist jetzt kein Witz, in der reichsten Gegend der USA gibt es enorm
viele Leute, die knapp über oder unter dem Existenzminium leben. Es herrscht bei
den IT- und Internetgiganten dort nämlich eine 2- Klassen-Gesellschaft: Die
IT-Leute, die Programmierer und Webdesigner haben horrende Löhne, bekommen
Firmenwagen gestellt und essen fast gratis in Kantinen, die von *****-Köchen
geleitet werden. Die anderen Angestellten haben Hungerlöhne, kommen mit dem Bus
und müssen sich ihren Lunch mitbringen; zu diesen «anderen» gehören Putz- und
Wachleute, Kantinenpersonal, Bürogummis und…
ganz
offensichtlich Sprachberater, Germanisten, Romanisten, Sinologen usw. und gernerell
Linguisten.
Vielleicht
sollte man die Menschen, die sich um das Sprachtechnische von WORD kümmern, ein
wenig besser als die Putzfrau zahlen.
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