Meine
Generation hat noch gelernt, dass man Geschenke nicht ablehnen darf. Ein
Geschenk war ein Geschenk, war geschenkt und einem geschenkten Gaul schaute man
nicht ins Maul. Selbst für die selbstgestrickten Socken in Beige-Rot von Tante Mechthild
aus Wanne-Eickel musste man noch ein Dankeskärtchen schreiben und das Buch, das
Frau Müller-Kloppenschmidt mitbrachte, sofort auspacken und sich höflich
(höflich!) bedanken – auch wenn es Augen zu – ruft der kleine Bär war
und man selber schon 15.
Ein Geschenk
war ein Geschenk, und Sätze wie «Da bin ich jetzt zu alt dafür!», «Danke für
den Aschenbecher – ich bin Nichtraucher» oder gar «Das nächste Mal kaufst du
selber und nicht deine Sekretärin…» gingen gar nicht. So eine
Aschenbecher-Story haben wir übrigens selber mal erlebt, im Zivildienst in
Schwäbisch Hall, da gab es ein Elternpaar, das jede Weihnachten jeweils allen
männlichen Mitarbeitern auf der Heimgruppe Aftershave schenkte, wir waren drei
Heimerzieher und zwei davon trugen Vollbärte, richtig grosse Moses-Dinger – war
das nun bloss gedankenlos oder hiess es: Rasiert euch doch endlich mal!
Inzwischen
haben sich die Sitten gelockert, der oder die Beschenkte darf durchaus auch
einmal Bedenken äussern, und viele Schenkende bauen auch schon Brücken à la
«Wenn du das Buch schon hast, sag’ es, dann bekommst du ein anderes», «Es gibt
den Schal auch in anderen Farben, wenn dir Eitergelb nicht so gefällt» oder
«Sag’ ehrlich, ob dir Albaner-Rap zusagt…». Man kommt also immer mehr zu einer
Ehrlichkeit, bei der oder die Beschenkte die Freiheit hat, ein Präsent, eine
Gabe, die Freiheit ein Mitbringsel oder ein Geschenk abzulehnen.
Gilt das
aber nun für alles?
Ganz sicher
gilt es für ein Danaergeschenk. Ein Danaergeschenk ist eines, das uns mehr
Ärger als Freude macht, das im Endeffekt uns mehr kostet als es uns gibt. Wir
erinnern uns: Die Danaer (=Griechen) schenkten den Trojanern ein grosses
Holzpferd, und jede und jeder weiss, was das Vieh drinnen hatte: Männer,
Waffen, Lanzen und Pfeile, es enthielt Tod und Verderben für die Bewohner von
Ilion. Es wäre also durchaus angebracht gewesen, dass Ross schon am Strand zu
verbrennen und es nicht in die Stadt zu ziehen… Ein Danaergeschenk sollte man
also ablehnen, das Gartenhäuschen zum Beispiel, das einem Tante Melinda geben
will, dessen Dach aber in einem halben Jahr abrutschen und drei Leute
unter den Ziegeln begraben wird, an den Arztkosten für die drei Passanten
wird man noch Jahre zahlen. Genauso wie an den Tierarztkosten für den Welpen, den uns Tante Walpurga mitbringt und der seit seiner Geburt an
einer Hüftschwäche leidet. Auch die Kreuzfahrt durchs Mittelmeer (Elba! Capri!
Venedig!) ist ein Danaergeschenk – Tante Hilaria kommt selber mit, und das noch
in der gleichen Kabine.
Das
Gegenteil – oder quasi das Gegenteil – des Danaergeschenkes ist das
Win-Win-Geschenk. Eine Gabe, bei der beide Parteien einen klaren Vorteil haben.
Die Mittelmeerkreuzfahrt würde zum Beispiel zum Win-Win-Geschenk, wenn Tante
Hilaria nicht selber mitkommen würde, sondern ihre 25jährige Nichte schicken
würde.
Wenn Gus,
der in Berlin-Friedrichshain in einer kleinen Altbauwohnung lebt, und ein
grosser Fisch-Fan ist, von Git, der unter ihm wohnt und als Broker ein
Schweinegeld verdient, drei neue Aquarien geschenkt bekommt, geschieht das
nicht aus reiner Freundschaft, nein, nein, Git hat einfach Angst, dass, wenn
die maroden Glaskästen den Geist aufgeben, 2000 Liter Wasser eben auch
in seine Wohnung sickern.
Ein
Win-Win-Geschenk kann und sollte man also nicht ablehnen.
So, und nun
sind wir endlich am Punkt:
Da brennt in
Brasilien der Regenwald. Und die G7 sind sich einig (einig! einig!), dass man
hier finanziell und technisch helfen sollte. Und sie wollen keineswegs aus
Nettigkeit oder einer Mutter-Theresa-Einstellung helfen. Die Unterstützung hat
einen einzigen Grund: Der Amazonas-Regenwald ist die grüne Lunge dieser Erde,
und es ist nun mal zufällig dieselbe Erde, auf der die Lateinamerikaner UND die
Europäer wohnen.
Aber Bolsonaro
ziert sich.
Und das ist
eine Frechheit.
Ja, er
knüpft das Geschenk sogar an Bedingungen, was nun ein Super-No-Go ist.
Und nun
stellt sich hier die grundsätzliche Frage: Gibt es Zwangs-Geschenke? Die
Geschenke meiner Jugend waren das ja. Die Socken von Tante Mechthild waren das und das Buch von Frau Müller-Kloppenschmidt auch, ich musste sie annehmen,
weil mir meine Mutter sonst die Ohren langgezogen hätte. Aber auch bei den
Erwachsenen gibt es durchaus das Zwangs-Geschenk. Da wird ein Bild nicht einfach
geschenkt, nein, da bringt man Hammer und Nagel mit und hängt es – «ich mache
das gerade, weil du doch so unpraktisch bist» – gleich an die Wand; da wird für
einen Blumentopf einfach ein Platz auf dem Fensterbrett gesucht, obwohl der
richtige Platz der Mülleimer wäre, da wird ein CD-Spieler gleich angeschlossen
(«wo ist bei dir die Steckdose?») und da wird ein Gesellschaftsspiel gleich
ausgepackt und ausprobiert und damit eine Rückgabe verunmöglicht.
Und genauso
sollten die G7 es machen: Einfach hinfliegen und löschen. Ich traue dem
Brasilianischen Ekelpaket relativ viel zu, aber ich traue ihm nicht zu, dass er
französische, deutsche, dass er englische oder japanische Löschflugzeuge
abschiessen lässt. Und wenn doch? Nun, einerseits hätte er dann international
ein echtes Problem und andererseits:
No risk, no
fun.
Meine
Generation hat noch gelernt, dass man Geschenke nicht ablehnen darf. Ein
Geschenk war ein Geschenk, war geschenkt und einem geschenkten Gaul schaute man
nicht ins Maul.
Hoffentlich
kommt diese Zeit einmal wieder.
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