Freitag, 6. September 2019

Geschenke lehnt man nicht ab - auch nicht geschenkte Löscharbeiten


Meine Generation hat noch gelernt, dass man Geschenke nicht ablehnen darf. Ein Geschenk war ein Geschenk, war geschenkt und einem geschenkten Gaul schaute man nicht ins Maul. Selbst für die selbstgestrickten Socken in Beige-Rot von Tante Mechthild aus Wanne-Eickel musste man noch ein Dankeskärtchen schreiben und das Buch, das Frau Müller-Kloppenschmidt mitbrachte, sofort auspacken und sich höflich (höflich!) bedanken – auch wenn es Augen zu – ruft der kleine Bär war und man selber schon 15.
Ein Geschenk war ein Geschenk, und Sätze wie «Da bin ich jetzt zu alt dafür!», «Danke für den Aschenbecher – ich bin Nichtraucher» oder gar «Das nächste Mal kaufst du selber und nicht deine Sekretärin…» gingen gar nicht. So eine Aschenbecher-Story haben wir übrigens selber mal erlebt, im Zivildienst in Schwäbisch Hall, da gab es ein Elternpaar, das jede Weihnachten jeweils allen männlichen Mitarbeitern auf der Heimgruppe Aftershave schenkte, wir waren drei Heimerzieher und zwei davon trugen Vollbärte, richtig grosse Moses-Dinger – war das nun bloss gedankenlos oder hiess es: Rasiert euch doch endlich mal!

Inzwischen haben sich die Sitten gelockert, der oder die Beschenkte darf durchaus auch einmal Bedenken äussern, und viele Schenkende bauen auch schon Brücken à la «Wenn du das Buch schon hast, sag’ es, dann bekommst du ein anderes», «Es gibt den Schal auch in anderen Farben, wenn dir Eitergelb nicht so gefällt» oder «Sag’ ehrlich, ob dir Albaner-Rap zusagt…». Man kommt also immer mehr zu einer Ehrlichkeit, bei der oder die Beschenkte die Freiheit hat, ein Präsent, eine Gabe, die Freiheit ein Mitbringsel oder ein Geschenk abzulehnen.
Gilt das aber nun für alles?

Ganz sicher gilt es für ein Danaergeschenk. Ein Danaergeschenk ist eines, das uns mehr Ärger als Freude macht, das im Endeffekt uns mehr kostet als es uns gibt. Wir erinnern uns: Die Danaer (=Griechen) schenkten den Trojanern ein grosses Holzpferd, und jede und jeder weiss, was das Vieh drinnen hatte: Männer, Waffen, Lanzen und Pfeile, es enthielt Tod und Verderben für die Bewohner von Ilion. Es wäre also durchaus angebracht gewesen, dass Ross schon am Strand zu verbrennen und es nicht in die Stadt zu ziehen… Ein Danaergeschenk sollte man also ablehnen, das Gartenhäuschen zum Beispiel, das einem Tante Melinda geben will, dessen Dach aber in einem halben Jahr abrutschen und drei Leute unter den Ziegeln begraben wird, an den Arztkosten für die drei Passanten wird man noch Jahre zahlen. Genauso wie an den Tierarztkosten für den Welpen, den uns Tante Walpurga mitbringt und der seit seiner Geburt an einer Hüftschwäche leidet. Auch die Kreuzfahrt durchs Mittelmeer (Elba! Capri! Venedig!) ist ein Danaergeschenk – Tante Hilaria kommt selber mit, und das noch in der gleichen Kabine.

Das Gegenteil – oder quasi das Gegenteil – des Danaergeschenkes ist das Win-Win-Geschenk. Eine Gabe, bei der beide Parteien einen klaren Vorteil haben. Die Mittelmeerkreuzfahrt würde zum Beispiel zum Win-Win-Geschenk, wenn Tante Hilaria nicht selber mitkommen würde, sondern ihre 25jährige Nichte schicken würde.
Wenn Gus, der in Berlin-Friedrichshain in einer kleinen Altbauwohnung lebt, und ein grosser Fisch-Fan ist, von Git, der unter ihm wohnt und als Broker ein Schweinegeld verdient, drei neue Aquarien geschenkt bekommt, geschieht das nicht aus reiner Freundschaft, nein, nein, Git hat einfach Angst, dass, wenn die maroden Glaskästen den Geist aufgeben, 2000 Liter Wasser eben auch in seine Wohnung sickern.
Ein Win-Win-Geschenk kann und sollte man also nicht ablehnen.

So, und nun sind wir endlich am Punkt:
Da brennt in Brasilien der Regenwald. Und die G7 sind sich einig (einig! einig!), dass man hier finanziell und technisch helfen sollte. Und sie wollen keineswegs aus Nettigkeit oder einer Mutter-Theresa-Einstellung helfen. Die Unterstützung hat einen einzigen Grund: Der Amazonas-Regenwald ist die grüne Lunge dieser Erde, und es ist nun mal zufällig dieselbe Erde, auf der die Lateinamerikaner UND die Europäer wohnen.
Aber Bolsonaro ziert sich.
Und das ist eine Frechheit.
Ja, er knüpft das Geschenk sogar an Bedingungen, was nun ein Super-No-Go ist.
Und nun stellt sich hier die grundsätzliche Frage: Gibt es Zwangs-Geschenke? Die Geschenke meiner Jugend waren das ja. Die Socken von Tante Mechthild waren das und das Buch von Frau Müller-Kloppenschmidt auch, ich musste sie annehmen, weil mir meine Mutter sonst die Ohren langgezogen hätte. Aber auch bei den Erwachsenen gibt es durchaus das Zwangs-Geschenk. Da wird ein Bild nicht einfach geschenkt, nein, da bringt man Hammer und Nagel mit und hängt es – «ich mache das gerade, weil du doch so unpraktisch bist» – gleich an die Wand; da wird für einen Blumentopf einfach ein Platz auf dem Fensterbrett gesucht, obwohl der richtige Platz der Mülleimer wäre, da wird ein CD-Spieler gleich angeschlossen («wo ist bei dir die Steckdose?») und da wird ein Gesellschaftsspiel gleich ausgepackt und ausprobiert und damit eine Rückgabe verunmöglicht.

Und genauso sollten die G7 es machen: Einfach hinfliegen und löschen. Ich traue dem Brasilianischen Ekelpaket relativ viel zu, aber ich traue ihm nicht zu, dass er französische, deutsche, dass er englische oder japanische Löschflugzeuge abschiessen lässt. Und wenn doch? Nun, einerseits hätte er dann international ein echtes Problem und andererseits:
No risk, no fun.    

Meine Generation hat noch gelernt, dass man Geschenke nicht ablehnen darf. Ein Geschenk war ein Geschenk, war geschenkt und einem geschenkten Gaul schaute man nicht ins Maul.
Hoffentlich kommt diese Zeit einmal wieder.












         
   

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