Nach den
Wahlen in Brandenburg und Sachsen stellt sich doch nun die klare Frage, ob eine
Partei, die 25% der Wählerinnen und Wähler repräsentiert, nicht in die
Regierung müsste. Gerade in der Schweiz wird diese Frage besonders hartnäckig
gestellt, wobei meine eidgenössischen Kolleginnen und Kollegen vergessen, wie
anders das politische System in der BRD ist. In der Schweiz könnte man jede
noch so verrückte Partei in die Regierung lassen, da jeder Unsinn, jeder
Schwachsinn, den sie anzetteln würde, sowieso vors Volk muss. In Deutschland
sieht das ein bisschen anders aus. Aber dennoch: Sollte man das Experiment
nicht wagen? Eigentlich kann die AfD nur verlieren: Entweder wird sie
wortbrüchig oder sie richtet so viel Unheil an, dass sie damit auch verschwände.
Und hier
liegt der Hase im Pfeffer:
Das Unheil
ist dann halt angerichtet.
Das ist so
ein bisschen wie bei einem kleinen Kind, das ständig schreit: «Kann ich
besser!», «Kann ich auch!» oder «Lass mich mal!». Hier lassen wir es manchmal
zu, und das Kind «darf auch mal», aber sicher nur in Situationen, bei denen
nicht so viel kaputtgehen kann. Teller tragen zum Beispiel, natürlich darf
Klein-Erna das IKEA-Geschirr zum Schrank tragen und ihn dort stapeln. Aber das
gute Meissner? Das tragen und stapeln wir doch lieber selber. Den
Küchen-Radiowecker darf Klein-Fritzchen sicher von einem Tisch zum anderen
schleppen, aber geben wir ihm auch den Laptop? Den nehmen wir doch lieber
selber in die Hand.
Also spielen
wir doch einmal ein paar Erna-Fritzchen-Teller-Elektronik-Ideen durch. Ich bin
am Wahlabend tatsächlich durch das Wahlprogramm der AfD Sachsen gescrollt, ich
wollte einfach mal sehen, ob das alles wirklich so furchtbar ist, und habe ein
paar nette Dinge gefunden. (Das Programm IST übrigens so schrecklich, wie ich
dachte, es wäre, einfach kopiert, besser als jede Glosse, wenn es nicht so echt
wäre…)
Wir
wollen…die bewährten Diplom- und Magisterstudiengänge wieder einführen…
Gute Idee,
dann lassen wir doch den zukünftigen AfD-Wissenschaftsminister mal ran. Um dies
zu tun, muss Sachsen den Bologna-Vertrag kündigen, ok, kann man machen,
Verträge hat man geschlossen, Verträge kann man auch wieder kippen. Was wären
die Folgen? Die Folgen wären, dass in Freiberg, in Dresden, dass in Leipzig und
in Chemnitz Abschlüsse gemacht würden, die in keinem anderen Land anerkannt
würden. Zweite Studienhälfte in Frankreich? Vergiss es. Doktorieren in England?
Pustekuchen! Arbeiten in Norwegen? Aus, der Traum. Natürlich würde man, nachdem
der Schaden klar wäre, ganz schnell und knieflehend wieder in die Bachelor- und
Mastergemeinschaft zurückkehren, aber ein paar Hundert Studierenden hätte man
ihre Chancen schon versaut. Der Teller wäre am Boden, und es wäre der Meissner und
der Laptop in Scherben.
Daneben wollen
wir den Rundfunkstaatsvertrag kündigen.
Gut, ran an
den Speck. Der MDR wird aufgelöst, die Redaktionen geschlossen und der
MDR-Tower in Leipzig abgerissen (was, nebenbei bemerkt, ein architektonischer
Gewinn für Leipzig wäre…) Statt linkem Problem-Journalismus nun fröhlich
dudelnde Regionalsender, die ein optimistisches und fröhliches Lebensgefühl
vermitteln, vielleicht Radio Elb-Schwall® oder Radio Allerlei Leipzig®. Aber
auch hier: Was, wenn man nach ein paar Jahren nun doch einen seriösen und gut
gemachten Journalismus vermissen würde? Teller ist kaputt, Laptop auch, keine
Journalistin und kein Journalist mehr da, der MRD aufgelöst, der Tower
abgerissen.
Die Liste
liesse sich nun beliebig fortsetzen, an vielen Dingen würde natürlich ein
AfD-Minister an den Sachzwängen von Bundesgesetz und internationaler Verträge
scheitern, aber die Kleinigkeiten, die er anrichten könnte, wären nun doch eben
verheerend.
Und
generell:
Gerade in
wirtschaftlich schwachen Gebieten wurde die AfD mit Mehrheit gewählt. Wie lockt
man nun Investoren in die Oberlausitz, nach Görlitz und Bautzen? Ich stelle mir
vor, ich hätte ein Unternehmen und würde mir überlegen, eine
Tochtergesellschaft dort aufzumachen. Wen meiner Mitarbeiter würde ich
schicken? Den in Allschwil (BL) geborenen Adisa? Käme er für die Regierung dort
als Schweizer aus einem kompatiblen Kulturkreis oder aufgrund seiner
Hautfarbe aus einem nicht-kompatiblen Kulturkreis (AfD-Programm)? Und
hätte er nicht einfach Schiss dort zu wohnen? Ebenso wie meine
chinesisch-schweizerischen und arabisch-schweizerischen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter?
Würde ich
selber dort ein paar Jahre lang etwas aufbauen? Oder würde mich als Schwuler
der Satz
Für uns
ist das auch in Sachsen weiterhin vorherrschende traditionelle Familienmodell
aus Mann, Frau und deren Kindern Grundlage und Voraussetzung unseres Handelns
(AfD-Programm) nicht ziemlich abschrecken?
Wer also
Sachsen wirtschaftlich voranbringen will, darf solche Einstellungen nicht
zulassen.
Nach den
Wahlen in Brandenburg und Sachsen stellt sich doch nun die klare Frage, ob eine
Partei, die 25% der Wählerinnen und Wähler repräsentiert, nicht in die
Regierung müsste. Gerade in der Schweiz wird diese Frage besonders hartnäckig
gestellt.
Aber:
Das
Experiment ist zu heikel. Landespolitik ist keine Spielwiese und es hat zu viel
Porzellan, zu viel heikle Elektronik, als das Klein-Erna oder Klein-Fritzchen
hier Tragen üben könnten.
Und zeigt
nicht auch der Blick über den Ärmelkanal, dass man mit gewissen Dingen nicht
herumexperimentieren sollte?
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