Dienstag, 14. Mai 2019

Ja, ja, die Pronomen... oder: Wer ist "wir" und "jemand"?



Ach, die Pronomen!

Man – schon wieder dieses man! – könnte ja ewig über Pronomen nachdenken, reden, schreiben, man könnte fabulieren und sinnieren, könnte hirnen und notieren, so unerschöpflich, so rätselhaft, so grandios und mysteriös sind diese Dinger.
Sie glauben mir nicht? Da hat zum Beispiel mal jemand eine 50seitige grosse Semesterarbeit über das Pronomen es geschrieben, und hat die Bestnote bekommen, und dieser jemand – Sie ahnen es – war ich. (Wenn ich das meinen Deutsch-Schülern erzähle, dann bekomme ich stets einen komischen Blick und dann die Bemerkung, ob ich völlig hobbylos sei…) Man – schon wieder – könnte den Pronomen auch ein ganzes Special widmen, werden wir (!) aber nicht tun, sondern nur heute noch ein paar von diesen Dingern beleuchten.

Zum Beispiel ich: Das Ich ist eigentlich ganz einfach, es ist, grammatikalisch gesehen, der Schreiber oder Sprecher. Aber dann wird es schwierig, wer ist denn ich? Ist es ein echtes Ich oder ein lyrisches Ich oder ein Ich-Erzähler oder sonst etwas? Wer bin ich denn eigentlich? Was bin ich und wie bin ich? Da kommt man nun ins Grübeln. Jetzt müsste man Psychologen oder Philosophen zu Rate ziehen, aber man (!) weiss ja, dass wenn Psychologen oder Philosophen zu Rate gezogen werden, nichts Gutes herauskömmt. Nicht umsonst schrieb der Dramatiker Heiner Müller
Wenn ich sage «ich», gehen die Probleme schon los.

Oder nehmen wir das wir. Und dieser Satz zeigt schon die ganze Absurdität. Ich schliesse Sie nämlich in die Absicht mit ein. Vielleicht wollen Sie sich ja gar nicht mit dem wir beschäftigen, aber ich habe Sie und mich einfach kollektiviert.
In dem Roman Mein Herz so weiss von Javier Marías hat Berta vor, einem Verehrer ein sehr intimes Video zu schicken, das der Ich-Erzähler (s. oben) erstellen soll (er ist ein uralter Freund). Natürlich weigert sich jener zunächst, wird aber von Berta überrumpelt, indem sie einfach stur von wir redet: «Wir machen das heute Abend», «Wir machen das im Schlafzimmer» usw. Der Erzähler merkt, dass er gar keine Chance mehr hat, dass die Sache einfach entschieden wurde.

Genauso ist es mit unser/unsere. UNSER OZEANIUM steht auf den Plakaten, und das ist natürlich eine Frechheit, wie kann etwas UNS gehören, das noch gar nicht steht und – das ist das Entscheidende – von dem das Volk ja noch gar nicht gesagt hat, ob es das Ding will. Es kann erst UNSER OZEANIUM werden, wenn die Mehrheit es zu diesem macht, vor der Abstimmung kann es das nicht sein. Ein Slogan, der in höchstem Masse perfide, aber natürlich (wie die meiste Perfidie) auch in höchstem Masse genial ist…

Oder das schöne Wort jemand. Eigentlich ein Indefinitpronomen, das so viel besagt wie eine Person, die nicht bekannt ist. Wir verwenden es aber anders; das Wort schliesst in der Umgangssprache den Sprecher oder die Sprecherin jeweils aus.
In einer WG sagt Bernd den Satz: «Jemand sollte den Müll runtertragen.» Übersetzt heisst das: Gabi oder Ruth oder Tobi sollten Müll rausbringen, ICH mache es auf keinen Fall.»
In einer Firmensitzung heisst es: «Wir brauchen noch jemand für das Protokoll.» Übersetzt heisst das: Frau Schmid schreibt es oder Herr Müller schreibt es, oder vielleicht sogar Herr Dr. Schlöbel, aber ICH schreibe es auf keinen Fall.»
Jemand sollte sich mal um das Klima kümmern.
Jemand sollte mal die Flüchtlingsfrage lösen.
Jemand sollte mal die Welt retten.

Als letztes: Eines der Wortpaare, die ständig verwechselt werden, ist das Paar sich und einander. Oder anders gesagt, das zweite Wort entschwindet immer mehr unseren Blicken und wird durch das erste ersetzt. Denn eigentlich wird da unterschieden, sich bedeutet sich selbst, wenn jemand also zwei Leute sich hauen, dann ist dies ein Aktion von zweifacher Autoaggression, wenn sie einander hauen, erst dann ergibt das eine Prügelei. Als ich aber neulich eine Zeile über den werten Donny las, da wurde ich dann doch stutzig, was eigentlich gemeint ist:
Auch nach vielen Ehejahren haben Donald und Melania Trump sich sehr lieb.
Meinte man hier in Wirklichkeit einander oder tatsächlich sich? Ich tippe auf das zweite, weil das ja bekannt ist, ob Trumpeltier irgendwen anders als sich selbst gerne hat, kann ich mir nicht vorstellen.

Ach, die Pronomen!

Man – schon wieder dieses man! – könnte ja ewig über Pronomen nachdenken und reden, man könnte schreiben, fabulieren und sinnieren, so unerschöpflich, so rätselhaft, so grandios und mysteriös sind diese Dinger.
Man könnte Notizen und Essays ersinnen, man könnte featuren und bloggen.

Was wir
(wir?)
hiermit getan haben.


 

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