Ach, die
Pronomen!
Man – schon
wieder dieses man! – könnte ja ewig
über Pronomen nachdenken, reden, schreiben, man könnte fabulieren und
sinnieren, könnte hirnen und notieren, so unerschöpflich, so rätselhaft, so
grandios und mysteriös sind diese Dinger.
Sie glauben
mir nicht? Da hat zum Beispiel mal jemand eine 50seitige grosse Semesterarbeit
über das Pronomen es geschrieben, und
hat die Bestnote bekommen, und dieser jemand – Sie ahnen es – war ich. (Wenn
ich das meinen Deutsch-Schülern erzähle, dann bekomme ich stets einen komischen
Blick und dann die Bemerkung, ob ich völlig hobbylos sei…) Man – schon wieder –
könnte den Pronomen auch ein ganzes Special widmen, werden wir (!) aber nicht
tun, sondern nur heute noch ein paar von diesen Dingern beleuchten.
Zum Beispiel
ich: Das Ich ist eigentlich ganz einfach,
es ist, grammatikalisch gesehen, der Schreiber oder Sprecher. Aber dann wird es
schwierig, wer ist denn ich? Ist es
ein echtes Ich oder ein lyrisches Ich oder ein Ich-Erzähler oder sonst etwas?
Wer bin ich denn eigentlich? Was bin ich und wie bin ich? Da kommt man nun ins
Grübeln. Jetzt müsste man Psychologen oder Philosophen zu Rate ziehen, aber man
(!) weiss ja, dass wenn Psychologen oder Philosophen zu Rate gezogen werden,
nichts Gutes herauskömmt. Nicht umsonst schrieb der Dramatiker Heiner Müller
Wenn ich sage «ich», gehen die Probleme
schon los.
Oder nehmen
wir das wir. Und dieser Satz zeigt
schon die ganze Absurdität. Ich schliesse Sie nämlich in die Absicht mit ein.
Vielleicht wollen Sie sich ja gar nicht mit dem wir beschäftigen, aber ich habe Sie und mich einfach kollektiviert.
In dem Roman
Mein Herz so weiss von Javier Marías
hat Berta vor, einem Verehrer ein sehr intimes Video zu schicken, das der
Ich-Erzähler (s. oben) erstellen soll (er ist ein uralter Freund). Natürlich
weigert sich jener zunächst, wird aber von Berta überrumpelt, indem sie einfach
stur von wir redet: «Wir machen das
heute Abend», «Wir machen das im Schlafzimmer» usw. Der Erzähler merkt, dass er
gar keine Chance mehr hat, dass die Sache einfach entschieden wurde.
Genauso ist
es mit unser/unsere. UNSER OZEANIUM
steht auf den Plakaten, und das ist natürlich eine Frechheit, wie kann etwas
UNS gehören, das noch gar nicht steht und – das ist das Entscheidende – von dem
das Volk ja noch gar nicht gesagt hat, ob es das Ding will. Es kann erst UNSER
OZEANIUM werden, wenn die Mehrheit es zu diesem macht, vor der Abstimmung kann
es das nicht sein. Ein Slogan, der in höchstem Masse perfide, aber natürlich
(wie die meiste Perfidie) auch in höchstem Masse genial ist…
Oder das
schöne Wort jemand. Eigentlich ein
Indefinitpronomen, das so viel besagt wie eine
Person, die nicht bekannt ist. Wir verwenden es aber anders; das Wort
schliesst in der Umgangssprache den Sprecher oder die Sprecherin jeweils aus.
In einer WG
sagt Bernd den Satz: «Jemand sollte den Müll runtertragen.» Übersetzt heisst
das: Gabi oder Ruth oder Tobi sollten Müll rausbringen, ICH mache es auf keinen
Fall.»
In einer
Firmensitzung heisst es: «Wir brauchen noch jemand für das Protokoll.»
Übersetzt heisst das: Frau Schmid schreibt es oder Herr Müller schreibt es,
oder vielleicht sogar Herr Dr. Schlöbel, aber ICH schreibe es auf keinen Fall.»
Jemand
sollte sich mal um das Klima kümmern.
Jemand
sollte mal die Flüchtlingsfrage lösen.
Jemand
sollte mal die Welt retten.
Als letztes:
Eines der Wortpaare, die ständig verwechselt werden, ist das Paar sich und einander. Oder anders gesagt, das zweite Wort entschwindet immer
mehr unseren Blicken und wird durch das erste ersetzt. Denn eigentlich wird da
unterschieden, sich bedeutet sich selbst, wenn jemand also zwei Leute
sich hauen, dann ist dies ein Aktion
von zweifacher Autoaggression, wenn sie einander
hauen, erst dann ergibt das eine Prügelei. Als ich aber neulich eine Zeile über
den werten Donny las, da wurde ich dann doch stutzig, was eigentlich gemeint
ist:
Auch nach vielen Ehejahren haben Donald und
Melania Trump sich sehr lieb.
Meinte man
hier in Wirklichkeit einander oder tatsächlich
sich? Ich tippe auf das zweite, weil
das ja bekannt ist, ob Trumpeltier irgendwen anders als sich selbst gerne hat,
kann ich mir nicht vorstellen.
Ach, die
Pronomen!
Man – schon
wieder dieses man! – könnte ja ewig
über Pronomen nachdenken und reden, man könnte schreiben, fabulieren und
sinnieren, so unerschöpflich, so rätselhaft, so grandios und mysteriös sind
diese Dinger.
Man könnte
Notizen und Essays ersinnen, man könnte featuren und bloggen.
Was wir
(wir?)
hiermit
getan haben.
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