Dienstag, 12. März 2019

Wir brauchen neue Textsorten!


Ja, liebe Leserinnen und Leser, ich habe beim letzten Mal mich einer ganz ungewöhnlichen Textform bedient, dem karnevalistisch-paargereimten Vierzeiler mit vierhebigem Jambus, der auch als Büttenrede bezeichnet wird und in ähnlichen Formen auch in der Schweiz (Schnitzelbängg) auftaucht. Und während ich schrieb, dachte ich, dass ich doch schon so viele Textformen bedient habe, aber dass mir doch auch noch ganz schön viele fehlen.
Ich habe schon Gedichte und Sketche geschrieben, ich habe Märchen und Essays verfasst, ich schreibe Newsletter und Protokolle, ich schreibe Briefe und Storys, aber ich hatte noch nie eine Büttenrede gemacht, genauso wenig wie eine Legende, eine Gebrauchsanweisung, genauso wenig wie eine Ballade oder einen Klappentext.

Was mich aber am meisten reizen würde, das wäre die Schaffung von neuen, noch nie dagewesenen, von ganz frischen und ungekannten Textformen. Hier drei Beispiele:

1.) Das Zukunftsprotokoll

Jeder gute Protokollant, jede gute Protokollantin weiss, dass ein Sitzungsprotokoll möglichst schnell fertiggestellt werden muss. Wenn man erst eine Woche später drangeht, dann ist die Erinnerung schon viel zu sehr verblasst. Ein paar Male ist es mir geglückt, ein Protokoll schon bei Sitzungsende zu versenden. Rekord! Dummerweise ein Rekord, den man nicht überbieten kann, schliesslich kann man ja einen Sitzungsmitschrieb nicht schon vor der Sitzung versenden. Oder doch? Und hier kommt das Zukunftsprotokoll (ZK) ins Spiel. Da die meisten Sitzungen so ablaufen, wie man es erwartet, könnte man das Protokoll auch schon vorher schreiben, es ist ja oft so klar, wer dafür und wer dagegen sein wird, wer was sagen und wer sein Ceterum Censeo schmettern wird. Ein ZK wird also folgendermassen beginnen:
Paul wird um 19.07 die Sitzung eröffnen, weil Hans – wie immer – zu spät gekommen sein wird.
Zu Punkt 1: Die Traktandenliste wird, weil niemand sie wirklich bedacht haben wird, genehmigt werden.
Zu Punkt 2: Das Protokoll der letzten Sitzung wird, weil es – wie immer – niemand gelesen haben wird, genehmigt und verdankt werden.
usw.
usw.

2.) Der Hilfe-Text

Ich stiess neulich am Badischen Bahnhof in Basel auf folgendes Schild an einem Schliessfach

Achtung! Das Schliessfach ist defekt.
Bitte benützen Sie ein anderes Schliessfach.

Es scheint Menschen zu geben, die mit alltäglichen Situationen völlig überfordert sind. Und nachdem zig Leute zur Aufsicht gerannt sind, weil sie nicht wussten, was sie zu tun sollen, und dort den Hinweis bekamen, wenn das eine Fach defekt sei, könne man einfach ein anderes gebrauchen, hat man diesen Hinweis angebracht. Und hier kommt der Hilfe-Text ins Spiel. Er wird z. B. vor dem Betreten eines Gebäudes den Besuchern überreicht und leitet sie wohlbehalten an ihr Ziel.

WILLKOMMEN IM BUX-CENTER
1)  Eintritt
Unser Gebäude ist mit einer elektronisch betriebenen Schiebetür ausgestattet. Gehen Sie einfach auf die Türe zu und sie wird sich von selber für Sie öffnen. Versuchen Sie nicht, die Türe aufzuschieben oder aufzustossen, das bringt gar nichts. ACHTUNG! Laufen Sie ruhig auf den Eingang zu, da der Mechanismus ein paar Sekunden Zeit benötigt. Wenn Sie auf die Türe zusprinten, dann knallen Sie gegen das Glas.
usw.

3.) Das Porno-Hörspiel

Auch Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen haben ein Recht auf pornographische Inhalte. Und hier kann man natürlich abhelfen. Es entsteht ein Hörspielformat, das hauptsächlich aus Stöhnen besteht, in der reizvollen Vokalisierung aber fast ein wenig an Dada erinnert.

A:           Oooooooooo
B:            Aaaaaaaaaaa
A:           Ooooooaaaa
B:            Aaaaaooooo
A:           Aoaoaoaoao
B:            Oaoaoaoaoa
usw.

Welche Textsorte würden Sie gerne erfinden? Den/die/das ??????
Tun Sie es doch einfach.
   

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