Der
Männerchor Frohlust Dobbingen (SH) e.V. hat in seinen Statuten folgenden
Passus:
Sänger, die
weniger als 70% der Proben besuchen, werden vom Vorstand aus dem Verein
ausgeschlossen.
Der Passus
stammt noch aus der Zeit, als die Frohlustigen 100 Mitglieder zählten und es
Ehrensache war, in jede Probe zu kommen – und als der Altersdurchschnitt bei 45
Jahren lag. Heute ist der Altersdurchschnitt bei 73, und man ist froh um die
drei Mitglieder, die ihn eklatant senken: Rudi, 51 Jahre, ist freischaffender
Graphiker und muss manchmal in Nachtschichten noch Aufträge fertigmachen, Beat,
55 Jahre, arbeitet bei einer grossen Firma und ist geschäftlich viel unterwegs,
Gerd, 62 Jahre, geniesst seinen Vorruhestand und ist demnach auch viel unterwegs…
Man wendet also den Passus einfach nicht mehr an, auch wenn die drei «Babys»
eigentlich gar nicht mehr dabei sein dürften.
Warum
streicht man den Paragraphen dann nicht einfach?
Man streicht
ihn nicht, weil man keine Diskussionen will. Wenn es auf einer
Generalversammlung zu einem Antrag auf Löschung käme, würden ganz unnötige
Äusserungen fallen, Äusserungen wie «Man ist in einem Verein oder ist nicht in
einem Verein!», «Man muss einfach Prioritäten setzen!» oder «Auf Leute, die nie
da sind, können wir verzichten!» und als Ergebnis würden sich Rudi, Beat und
Gerd einfach einen anderen Männerchor suchen, einen Männerchor, in dem sie
willkommen sind, obwohl sie viele Proben fehlen.
Und der
Altersdurchschnitt würde auf 79 schnellen.
Und das will
man auf keinen Fall.
Aus dem
gleichen Grund werden in vielen Gemeinden, in vielen Kantonen, werden in vielen
Bundesländern und Staaten, werden in vielen Städten und Gemeinwesen Passagen in
den Gesetzbüchern einfach darin gelassen. Weil man unnütze Diskussionen
vermeiden will.
So blieb
nach dem 2. Weltkrieg in der Hessischen Landesverfassung aus Versehen die
Todesstrafe stehen. Machte gar nichts, den im Grundgesetz war sie abgeschafft,
Bundesrecht bricht Landesrecht, und niemand wurde in Frankfurt, Kassel oder Darmstadt,
wurde in Giessen, Wiesbaden oder Offenbach aufs Schafott oder den Elektrischen
Stuhl geschickt. Man liess den Paragraphen in der Verfassung, weil man um alles
in der Welt keine fünfstündige Landtagsdebatte über die Todesstrafe wollte –
die auch gar nichts gebracht hätte, denn Bundesrecht…
Aus dem
gleichen Grund steht Adolf Hitler in manchen deutschen Städten noch in der
Liste der Ehrenbürger, die meisten Bürger dieser Städte wissen das aber gar
nicht. Der (verständliche) Antrag auf Streichung dieses unseligen Namens hätte
aber eine lange Diskussion zur Folge, eine Diskussion, die man um jeden Preis
vermeiden will. Man will einfach keine Sätze hören wie: «Egal, was Hitler
vielleicht (!!) noch Böses gemacht haben soll (!!), unserer Stadt hat er immerhin
das Rathaus, das Schwimmbad, die Schule und den Sportplatz gestiftet».
Amerika ist
im Wir-lassen-das-Gesetz-drin-damit-es-keine-Diskussionen-gibt absoluter
Weltmeister,
die Liste
der sogenannten Dumb-Laws ist sehr lang. So dürfen in bestimmten Bundesstaaten
·
geschiedene Frauen am Sonntag nicht
Fallschirmspringen
·
Hotelgäste in ihren Zimmern keine Orangen
schälen
·
Autofahrer nicht 100x um den Marktplatz fahren
usw.
Alle die
Gesetze bleiben bestehen, weil es niemand stört. Eine Streichungsdebatte wäre
verheerend. Sie könnte im ersten Fall sogar dazu führen, dass man
·
das Fallschirmspringen am Tag des Herrn generell
verbietet
·
Frauen das Fallschirmspringen verbietet
·
Frauen die Scheidung verbietet
Und das will
man auf keinen Fall.
Ebenso
schwierig wie einen Passus zu streichen ist es übrigens, eine schon längst
vorhandene Realität in eine Satzung einzufügen, ich habe das selbst auf einer
Tagung des Württembergischen Landesverbandes für Kinderkirche erlebt. Die
Organisation war seit 1950 Mitglied im Diakonischen Werk und 1980 wollte man
dieses Faktum endlich in die Satzung aufnehmen. Nach einer dreistündigen
Debatte hatte man die Gegner endlich überzeugt – die Guten hatten Angst, dass
durch die Mitgliedschaft (sie bestand seit 30 Jahren!) das Diakonische Werk
einem «dreinreden» könnte (es hatte dies in 30 Jahren nicht getan!).
Haben Sie in
Ihrem Verein, in ihrem Club auch so einen Dummes-Gesetz-Passus in der Satzung?
Seien Sie
gut beraten!
Lassen Sie
ihn drin!
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