Beim
Jahreskonzert des Gemischten Chores Frohlust in Schwuden (Friesland) kommt es
zu einem unschönen Zwischenfall. In der Pause, in der traditionsgemäss Aquavit
und Fischhäppchen gereicht werden, wird Qualm entdeckt, das Reetdach der
Dorfhalle muss irgendwie Feuer gefangen haben. Natürlich rückt die Feuerwehr
an, beendet das Konzert, räumt die Halle und löscht den Brand. Umso erstaunter
sind die Leser des OFT (Südostfriesisches Tagblatt), als sie am übernächsten
Tag in der Konzertkritik eine Besprechung des Liederzyklus «Auf dem Deich» von
Haan Feddersen (*1956) finden, der natürlich nicht mehr erklingen konnte.
Erstaunt
sind die Leser der gleichen Zeitung auch in Schwaden, dort musste Sinke Booder,
die Solistin im «Deichkonzert op. 23» von Jens Bubelham (*1987) aus
Krankheitsgründen leider absagen und wurde durch ihre Kollegin Dörte Hannssen
meisterhaft vertreten. (Das Deichkonzert für Deichoboe und Kammerorchester
erklang im ersten Teil des Konzertes des Orchestervereins Schwaden e.V.) Nun
steht im Südostfriesischen Tagblatt aber Sinke Booder, obwohl die Erkrankung
und die Einspringung (sic) zu Beginn des Konzertes deutlich angesagt wurden.
Die Lösung
ist einfach: Detlev Billstrung, einer der Kritiker des OFT, hat schlicht und
einfach beide Konzerte besucht, das Konzert in Schwuden im ersten Teil, weshalb
er die Räumung der Halle nicht mitbekam und dann den Event in Schwaden im
zweiten Teil, weshalb er die Ankündigung der Einspringung verpasste.
Aber auch in
Karlsruhe sind kritische Leser der Badischen Neuesten Nachrichten nicht immer
glücklich: Da wird Schuberts Unvollendete als «Nullte» bezeichnet, da wird
Monet zu den Expressionisten gezählt, da hat ein Rezensent den Regieansatz am
Badischen Staatstheater – trotz Pressemappe – nicht begriffen und ein anderer
nennt in einer Aufführung des Requiems von Mozart den falschen Ergänzer, da
wird geschludert, geschlampt, da wird falsch berichtet und falsch angegeben, da
hat man nicht oder zu wenig recherchiert, da hat es scheinbar nicht für ein
wenig Nachsehen im WorldWideWeb oder in einem Lexikon gereicht.
Und dann
kommt man mit den grossen Keulen und haut die armen Kritiker der kleinen,
mittleren und halbgrossen Zeitungen einfach in den Boden:
Raddatz!
Das war ein
Feuilleton!
Reich-Ranicki!
Das war
Kenntnis!
Kaiser!
Pravy!
Berehndt!
Man
vergisst, dass Herr Raddatz mit seinen Honoraren, Spesenrechnungen und
Sitzungskosten (auf den Konferenzen des ZEIT-Feuilletons wurde Veuve Cliquot oder Dom Perignon getrunken) die arme
Wochenzeitung fast in den Ruin trieb, man vergisst, dass der Chefdramaturg
Marcel Pravy mit seinen Honoraren für seine Gastkritiken sich wahrscheinlich
eine Villa am Lago Maggiore kaufte, man vergisst, dass sich ein
Who-is-Who-Mensch mit einem Betrag bezahlen lässt, der das Sechsfache eines
Monatsgehaltes eines normalen Redakteurs ist.
Der Kritiker
in Schwuden und Schwaden bekommt pro Text 100 Euro, rechnet man Arbeitszeit und
Spesen, Aufwand und Aufwändigkeit, dann sollte er lieber putzen gehen, auf
jeden Fall ist das Besuchen zweier Konzerte schlicht und einfach der schlechten
Bezahlung und nicht seiner Ignoranz zuzuschreiben.
Der
Rezensent der BNN in Karlsruhe ist zwar fest angestellt, muss aber im Monat um
die 100 Texte abliefern, was die Möglichkeiten für Recherche und Fundiertheit
enorm bremst.
Daher meine
Forderung:
Bezahlt das
Feuilleton besser!
Jeder Chor,
jedes Ensemble hat eine gute Berichterstattung verdient, und wenn dann ein
totaler Unsinn in der Presse steht, ist man ja völlig machtlos. Bezahlt die
Kritiker, die Rezensenten, bezahlt die Buchbesprecher und Ausstellungsgeher,
die Kulturleute und Kulturschreiber anständig, dann bekommen wir auch in der
Provinz und auf dem Lande ein gutes Feuilleton.
P.S. Eine
«Nullte» gibt es tatsächlich, aber die ist von Bruckner
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