Ich habe
einen alten Textausschnitt neu bearbeitet:
Es war eine dieser Vernissagen gewesen, zu denen
man hingehen muss.
Wobei das Wort müssen hier nicht bedeutet, dass
irgendwer einen mit Gewalt oder Androhung von Bussgeldern hintreibt, sondern
das, was man gemeinhin gesellschaftliche Verpflichtung nennt, hier sogar auf
gewisse Weise mit einer geschäftlichen Verpflichtung verflochten: Der Sohn
einer seiner besten Kunden hatte seine erste Ausstellung, und Andreas hätte eine gute Ausrede haben müssen,
um nicht hinzugehen.
Ausstellung Vernissage
in dieser Galerien
die paar
an Sihl
hatten umgebaute oder die
Teil unglaublichen entwickelten Teil
eben wie genutzte Garagen Dieses
war
jetzt ein gewesen hatte der
sofort gefühlt. Leider Bilder schrecklich. waren einer
Buntheit keiner fröhlich belebend
konnte waren den
Augen wehtat Kopfschmerz Er nach
einem
kurz Schlendern dem notwendigen Händeschütteln
ans gehalten für
diese Low- Galerie erstaunlich gut Lachshappen und Schinken der
war schwerer und für
Zigarette die
gegangen.
Genial,
nicht?
Ich habe im
zweiten Teil einfach ein paar Wörter weggelassen und dann mit dem Tabulator
gearbeitet, ich habe den zweiten Teil also ein wenig entstellt, ich habe ihn
ein bisschen zerstückelt, ein wenig geschnitten, ich habe ihn – jetzt nennen
wir doch endlich das Wort –
geschreddert.
Jetzt steht
mir endlich der Weg zum Büchner- und zum Nobelpreis offen, jetzt habe ich den
Weg gefunden, endlich berühmt zu werden, ich werde meine Texte zur Hälfte
schreddern.
Sie finden
das eine blöde Idee? Sie finden, ein Text ist gut oder schlecht, gelungen oder
nicht gelungen, es ist eine saublöde Masche, einfach Wörter wegzulassen und zu
verschieben? Aber wenn das eine Saudummheit ist, warum funktioniert es dann bei
Bildern?
Mal ganz
ehrlich: Wer kannte den Street-Art-Künstler Banksy? Welcher Hahn hätte nach dem
relativ banalen Bild «Girl with a Balloon» gekräht? Wer hätte sich nach ihm
umgedreht oder den Hals nach ihm gerenkt? Niemand. Keine Sau. Kein Schwein. Das
unendlich blöde Kunstwerk hätte schlicht und einfach die Allgemeinheit nicht
betroffen, nur eine kleine, feine «Kunstkenner-Schicht», aber der Moment, in
dem das Bild durch den Schredder lief, ging ja um die Welt.
Abgesehen,
dass klar ist, dass natürlich Sotheby’s eingeweiht war (Versuchen Sie mal einen
Schredder in einen Bilderrahmen zu bauen, ohne dass es Leute, die jeden Tag 100
Bilder schleppen, merken…), warum ist das Bild jetzt so prominent?
Das Museum
Burda zeigt das Bild die nächsten Wochen, dann geht es in die Staatsgalerie
Stuttgart, und an beiden Orten wird ein Besucheransturm erwartet.
Ich aber
fordere Gleichberechtigung, wenn Schreddern ein Kunstwerk hebt, dann verlange
ich auch
geschredderte
Sonaten
geschredderte
Sonette
geschredderte
Romane
geschredderte
Romanzen
geschredderte
Balladen
geschredderte
Ballette
geschredderte
…
Vielleicht
sollte ich den ganzen Blog noch einmal durcharbeiten. Wäre doch eine super
Idee: Ich schreddere jeden Mittwoch und Samstag einen Post, angefangen mit der
Nummer 1 vor vielen Jahren.
Also lesen
Sie alle alten Texte noch einmal gründlich durch, denn ab dem 1. Mai 2019
werden alle alten Ergüsse zerstückelt, zerhäckselt, werden zerhackt,
zermanscht, werden kaputtgemacht, verwurstet, verkäst, liegen danach in Fetzen,
in Scherben, liegen in Schnipseln, in…
Trümmern!
Jawoll, das
wird die neue Trümmer-Literatur!
Ganz neuer
Begriff!
Ich sehe
schon den Wikipedia-Eintrag:
Neo-Trümmer
Durch Rolf Herter (*1965) begründete
Literaturgattung, bei der bestehende Texte durch Schredder-Verfahren
zerstückelt werden. In der Nachfolge von Banksy werden hier Wörter von Teilen
von Geschriebenem gestrichen und der Rest graphisch neu verteilt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen