Dienstag, 12. Februar 2019

Am dem 1.5.2019 wird bei der Dienstag-Freitag-Glosse geschreddert!


Ich habe einen alten Textausschnitt neu bearbeitet:

Es war eine dieser Vernissagen gewesen, zu denen man hingehen muss.
Wobei das Wort müssen hier nicht bedeutet, dass irgendwer einen mit Gewalt oder Androhung von Bussgeldern hintreibt, sondern das, was man gemeinhin gesellschaftliche Verpflichtung nennt, hier sogar auf gewisse Weise mit einer geschäftlichen Verpflichtung verflochten: Der Sohn einer seiner besten Kunden hatte seine erste Ausstellung, und  Andreas hätte eine gute Ausrede haben müssen, um nicht hinzugehen.
Ausstellung        Vernissage          in                            dieser                    Galerien               die                          paar
an                          Sihl                         hatten                  umgebaute        oder                      die                         Teil  unglaublichen                 entwickelten      Teil                        eben                      wie                         genutzte               Garagen             Dieses                   war                        jetzt ein               gewesen             hatte                     der sofort                           gefühlt.                Leider                    Bilder                    schrecklich.        waren                   einer Buntheit    keiner                   fröhlich                 belebend                 konnte                  waren                   den Augen                          wehtat                 Kopfschmerz     Er                            nach                      einem                   kurz Schlendern                dem                       notwendigen     Händeschütteln ans                        gehalten              für diese                              Low-                      Galerie                 erstaunlich         gut                         Lachshappen     und Schinken     der                         war                        schwerer             und                        für         
Zigarette             die                          gegangen.

Genial, nicht?
Ich habe im zweiten Teil einfach ein paar Wörter weggelassen und dann mit dem Tabulator gearbeitet, ich habe den zweiten Teil also ein wenig entstellt, ich habe ihn ein bisschen zerstückelt, ein wenig geschnitten, ich habe ihn – jetzt nennen wir doch endlich das Wort –

geschreddert.

Jetzt steht mir endlich der Weg zum Büchner- und zum Nobelpreis offen, jetzt habe ich den Weg gefunden, endlich berühmt zu werden, ich werde meine Texte zur Hälfte schreddern.
Sie finden das eine blöde Idee? Sie finden, ein Text ist gut oder schlecht, gelungen oder nicht gelungen, es ist eine saublöde Masche, einfach Wörter wegzulassen und zu verschieben? Aber wenn das eine Saudummheit ist, warum funktioniert es dann bei Bildern?

Mal ganz ehrlich: Wer kannte den Street-Art-Künstler Banksy? Welcher Hahn hätte nach dem relativ banalen Bild «Girl with a Balloon» gekräht? Wer hätte sich nach ihm umgedreht oder den Hals nach ihm gerenkt? Niemand. Keine Sau. Kein Schwein. Das unendlich blöde Kunstwerk hätte schlicht und einfach die Allgemeinheit nicht betroffen, nur eine kleine, feine «Kunstkenner-Schicht», aber der Moment, in dem das Bild durch den Schredder lief, ging ja um die Welt.
Abgesehen, dass klar ist, dass natürlich Sotheby’s eingeweiht war (Versuchen Sie mal einen Schredder in einen Bilderrahmen zu bauen, ohne dass es Leute, die jeden Tag 100 Bilder schleppen, merken…), warum ist das Bild jetzt so prominent?

Das Museum Burda zeigt das Bild die nächsten Wochen, dann geht es in die Staatsgalerie Stuttgart, und an beiden Orten wird ein Besucheransturm erwartet.
Ich aber fordere Gleichberechtigung, wenn Schreddern ein Kunstwerk hebt, dann verlange ich auch
geschredderte Sonaten
geschredderte Sonette
geschredderte Romane
geschredderte Romanzen
geschredderte Balladen
geschredderte Ballette
geschredderte …

Vielleicht sollte ich den ganzen Blog noch einmal durcharbeiten. Wäre doch eine super Idee: Ich schreddere jeden Mittwoch und Samstag einen Post, angefangen mit der Nummer 1 vor vielen Jahren.
Also lesen Sie alle alten Texte noch einmal gründlich durch, denn ab dem 1. Mai 2019 werden alle alten Ergüsse zerstückelt, zerhäckselt, werden zerhackt, zermanscht, werden kaputtgemacht, verwurstet, verkäst, liegen danach in Fetzen, in Scherben, liegen in Schnipseln, in…
Trümmern!

Jawoll, das wird die neue Trümmer-Literatur!
Ganz neuer Begriff!
Ich sehe schon den Wikipedia-Eintrag:

Neo-Trümmer
Durch Rolf Herter (*1965) begründete Literaturgattung, bei der bestehende Texte durch Schredder-Verfahren zerstückelt werden. In der Nachfolge von Banksy werden hier Wörter von Teilen von Geschriebenem gestrichen und der Rest graphisch neu verteilt.   


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