Mike, mein
Promoter ist am Telefon. Wie immer schreit er förmlich, und ich muss den Hörer
weit weg von meinem Ohr halten, damit ich keinen Trommelfellschaden bekomme.
«Rolf», brüllt er, «Rolf, geniale Idee, geniale Idee, wir nennen das Ding ab
jetzt DIIENSTAAG-FREIITAAG-GLOOSSE, verstehst du, Dienstag mit zwei I und zwei
A und Freitag mit zwei I und zwei A und dann die Glosse mit zwei O, verstehst
du? Alles gedehnt, alles gedehnt, Dienst gedehnt und Frei gedehnt und Tag
gedehnt und Glosse gedehnt.»
Mike hat
eine Tendenz, alles zweimal und dreimal zu sagen, die einen rasend macht.
Ausserdem hat er wieder seine Erdbeer-Schoko-Mango-Zahncreme benutzt, die ich
nicht vertrage und ich habe die seltene Eigenschaft, Gerüche durchs Telefon
hindurch wahrnehmen zu können.
«Mike», sage
ich, «kannst du bitte ein wenig weg vom Hörer, du brüllst wahnsinnig und ich
vertrage deine Zahnpasta nicht. Ausserdem ist das mit der Dehnung totaler
Quatsch. Warum denn überall zwei Buchstaben.» «Ist wegen der Betonung, man sagt
doch auch staaark.» So ein Höllenschwachsinn, aber immerhin hat er den Hörer
etwas weiter weg, sodass man sich normal unterhalten kann, ohne einen
Hörschaden oder ein Magenproblem zu bekommen.
«Nein, Mike»,
und nun muss ich doch den Germanisten heraushängen, «wir bessern im Deutschen
Adjektive durch Zusätze wie weiss – schneeweiss / schwarz – kohlrabenschwarz
oder mit «wie», also stark wie ein Löwe, aber sicher nicht staaaark.» «Nicht?»
«Nein, Mikey.» «Geh aber mal in die Stadt, siehst du überall…»
Ich gehe
also in die Stadt und bin verblüfft, wie recht mein Promoter hat. Da gibt es
den Kaffeeladen SUPER GUUD, da gibt es ein Geschäft KUUUHL, da gibt es SCHÖÖÖNE
KLEIDER und SCHÖÖÖNE MÄNTEL, da kann man im Fitnessstudio SACKSTAAAARK
trainieren und im Beauty-Tempel JUUUUNG UND GLÄÄÄÄNZEND Teint und Nägel richten
lassen. Der eine Friseur nennt sich HAAAARSPAAALTER und der andere
FRISUUURKING.
Was ist nur
bloss mit der Sprache passiert?
Der einzige
Grund für eine solch schwachsinnige Orthografie ist die Wiedergabe von
wörtlicher Rede in einem Roman oder einer Kurzgeschichte. Da kann es Sinn
machen.
«Guuuuuuuuuuuut»,
sagte Heinz, «aber dann bekomme ich auch meinen Anteil…»
«Das ist so
schöööööööööööööön», kreischte Ellie und hüpfte auf und ab.
«Maaaaaaaaaarcooooooooo»,
drohte die Mutter, «das machst du noch einmal und dann knallt’s»
Aber selbst
in fiktiven Texten, in denen eine betonte und gedehnte Sprache wiedergegeben
wird, sieht es blöde aus.
Man kann nur
hoffen, dass es eine Mode ist, die schnell wieder vergeht.
Denken die
Erfinder von solchem Unsinn gar nicht an die armen Kinder, die lernen müssen,
korrekt zu schreiben. Wird nicht ein Kind, dass gegenüber von SUPER GUUD wohnt,
«gut» nie richtig schreiben, wird nicht ein Kind, dessen Mutter bei SCHÖÖÖNE KLEIDER
arbeitet, sich die im Deutschen nicht existente Häufung von Umlauten
angewöhnen? Werden die armen Kleinen in ein paar Jahren ständig «staark» und
«juung» angestrichen bekommen?
Dabei ist
der Grund für den Blödsinn natürlich völlig klar: Wir haben verlernt, durch
Bilder und Zusätze zu betonen, früher waren Dinge eben nicht schööön, sondern
bildschön, sie waren nicht staaark, sondern bärenstark, man war nicht juuung,
sonder blutjung und nicht aaalt, sondern uralt. Es gab tonnenschwer und
federleicht, es gab mucksmäuschenstill und klitzeklein, man war blind wie ein
Maulwurf und fit wie ein Turnschuh, man war schön wie der Morgen und jung wie
der Tag.
Ich rufe
also Mike nochmal an.
Leider
brüllt er wieder in den Hörer und raucht eine Zigarre. «Mike», sage ich,
«schrei nicht so und halt deinen Stumpen nicht so nah am Telefon, du weisst,
ich vertrage das nicht. Und deine Idee ist auch Mist. Ich bin nicht bereit in
einem Textblog die Sprache so zu verunstalten.»
«Guuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuut»,
kichert Mike, «ich habe noch viele Ideen.»
Was zu
befürchten ist.
P.S.
Die
Telefongeruchserkennung ist geklaut.
Ich verneige
mich vor Heinrich für diese Idee aus Ansichten
eines Clowns.
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