Dienstag, 11. Juli 2017

Die G20 auf Kreuzfahrt



Nach den heftigen Ausschreitungen in Hamburg stellt sich erneut die Frage, ob sich die G20-Leute wirklich in einer Grossstadt treffen müssen. Irgendein Kommentator, ich weiss nicht mehr, ob es der vom Offenburger, vom Oldenburger, ob es der vom Bielefelder (hihi) oder der vom Coburger Tagblatt war, hat hier einen unglaublich dämlichen Sermon abgelassen:

Es wäre verkehrt, die alljährlichen Treffen der G20 auf ein Kreuzfahrtschiff zu verfrachten. Hier wäre die Abschottung der Mächtigen komplett. Nein, ein G20-Gipfel gehört ins Volk und zum Volk.

Hier wird die Wahrnehmung der Putins und Trumps, der Marcons und Merkels mit der Wahrnehmung des Volkes verwechselt. Die G20er sind in ihren verbunkerten Tagungslokalen so sehr «im Volk» wie Sie auf einer Party bei den Leuten wären, wenn Sie in einem Astronautenanzug ohne Funkverbindung kämen, so sehr «unter den Menschen» wie auf einem Stau auf der A5. Sie wären so nah bei der Allgemeinheit wie in einer Zweierloge in der Scala, so sehr im Geschehen wie in Isolationshaft mitten in der Altstadt von Bagdad. Für Sie wäre eine Ahnung von Treiben, von Menschen, von Gewühl da, ein Hauch von «mitten drin», für die anderen allerdings wären SIE unerreichbar.

Nein, ich finde die Idee mit dem Kreuzfahrtschiff eigentlich gar nicht schlecht. Stellen wir uns doch einmal ein Szenario vor:
Im Mai nächsten Jahres tauft Angie das neu gebaute Luxusschiff auf den Namen OEKONOMIA. Die ebenfalls im Gespräch gewesen Namen wie IRENE, OEKOLOGIA und SOPHIA wurden verworfen, zu unehrlich und verlogen schien es doch, dem Kasten Namen wie Frieden, Umweltschutz oder Weisheit zu geben.
Im Juli startet die OEKONOMIA dann von einem französischen Militärstützpunkt zu einer einwöchigen Mittelmeerreise. Und je nach Lage bietet das Schiff alle Möglichkeiten von Kontakt oder Nichtkontakt, von Öffnung oder Abschottung. So ist eigentlich geplant, dass die OEKONOMIA am dritten Tag Genua anlaufen soll, mit folgendem Zeitplan:

12.00     Ankunft im Hafen
12.10     Die Banda di Città Genova spielt «Fratelli d’Italia».
12.15     Das Volk jubelt und schwenkt Fähnchen, als sich alle 20 Staats- und  
              Regierungschef(s)innen an der Reling zeigen
12.30     Apéro im Schiff für ausgesuchte Prominente der Stadt.
13.30     Die Banda die Cittá Genova spielt «Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus».
13.35    Abfahrt

Der Polizeichef von Genua muss nun abklären, ob das gewünschte Szenario so durchführbar ist. Es
wäre natürlich eine Katastrophe, wenn z.B. die Banda statt der Italienischen Hymne und dem
traditionellen Schiff-Ablege-Lied «Avanti Popolo» und die Internationale spielen würde, ganz
ausschliessen kann er es nicht, immerhin ist der Kapellmeister Mitglied bei den Kommunisten. Noch
schlimmer wäre es natürlich, wenn statt der jubelnden Bevölkerung ein ähnlicher Mob wie in an der
Elbe auftauchen würde, wenn statt Fähnchen Parolenfahnen geschwenkt würden und
Molotowcocktails in Richtung Reling fliegen. Ja, der Polizeichef muss sich überlegen, ob er den
Hafen abgesperrt bekommt oder nicht.
Wenn seine Antwort ein «no» ist, hat man aber eine ganz einfache Lösung parat:
Die Landung wird in den nahegelegenen Hafen der Italienischen Marine verlegt und es werden nur
die ausgesuchten Prominenten eingeladen, also reiche, schöne, wichtige und politisch korrekte
Leute. Diese müssen natürlich keine Fähnchen schwenken. Als Kapelle nimmt man gleich die Banda
der Italienischen Marine, dies trimmt die Gefahr, dass linkes Lied und marxistische Märsche
musiziert werden auf 0.

Ein ganz besonders schöner Moment wäre es natürlich, wenn die OEKONOMIA auf ein
Flüchtlingsboot treffen würde. Hier könnten die Mächtigen der Welt, könnten Merkel, Putin und Trump einmal ihre weiche, ihre zarte, könnten sie ihre menschliche Seite zeigen. Die Flüchtlinge werden gerettet, gepflegt, umsorgt, Bilder wie «Trump cremt Somalier» und «Mutti mit schwarzem Kind» gehen um die Welt, zwei Tage später schickt man die Flüchtlinge dann mit einem immerhin stabilen Boot an die Afrikanische Küste zurück.

So kreuzt die OEKONOMIA eine Woche zwischen Spanien und Griechenland und man hat viel Zeit zum Reden, zum Verhandeln, aber auch zum Baden und Roulettespielen. Und wenn man immer Lust hat, organisiert man eine Volk-Berührung oder eben nicht.
Die einzigen Politiker übrigens, die wirklich eine solche Volk-Berührung praktizieren, sind die Schweizer Bundesräte. Bei ihrer jährlichen Sommerfahrt, liebevoll «Schuelreisli» genannt, besuchen sie jedes Jahr einen anderen Kanton, wandern, schauen Schlösser an und treffen sich im Hauptort mit der Bevölkerung zum Apéro. Hier kann man nun wirklich mit der Leuthard oder dem Schneider-Amann, mit dem Berset oder der Sommaruga anstossen und ihnen das sagen, was man auf dem Herzen hat. Gesichert werden die sieben – die eben keine G7 sind – durch eine Handvoll Polizisten aus dem Kanton und eine ebenso kleine Handvoll, die mit aus Bern kommt. Das geht, weil den Schweizer Bundesräten das fehlt, was den G20 aus allen Ohren trieft:
Macht.

Nach den heftigen Ausschreitungen in Hamburg stellt sich erneut die Frage, ob sich die G20-Leute wirklich in einer Grossstadt treffen müssen. Ich denke die Guten sollten auf ein Schiff. Oder zum Nordpol. Oder zum Mond.
Oder am besten dahin, wo der Pfeffer wächst. 















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