Nach den
heftigen Ausschreitungen in Hamburg stellt sich erneut die Frage, ob sich die
G20-Leute wirklich in einer Grossstadt treffen müssen. Irgendein Kommentator,
ich weiss nicht mehr, ob es der vom Offenburger, vom Oldenburger, ob es der vom
Bielefelder (hihi) oder der vom Coburger Tagblatt war, hat hier einen
unglaublich dämlichen Sermon abgelassen:
Es wäre verkehrt, die alljährlichen Treffen
der G20 auf ein Kreuzfahrtschiff zu verfrachten. Hier wäre die Abschottung der
Mächtigen komplett. Nein, ein G20-Gipfel gehört ins Volk und zum Volk.
Hier wird
die Wahrnehmung der Putins und Trumps, der Marcons und Merkels mit der
Wahrnehmung des Volkes verwechselt. Die G20er sind in ihren verbunkerten
Tagungslokalen so sehr «im Volk» wie Sie auf einer Party bei den Leuten wären,
wenn Sie in einem Astronautenanzug ohne Funkverbindung kämen, so sehr «unter
den Menschen» wie auf einem Stau auf der A5. Sie wären so nah bei der
Allgemeinheit wie in einer Zweierloge in der Scala, so sehr im Geschehen wie in
Isolationshaft mitten in der Altstadt von Bagdad. Für Sie wäre eine Ahnung von
Treiben, von Menschen, von Gewühl da, ein Hauch von «mitten drin», für die
anderen allerdings wären SIE unerreichbar.
Nein, ich
finde die Idee mit dem Kreuzfahrtschiff eigentlich gar nicht schlecht. Stellen
wir uns doch einmal ein Szenario vor:
Im Mai
nächsten Jahres tauft Angie das neu gebaute Luxusschiff auf den Namen
OEKONOMIA. Die ebenfalls im Gespräch gewesen Namen wie IRENE, OEKOLOGIA und SOPHIA
wurden verworfen, zu unehrlich und verlogen schien es doch, dem Kasten Namen
wie Frieden, Umweltschutz oder Weisheit zu geben.
Im Juli
startet die OEKONOMIA dann von einem französischen Militärstützpunkt zu einer
einwöchigen Mittelmeerreise. Und je nach Lage bietet das Schiff alle
Möglichkeiten von Kontakt oder Nichtkontakt, von Öffnung oder Abschottung. So
ist eigentlich geplant, dass die OEKONOMIA am dritten Tag Genua anlaufen soll,
mit folgendem Zeitplan:
12.00 Ankunft im Hafen
12.10 Die Banda di Città Genova spielt «Fratelli
d’Italia».
12.15 Das Volk jubelt und schwenkt Fähnchen, als
sich alle 20 Staats- und
Regierungschef(s)innen an der Reling zeigen
12.30 Apéro im Schiff für ausgesuchte Prominente
der Stadt.
13.30 Die Banda die Cittá Genova spielt «Muss i
denn, muss i denn zum Städtele hinaus».
13.35 Abfahrt
Der Polizeichef
von Genua muss nun abklären, ob das gewünschte Szenario so durchführbar ist. Es
wäre natürlich
eine Katastrophe, wenn z.B. die Banda statt der Italienischen Hymne und dem
traditionellen
Schiff-Ablege-Lied «Avanti Popolo» und die Internationale spielen würde, ganz
ausschliessen
kann er es nicht, immerhin ist der Kapellmeister Mitglied bei den Kommunisten.
Noch
schlimmer wäre
es natürlich, wenn statt der jubelnden Bevölkerung ein ähnlicher Mob wie in an der
Elbe auftauchen
würde, wenn statt Fähnchen Parolenfahnen geschwenkt würden und
Molotowcocktails
in Richtung Reling fliegen. Ja, der Polizeichef muss sich überlegen, ob er den
Hafen abgesperrt bekommt oder nicht.
Hafen abgesperrt bekommt oder nicht.
Wenn seine
Antwort ein «no» ist, hat man aber eine ganz einfache Lösung parat:
Die Landung
wird in den nahegelegenen Hafen der Italienischen Marine verlegt und es werden
nur
die
ausgesuchten Prominenten eingeladen, also reiche, schöne, wichtige und
politisch korrekte
Leute. Diese
müssen natürlich keine Fähnchen schwenken. Als Kapelle nimmt man gleich die
Banda
der
Italienischen Marine, dies trimmt die Gefahr, dass linkes Lied und marxistische
Märsche
musiziert werden auf 0.
Ein ganz
besonders schöner Moment wäre es natürlich, wenn die OEKONOMIA auf ein
Flüchtlingsboot
treffen würde. Hier könnten die Mächtigen der Welt, könnten Merkel, Putin und
Trump einmal ihre weiche, ihre zarte, könnten sie ihre menschliche Seite
zeigen. Die Flüchtlinge werden gerettet, gepflegt, umsorgt, Bilder wie «Trump
cremt Somalier» und «Mutti mit schwarzem Kind» gehen um die Welt, zwei Tage
später schickt man die Flüchtlinge dann mit einem immerhin stabilen Boot an die
Afrikanische Küste zurück.
So kreuzt
die OEKONOMIA eine Woche zwischen Spanien und Griechenland und man hat viel
Zeit zum Reden, zum Verhandeln, aber auch zum Baden und Roulettespielen. Und
wenn man immer Lust hat, organisiert man eine Volk-Berührung oder eben nicht.
Die einzigen
Politiker übrigens, die wirklich eine solche Volk-Berührung praktizieren, sind
die Schweizer Bundesräte. Bei ihrer jährlichen Sommerfahrt, liebevoll
«Schuelreisli» genannt, besuchen sie jedes Jahr einen anderen Kanton, wandern,
schauen Schlösser an und treffen sich im Hauptort mit der Bevölkerung zum
Apéro. Hier kann man nun wirklich mit der Leuthard oder dem Schneider-Amann,
mit dem Berset oder der Sommaruga anstossen und ihnen das sagen, was man auf
dem Herzen hat. Gesichert werden die sieben – die eben keine G7 sind – durch
eine Handvoll Polizisten aus dem Kanton und eine ebenso kleine Handvoll, die
mit aus Bern kommt. Das geht, weil den Schweizer Bundesräten das fehlt, was den
G20 aus allen Ohren trieft:
Macht.
Nach den
heftigen Ausschreitungen in Hamburg stellt sich erneut die Frage, ob sich die
G20-Leute wirklich in einer Grossstadt treffen müssen. Ich denke die Guten
sollten auf ein Schiff. Oder zum Nordpol. Oder zum Mond.
Oder am
besten dahin, wo der Pfeffer wächst.
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