Freitag, 7. Juli 2017

Das Auberginen-Mysterium (wahre Geschichte)



(Genauso wie der letzte Post ist diese Story von Anfang bis Ende wahr.)

Viele Menschen wundern sich, warum ich stets eine Weihnachtsblechdose in meinem Rucksack mit mir rumschleppe. In dieser Büchse befinden sich natürlich keine Weihnachtskekse, sondern meine Tagesverpflegung: Käsebrote, Obst, ein bisschen Süsskram. Eine solche Verpflegung bietet gegenüber dem morgendlichen oder mittäglichen Einkauf im COOP oder der MIGROS drei Vorteile: Sie ist billiger, sie ist gesünder und sie ist ökologischer – stellen Sie sich mal die ganzen Plastikverpackungen, die man täglich wegwirft auf einem Haufen vor…
Kurz vor dem Vorkonzert, das die KKB vor dem Gastauftritt des texanischen Bubenchores gibt und das ich dirigiere, ist meine Weihnachtsblechdose leer, der letzte Krümel Käse ist verspeist, ebenso die Äpfel und die Marsriegel. So weit so gut, allerdings die Dose, als ich sie am späten Abend aufmache um sie auszuwaschen, wieder gefüllt.
Mit einer Aubergine.
Im Geiste gehe ich die Konzertbesucher durch, ebenso die Sänger, wer könnte mir das Ding in die Büchse gelegt haben? Ich favorisiere zunächst die Leute mit Garten, komme aber dann dahinter, dass Mitte Juni die Dinger noch gar nicht reif sind, somit also jemand eine Aubergine gekauft haben muss, um mich mit diesem Gemüse zu beglücken. Es ist wirklich ein Glück, ich liebe Auberginen, in jeder Form, in jeder Zubereitung, ich liebe Melanzane alla Parmigiana, Auberginenpizza, Pasta mit Auberginensauce und gegrillte Auberginenscheiben als Antipasti. Ich tue also das mit der Aubergine, was jeder normale Mensch tun würde: Ich bereite sie zu und verspeise sie. Dass ich einen Tag danach noch am Leben bin, zeigt nebenbei, dass sie nicht vergiftet war. (Rezept? Nee, eher nich…)

Ein paar Tage später haben wir einen Probensamstag. Als ich nach vier Stunden Messiah meinen Rucksack schnappe, befindet sich eine Aubergine darin. Nun schränkt sich der Täterkreis erheblich ein, es kann nur ein aktiver Sänger der Knabenkantorei sein. Alle meine Nachfragen, all mein Nachbohren, all mein Insistieren, alle meine Apelle und Bitten bringen den Urheber der Idee nicht dazu, sich zu outen. Also wird auch dies Gemüse gefuttert, kommt in eine Auberginenpfanne mit Würstchen. (Rezept? Oh bitte! Das ist kein Foodblog!)

Eine Woche später gerät die Sache allerdings völlig aus den Fugen. Als ich am Morgen aus dem Haus gehen will, liegt dort eine Aubergine. Nicht einfach nackt und bloss allerdings, sie liegt auf einem Zettel mit den Lettern
FÜR
ROLF HERTER

VERGIFTET
(Da, wo die Lücke ist, lag die Frucht.)
Wie ist der Täter ins Haus gekommen? Ist er mir nachts gefolgt? Hatte er einen Schlüssel – und wenn, wie ist er zu diesem gekommen? Oder war einfach die Türe offen, weil die Expats aus der Mansarde wieder einmal nicht richtig zugezogen haben? Fragen über Fragen und keine Lösung. Da ich mit dem Grübeln nicht weiterkomme, ignoriere ich den Warnhinweis und esse lieber die dritte Aubergine. (Jetzt hört bitte endlich auf mit den Rezeptfragen, dies ist kein Foodblog, aber wenn ihr weiter so nervt, dann wandele ich die Dienstag-Freitag-Glosse wirklich noch in das Mittwoch-Samstag-Gemüse um!)

Was soll nun aber das Ganze?
Ich kann mir nur drei Varianten vorstellen:

a)
Jemand will mich umbringen. Dass ich die drei Auberginen überlebt habe, heisst nämlich noch lange nichts. Es gibt sogenannte Depotgifte, Toxine, die sich im Körper anreichern und ab einer gewissen Menge zum Exitus führen. Arsen gehört zum Beispiel dazu, jenes Gift, mit dem Napoleon angeblich um die Ecke gebracht wurde. Auch viele Ehefrauen arbeiteten früher mit Depotgiften, sie hatten ja alle Zeit der Welt, jedes Mal kam eine kleine Prise eines toxischen Stoffes in Suppe, Sauce oder Pudding, und nach ein paar Jahren waren sie endlich Lustige Witwe.
Die Frage ist aber, wer mich hier über den Styx, in den Hades, wer mich nach Walhall oder zu Hella senden, wer mir eine Fahrkarte über den Jordan kaufen möchte. Ich habe eigentlich keine Feinde – oder zumindest keine, von denen ich weiss. Habe ich jemand so verletzt, gekränkt, beleidigt, dass er oder sie wirklich Toxine in Auberginen spritzt und mir dieselben in Rucksack und vor die Türe legt?

b)
Es ist ein Liebesbeweis. Abgesehen davon, dass die Aubergine durch ihr Aussehen ein gewisses, na sagen wir mal erotisches Anspielungspotential enthält, könnte man auf diverse Assoziationen kommen. Man denke hier nur an die Aubergine mit der Aufschrift «Dem Schönsten», die einst die Göttin warf, man denke an die «Liebe zu den drei (!!) Auberginen» oder man denke an den Song «Zwei Auberginen im Haar und an den Hüften Bananen». Ist dies vielleicht die Lösung? Hätte ich das Gemüse gar nicht essen sollen, sondern mir in die Harre stecken und dann mit beaubergintem Haar und banantem Haar durch die Stadt tigern, worauf der Verliebte sich zu erkennen gegeben hätte? Nun sind die Dinger aber dummerweise verspeist, wenn ich nun neue kaufe, wird das jenem Adonis auffallen, dass es gar nicht mehr seine Auberginen sind?

c)
Es handelt sich um einen zwecklosen, sinnfreien und jeglicher Logik baren Scherz. Auch das ist eine denkbare Möglichkeit. Unsere Zeit ist voll von solchen zweckfreien, sinnlosen Scherzen, die nicht nur jeder Logik entbehren, sondern auch jeder Logik spotten. Trump ist so ein Scherz. Der Fidget Spinner ist so ein Scherz. Der G20-Gipfel ist so ein Scherz. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen.

Welche dieser drei Möglichkeiten zutrifft, bleibt offen.
Aber sollte der Auberginist sich unter meinen Lesern befinden, könnte er mich mal aufklären.

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