Super, denke ich und mein Blick fällt schnurstracks auf ein sehr buntes Schreiben vor mir:
HABEN SIE EINEN GRÜNEN DAUMEN?
Natürlich, den habe ich.HABEN SIE GEFÜHL FÜR FORM UND STRUKTUR UND SIND SIE EIN MUSISCHER MENSCH?
Klar, ich bin schliesslich Musiker, das scheint ja wie für mich gemacht.
WOLLEN SIE DAS LEBEN IHRER MITMENSCHEN VERSCHÖNERN?
Ja, ja, das will ich, das will ich.
DANN ANMELDEN: AUSBILDUNG ZUM/ZUR IKEBANA-FLORIST(IN), 5-WÖCHIGER LEHRGANG. 100% FÖRDERUNG. TEL. 030 7676988
Ich rufe sofort an, und siehe da: Im Juli und August findet
ein Lehrgang statt, ich solle gleich mal vorbeikommen. Im Institut SHUFOMA® bin
ich sofort begeistert, die Blütensteckschule liegt in einer alten Villa in
Dahlem, die aber innen völlig japanisch eingerichtet ist. Helle Wände werden
von Wandteppichen verziert, im Foyer plätschert ein Brunnen in einem
Steingarten, es herrscht eine wohltuend konzentrierte Atmosphäre, fast meint
man den Duft von Kirschblüten, Jasmin und Tee zu atmen. Frau Gomatotschi, die
Gründerin und Leiterin des SHUFOMA® weiss auf alle meine Fragen eine gute Antwort
und so unterschreibe ich den Vertrag: Vom 14.7. bis zum 21.8. werde ich nun in
die Kunst der korrekten Ikebana eingeführt werden.
Als ich nach der Förderung frage, gibt sie mir die Adresse
des entsprechenden Amtes.
Im Amt herrscht eine andere Atmosphäre. Untergebracht ist es in
einem 60er-Jahre-Zweckbau, hier verdecken hässliche
Brandenburg-Tourismus-Plakate den bröckelnden Putz, statt Steingarten die
obligatorischen Gummibäume und den Duft nach Bodenpflegemittel und schlechtem
Kaffee ahnt man nicht, er ist real. Ich ziehe eine Nummer, denn die
Sachbearbeiterin, Frau Mödel-Schubler, ist – im Gegensatz zu Frau Gomatotschi –
ständig beschäftigt. Nach zwei Stunden komme ich endlich dran. Nun reden wir
eine Weile ziemlich haarscharf aneinander vorbei, bis mir die Sache klar ist:
Die 100% Förderung gelten für Langzeitarbeitlose mit deutschem Wohnsitz, nicht für
Ausgewanderte, die zu hundert Prozent arbeiten und eine Fortbildung als Ferienbeschäftigung machen will. Auf Deutsch gesagt, sie gelten für Hartz
IV-Empfänger, die regelmässig einen Weiterbildungsnachweis vorlegen müssen, um
ihre Stütze nicht zu riskieren.
Ich werde also meinen Fernbus, meine Logis und Verpflegung,
sowie die Kurskosten von immerhin 650.- Euro selber berappen müssen.
Nun bin ich aber doch neugierig und frage Frau
Mödel-Schubler, warum eine Ausbildung zum/zur Ikebanafloristen/Ikebanafloristin
die Chancen eines LZA relevant erhöhe. Immerhin könnte sie ja bei einigen Jobs
sogar ein Handicap sein: Welcher Landschaftsgärtner stellt eine Frau ein, die
statt die Blumen einfach zu pflanzen, sie ständig um- und neusortiert, welche
Supermarkt beschäftigt einen Typen, der beim Regaleinräumen auf Farbe, Form und
Schwingung, aber nicht auf das Produkt achtet? („Neben den roten Kaffeefiltern
würden jetzt so gut ein paar blaue Suppendosen passen…“)
Die Antwort der Sachbearbeiterin ist lapidar: Natürlich
wisse sie, dass diese Ausbildungen zur Ikebanakunst, zum Schokoladerühren, zum
Homepagemachen und zum Klopapierrollenhäubchenhäklen (sic) absolut nix bringen.
Genausowenig übrigens wie die zum Fassadenklettern, zum Regaleinräumen oder zum
Zeitschrifteneinschweissen, die ersten seien Nischenjobs, die zweiten 1
Tag-Anlernen-Jobs. Das Wichtige sei: Massnahme = Arbeit, wer also eine
Massnahme mache, falle aus der Statistik raus, wenn man LZA regelmässig zu
solchen Kursen zwinge, dann haben sie theoretisch wieder einen Monat gearbeitet
und sind wieder zu den Kurzzeitarbeitslosen zu rechnen.
So einfach ist das.
Mir bleibt der Mund offen stehen. ich habe das natürlich
immer schon gewusst, aber nicht in dieser Deutlichkeit: Frau Gomatotschi belügt
Frau Mödel-Schubler, indem sie die Chancen für Ikebanakundige auf dem 1.
Arbeitsmarkt als extrem hoch bezeichnet, wobei die Sachbearbeiterin weiss, dass
die andere lügt. Frau Mödel-Schubler wird etliche ihrer Klienten dorthin
schicken und die Chancen ausmalen, wobei wieder beide Seiten wissen, dass
gelogen wird und am ersten Kurstag wird die Japanerin nochmal ihren
Schützlingen erzählen, was man mit Ikebanadiplom alles machen kann, und auch
hier wird der Schwindel jedem klar sein.
Was wäre aber, wenn die 100% Förderung gestrichen würden?
Von Hobbyikebanisten wie mir kann Frau Gomatotschi nicht leben, nicht in
Dahlem, da müsste sie ihre Workshops auf Kreta oder Sardinien anbieten. Sie
würde also arbeitslos und würde die Statistik belasten – bis man sie in eine
100% geförderte Massnahme schickte. Fassadenkletterin vielleicht. Wobei die
Chancen für 140cm grosse Kiotoerinnen in
der Fassadenbranche nicht gross sind.
Aber das wäre ihr ja klar…
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