Dienstag, 21. April 2015

Die Zynik des Mittelmeeres



Stellen Sie sich vor, Sie sässen mit Freunden in einem gemütlichen Ristorante und verzehrten eine Platte Antipasti misti für acht Personen. Nun hätte aber der Wirt ein kleines Sauberkeitsproblem und es wären etliche ziemliche wüste Keime und Substanzen in die Pomodori secci und den Parmaschinken geraten, kommt ja vor, dass Menschen einfach keinen Hang zum Putzen haben. Einer von Ihnen wäre der Erste, er würde probieren und sofort tot umfallen: Damit hätte er Ihnen und sechs anderen das Leben gerettet, sie würden nämlich Pomodori, Prociutto und wahrscheinlich auch Pepperoni und Parmesan stehen lassen und die Polizei rufen.
Stellen Sie sich vor, Sie gingen auf einem schmalen Bergpfad, sagen wir mal im Berner Oberland mit Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Und weil Eiger, Mönch und Jungfrau so atemberaubend schön wären, sagen wir mal es wäre ein ganz klarer Sommermorgen mit stahlblauem Himmel und klitzkleinen (sic) Schäfchenwolken, würde niemand von Ihnen den Verlauf des Pfades beachten, bis der Erste abstürzt. Wieder hätte einer den anderen das Leben gerettet.

Stellen Sie sich nun vor, aus Nbogo, Ihrem Dorf in der Sahara, machten sich drei, vier Leute auf den Weg ins Gelobte Land: Sie bezahlten einen Haufen Geld, nähmen all ihren Mut zusammen, führen auf holprigen Karren bis zum Mittelmeer und bestiegen dort ein Schiff. Nun dränge nach etlichen Wochen die Nachricht bis nach Nbogo, dass alle drei (oder vier) die Europäische Küste zwar erreicht hätten, aber nicht lebendig. Würden Sie sich weiterhin überlegen, es diesen gleichzutun? Oder würden Sie nicht beschliessen, daheim zu bleiben?

Sehen Sie.
Es ist also völlig fies, der EU vorzuwerfen „mit Budgetkürzungen den Tod von Flüchtlingen in Kauf zu nehmen“. Nein, mit jedem Afrikaner, der ertrinkt, wird einem anderen das Leben gerettet. Weil der nämlich dann zuhause bleibt. Es müssten jetzt einfach genügend sterben, und der Rest bleibt zuhause und stirbt nicht. 
Dass wir dann auch keine Probleme mit überfüllten Unterbringungen, mit Asylanträgen, mit Fremdheit und Islam, mit Überfüllung und Raumnot hätten, ist nur ein kleiner, kleiner, klitzkleiner (sic) positiver Nebeneffekt, ein Kollateralnutzen.
Die EU schottet sich also nicht ab, weil wir die Afrikaner nicht wollen, sondern sie rettet nicht alle, damit nicht noch mehr sterben.

Vielleicht hilft sie im Geheimen sogar noch ein bisschen nach, vielleicht ist ein Frachtschiff, das beim überfüllten Boot vorbeikommt, um angeblich zu retten, gar kein Fracht-, sondern ein Kriegsschiff, das einen winzigen Torpedo loslässt. Und nachher kann man unter Tränen behaupten, dass die alle auf eine Bootsseite rannten, um den Frachter zu sehen und kenterten und man nur die Leichen bergen konnte.
Vielleicht werden auch schon Haie dressiert oder Wale, die mit gezielten Stössen und Hieben, mit Schwanz- und Flossenschlägen so einen Kahn zum Umkippen bringen.
Wer weiss.

Eine gute Methode ist sicher auch das Wir-werfen-uns-aus-dem-Boot-Spiel. Insofern sollte man die 15 Männer, die 12 andere ins Wasser warfen, nicht verdammen, sondern sie loben. (Kleiner Exkurs: Ich bin mir sicher, der Aufschrei wäre kleiner gewesen, wenn nicht die Muslime die Christen ins Meer geschmissen hätten sondern umgekehrt die Christen die Muslime, und sagen Sie jetzt bitte nicht, Christen seien zu so etwas nicht fähig.)
Man könnte dies sogar institutionalisieren: Einer von zehn bekommt sofort einen EU-Pass, d.h. wenn 50 losfahren, wirft man andere so lange ins Wasser, bis 5 übrig sind. Diese werden dann in Italien mit Glanz und Gloria empfangen, auf verschiedene EU-Staaten verteilt und es wird ihnen am nächsten Tag die deutsche, spanische, italienische oder niederländische Staatsbürgerschaft verliehen.
Oder warum nicht das Ganze als TV-Spiel (ähnlich wie Amélie Nothomb es in Reality Show beschreibt, wo eine Art Big Brother in einem KZ stattfindet)? So ein Boot wird gefilmt und Zuschauerinnen entscheiden, wer weiter darf, sprich die anderen ins feuchte Nass befördern. Die knackigsten Hintern, die heissesten Sixpacks und die stärksten Bizepse erreichen den südeuropäischen Strand und werden vom Fleck weg von Helga, Antje, Claire, Antonella oder Carmen geheiratet, schliesslich sollen diese Afrikaner ja unglaublich im… na, sie wissen schon.

Auf jeden Fall sollten nicht alle ankommen, damit sich niemand mehr der Gefahr aussetzt.

Und wenn Sie mich jetzt für abgrundtief zynisch und boshaft, für einen schlimmeren Misanthropen als den von Molière halten, wenn Sie mir alles Mögliche vorwerfen, dann kann ich nur sagen: Etliche sind meiner Meinung, so z.B. ein italienischer Staatsmann, der klar sagte, dass die Küstenwache die Strände von Palermo und Apulien und nicht die von Libyen bewachen solle, was ja im Subtext heisst: Je weiter ihr von Afrika wegbleibt, umso weniger Leute kommen an und müssen versorgt werden.

Natürlich wäre es besser, um nochmal auf die oberen Beispiele zu kommen, ein Lokal einfach zu schliessen, das mehr Viren und Bakterien und Gifte beherbergt als die städtische Müllkippe.
Natürlich wäre es besser, einen Bergpfad, der Wanderer, die auf die berühmte Trias blicken statt auf die Erde, ins Jenseits schickt, zu sperren.
Natürlich wäre es besser, zu schauen, dass der südliche Kontinent mit all seinen Resourcen, seiner Kraft und Energie, seinem Boden und seinen Menschen ein Auskommen und Zukunft findet.
Aber das scheint in allen Fällen ein irgendwie schwieriger Weg zu sein.
Irgendjemand müsste irgendwas tun, und das sind einfach zu viele irgend.


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