Montag, 25. November 2013

Das Böse bleibt


Wer war August von Kotzebue?
Sie haben 10 Sekunden  Zeit für die ausführliche Antwort, Sie können noch nicht tauschen, einen Joker einsetzen oder jemand anrufen.
Nun?
Was sagen Sie? „So’n  Dichter, wo erschossen worden ist…“ Na ja, das ist teilweise richtig. Aber arbeiten Sie einmal an Ihrem Deutsch, das Relativpronomen heisst der. Kotzebue – wurde der nicht sicher die ganze Zeit auf dem Schulhof gehänselt wegen seines Namens, ich meine, das klingt doch verdammt nach Kotzbub ? – war der meistgespielte Autor seiner Zeit, er hat ca. 50 Theaterstücke verfasst, darunter Der Rehbock, der die Vorlage zu Lortzings Wildschütz bildet.
Was uns aber immer nur einfällt, ist, dass er 1819 vom Studenten Carl Ludwig Sand erschossen wurde; und dass das irgendwie etwas mit der Deutschen Revolution zu tun hat, was, weiss ich auch nicht so genau.
Aber es ärgert mich. Weil wir nämlich damit Sand Recht geben. Der Mord, auf unzähligen Stichen, Bildern, Lithografien festgehalten, hebt beide, den schlampigen, unrasierten Jüngling, den sonst keine Sau kennen würde, und den Starautor, den heute auch niemand mehr kennen würde - er wird nicht mehr gespielt - in die Unsterblichkeit.
Böses Tun, das beiden nützt, langfristig gesehen, kurzfristig waren natürlich beide tot, Kotzbub, sorry, Kotzebue durch die Kugel und Sand durch den Strang.
Also habe ich doch auch Chancen eine gewisse Berühmtheit zu erlangen. Und zwar nicht durch etwas Schönes, Anregendes, Grossartiges, Liebes, sondern durch etwas Böses.
Und es gibt zwei Möglichkeiten.
Was?
Nein, das Quiz ist vorbei, ich werte Ihre Antwort nicht, Sie sind keine Runde weiter und haben auch keine 50.- gewonnen.
Also noch mal zu den Möglichkeiten:
1) Ich lasse mich erschiessen. (War mal ein Lied von Ideal: Komm, wir lassen uns erschiessen.) Ich werde die nächsten Wochen damit zubringen, ausländerfeindliche und  inländerfeindliche, homophile und homophobe, bigotte und antikirchliche Posts zu verfassen, ich werde alle provozieren, ich werde Neger, Eskimo und Zigeuner schreiben, und irgend jemand kommt doch dann hoffentlich auf die Idee, mir eine Kugel durch die Stirn zu jagen. Wichtig ist, dass jemand filmt und das Ganze ins Internet stellt.
2) Die zweite Möglichkeit: ich erschiesse irgendeinen Künstler, der sonst in die Bedeutungslosigkeit verschwindet. Ich werde hier keine Namen nennen, weil das als Drohung ausgelegt werden kann, aber es gäbe genug. Popmusiker, die nicht live singen können, sämtliche Skihütten-Musik-Stars, Regisseure, die nicht in die Musik der Opern reinhören und solche, die ständig aus dem Off singen lassen.
Sie finden mich heute zynisch?
Vielleicht. Aber die Welt ist zynisch. Mich ärgert einfach, dass das Böse so viel mehr Bestand hat als das Gute. Stellen Sie sich vor, jemand hätte den Altnazi Filbinger bei der Eröffnung eines Volkfestes umgelegt. Filbinger wäre heute ein Heiliger, es würden Strassen, Plätze, Schulen und Hallen nach ihm benannt. Gibt es aber irgendwo eine Corrie-ten-Boom-Strasse? Nein. Die Holländerin hat ja auch nur ein paar Juden versteckt und das KZ überlebt. Dabei hätten alle die Menschen, die unter Lebensgefahr Leben retteten, das verdient. Wann wird der nächste Grossbau Schindler-… getauft?
Also vergessen wir ab heute doch alle Namen, die nur durch das Böse tradiert werden.
Aber nicht, wenn Sie zu einem Quiz fahren.
Da könnte die 5.Frage lauten: Wer war Lee Harvey Oswald?
Richtig, der Mörder von Kennedy.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen