Montag, 18. November 2013

Eine(r) von beiden bleibt bei den Kindern - ein Pronomenproblem


Nein, es gehe doch überhaupt nicht darum, die Frauen wieder an den Herd zu schicken. Ich verstünde alles immer falsch, sagt man mir. Es gehe überhaupt nicht darum, wenn jetzt in Deutschland und der Schweiz darüber diskutiert würde, dass man Paare, die ihre Kinder zuhause erziehen, finanziell unterstützen soll. Es ginge nicht darum, das Bild der glücklichen Hausfrau heraufzubeschwören, die in ihrem Fünfzigerjahrelook an ihrem nagelneuen Herd steht und ihren glücklichen Kindern (Bub, 5 J., Mädchen, 3 J.) zusieht, wie sie in ihren nagelneuen Klamotten glücklich spielen, während sie ein wohlschmeckendes und gesundes Mittagessen zubereitet.

Es ginge darum, dass jemand (!) bei den Kindern bleibt. Eine(r) von beiden (!) oder beide (!)  soll/sollen die Kinder betreuen, statt sie in die böse KiTa zu stecken. Abgesehen davon, dass ich nicht verstehe, warum KiTa böse ist und Schule gut, Eltern, die ihre Kinder auch später zuhause haben und sie unterrichten, bekommen kein Familiengeld, Erziehungsgeld, Betreuungspauschale, Herdprämie, sondern die Polizei auf den Hals, haben wir hier doch ein Problem, ein pronominales Problem, ein Pronomenproblem, wir kürzen das jetzt Propro ab.

Und „einer von beiden“ ist ein klassisches Propro.

Das einzige, was sicher ist, ist mein Ich. (Wenn ich nicht gerade bei Frisch bin und nicht weiss, ob ich Gantenbein oder Enderlin sein soll.) Schon bei „wir“ wird es schwierig. Wir brauchen… Wer ist „wir“? Wir Schweizer? Wir Deutschen? Wir Einwohner? Wir Christen? Wir Menschen?
Was heisst nun einer von…/jemand?
Das Propro steckt hier darin, dass man alle Möglichkeiten offen lässt, die de facto aber nicht offen sind.
„Jemand war eingeteilt“, schreibt mein Chef, als zu einem wichtigen Termin niemand von uns da ist, da aber wir zwei uns das Projekt  teilen, schiebt er mir das in die Schuhe, und ich lasse mir nicht gerne etwas in die Schuhe schieben, ausser vom Nikolaus, da beruht das auf gegenseitigem Einverständnis.
Propro.
„Jemand bleibt bei den Koffern, und ihr beide geht `was zum Essen holen“, sagte meine Mutter auf dem Heidelberger Bahnhof zu meinem Vater und mir. Entzückend. Trotz ihrer Schüchternheit brach ihre Berliner Schnauze doch manchmal durch.
Propro.
„Einer von uns soll auf diesem Platze bleiben“ war ein Spruch, den Grafen und Barone im Morgengrauen auf nebligen Wiesen sprachen, wenn die Kiste mit den Pistolen schon offen war. Dabei meinten sie doch sicher den anderen, denn wer erschiesst sich bei einem Duell schon selber? (Es sei denn, man ist ein verrückter Philosoph in einer Lungenklinik.)
Propro.
Wenn es nun heisst „eine/einer von beiden“ oder „beide“, muss doch gefragt werden:
Wer wird es denn sein?
Wie viele Hausmänner kennen sie?
Wie viele Männer, die 50% arbeiten?
Wie viele Männer, die Teilzeit arbeiten?
Wie viele Paare, bei denen beide zuhause sind?
 (Geht eh nur bei Berufserben, Lottogewinnern und Bankräubern, die nicht gefasst wurden.)
Lassen wir uns doch nicht täuschen: Es werden am Ende wieder die Frauen sein und wir marschieren zu Swing- und Schlagerklängen zurück an den Nierentisch.
Back to the Fifties!
Und wenn sie mir jetzt vorwerfen, ich würde polemisieren, kann ich nur sagen:
Tja, da hat heute wieder jemand richtig Dampf abgelassen.  

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