Dienstag, 12. Februar 2013

Der gute Lehrer

Der Gute Lehrer springt morgens aus seinem Bett und freut sich. Er freut sich auf die 4F, die gerade so toll die Indirekte Rede kapieren, auf die 1B, die ganz wild aufs Französischschreiben ist und auf die 3D, mit der er englische Sketsche übt. Er freut sich auf Daniel, Noa und Timmy, er freut sich auf Janine und Lea, ja sogar auf Darinn, der - vorsichtig ausgedrückt - eine etwas anstrengende Phase durchmacht. Schnell trinkt der Gute Lehrer seinen Kaffee und hüpft geschwind unter die Dusche, denn er will ja nicht zu spät kommen, ja, er kommt nie zu spät, er ist sogar 10 Minuten vor Unterrichtsbeginn im Klassenzimmer, für Fragen und Sorgen seiner Schützlinge. Der Gute Lehrer packt seine perfekten Präparationen ein und verlässt das Haus. Seine Präps sind deshalb so grandios, weil er über eine immense Allgemeinbildung verfügt und einen IQ von 180 hat. Nebenbei ist er durch zahlreiche Fortbildungen immer didaktisch up-to-date, kann mit Gruppen- und Partnerarbeiten, Werkstätten, Binnendifferenzierung, Spielelementen, IT-Einsatz jonglieren wie mit Bällen. Der Gute Lehrer hat immer Ruhe im Klassenzimmer, denn er ist streng, dabei aber fair. Die Schülerinnen und Schüler lieben ihn, denn er ist nicht nur Fachlehrer, er kann Kuchen backen und Feuer machen, Gitarre spielen und Witze erzählen. Beim Fuss-, Hand-, Basket oder Volleyball macht ihm niemand etwas vor.
Der Gute Lehrer hat nur einen Nachteil:
Es gibt ihn nicht.
Oh, bitte, glauben Sie doch keinen Zeitungsartikeln (wie vor drei Wochen in der NZZ)! Der Journalist hat EINE Stunde bei diesem tollen Pädagogen gesehen. Ich hasse solche Schreiberei, denn sie macht die Eltern hier nur neidisch: "Warum hat mein Kind nicht diesen Guten Lehrer?"
Jeder Lehrer hat seine Stärken und Schwächen, jeder hat sein Gutes und seine Macke. Warum? Weil er ein Mensch ist, und Menschen sind halt so.
Ich glaube, die Misere hat darin ihren Ursprung, dass wir von einem Lehrer immer alles wollen. Und das war früher anders.
Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, mit dem klassischen Philologen, der die gesamte Lateinische Literatur im Kopf hatte und mühelos jede Grammatikfinesse erklären konnte, dabei aber ein wenig altbacken und verschroben war, Fussball spielen zu gehen.
Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, dem Klassenlehrer, der ein Superkumpel war und uns in spannende Ausflüge und Lager begleitete, vorzuwerfen, er habe nicht alle Englischvokabeln im Kopf. Es kam - und kommt - immer auf die Zusammensetzung des Teams, auf die Kombination an.
Inzwischen ist der Gute Lehrer in der Schule angekommen und hat seinen Unterricht begonnen, während seine Klasse an einem Schreibauftrag (Limericks, macht total Spass) arbeitet, sucht er das Prüfungsheft von Mrjasch (4E), das er ihm nachher zurückgeben will. Er sucht verzweifelt, denn er hat eine Schwäche: Er ist ein Riesenschlamper.
Siehste.

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