Freitag, 12. Oktober 2012

Rezeptgläubigkeit


In Küche und Keller -  irgendwie erinnern mich solche Zeitschriftennamen immer an die Stelle in Notting Hill, in der sich Hugh Grant als Reporter von Pferd und Hund ausgibt, und Julia Roberts fragt, ob in ihrem neuen Film, der in einem U-Boot spielt, gejagt werde – fand ich ein Rezept für einen deliziösen (Grüsse an M.J.) Nuss-Mandel-Kuchen:
 
300g Mandeln (gerieben)
300g Nüsse (gerieben)
300g Mehl
100g Butter
1 Ei
4 Teelöffel Zimt
4 Teelöffel Kardamom
2 Teelöffel Curry

Ich muss gar nicht weiterlesen, das ist natürlich Schwachsinn, die Mischung ergibt niemals einen Kuchen, ich sehe das Ganze förmlich vor mir: eine streuselige, körnige Masse, die mit einem Teig nichts zu tun hat, zudem schlagen die Gewürze alles Nussige und Mandlige tot, vielleicht könnte man das Zeug als eine Art Granulat zu einer Tandoori-Speise reichen.
Wieso aber spricht eine innere Stimme zu mir, ich solle es doch ausprobieren? Zu mir, einem erfahrenen Backer, der doch weiss, dass hier ein Fehler vorliegt? Das Zauberwort heisst REZEPT. Es ist ein Rezept, sagt der kleine Mann im Ohr, Rezepte können doch nicht falsch sein.
Wir sind rezeptgläubig.
In keiner Generation waren die Buchläden so mit Ratgebern, Lebenshilfe, Psychorezepten und Partnerschaftsliteratur überschwemmt. Es gibt Rezepte für meine Spiritualität, für meine Ehe, Rezepte gegen krumme Wirbelsäulen und schiefe Zähne, Rezepte gegen Stress, Rezepte für Glück und Wohlbefinden, Rezepte gegen Mobbing, Rezepte für mehr Begabung.
Die Rezeptgläubigkeit hat sich schlimmer als SAS und Schweinegrippe verbreitet.
Machen wir die Probe und lesen zum Stichwort „Wie geht der Kopfschmerz weg“ quer:
Morgens vor dem Frühstück ein rohes Ei mit Ingwer und Schüsslersalz. – An einen Fluss oder einen See setzen und an etwas Schönes denken. – Viermal mit dem rechten Fuss das linke Nasenloch berühren. – Vor jeder Mahlzeit ein Glas Apfelstieltee (?). – Mit dem Partner bei Vollmond einen Kreistanz machen. – Amalgam raus! – Kein Fleisch mehr! – Mehr Sport! – Mehr Mozart hören!...
Abgesehen davon, dass einige Ratschläge so blöde gar nicht sind – Bewegung z.B. ist nie verkehrt – werden die Kopfschmerzen erst dann vergehen, wenn der abendliche Wodkakonsum auf eine Flasche reduziert wird.
Rennen Sie also nicht bei jedem Problemchen in die Buchhandlung, um dreizehn Ratgeber zu kaufen. Sie helfen damit nur – den Verlagen. Meistens gibt es kein Rezept, oder die Rezepte sind falsch.
Küche und Keller entschuldigt sich übrigens im aktuellen Heft für den Fehler. Das Rezept sei für ein Granulat zu einer Tandoori-Speise. Na also.

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