Freitag, 28. September 2012

Stolz, ein Deutscher zu sein?


ICH BIN STOLZ EIN DEUTSCHER ZU SEIN.
So prangt es vom Plakat der „Deutschlandpartei“(DP), in grossen Lettern diese Worte, im Hintergrund Portraits, offensichtlich eine Galerie grosser deutscher Persönlichkeiten, was auch immer man darunter verstehen mag. All das ist schrecklich genug, aber das Furchtbarste ist die Angabe des Grafikers: Paul Strecker, ein alter Freund von mir. Ich greife zum Handy und wähle seine Nummer, obwohl ich weiss, dass es erst 10 Uhr ist und ich ihn damit aus dem Schlaf reisse.
„Paul, ich stehe vor diesem Scheissplakat, machst du eigentlich für Geld alles?“ Paul gähnt zweimal heftig,  fängt dann an zu lachen und kann gar nicht mehr aufhören: „Ja, hast du dir denn die Bilder nicht angesehen? Das sind alles Leute, auf die ich und du stolz sein können. Guck’s dir mal genau an.“
Also fange ich an zu studieren und entdecke, dass Paul ein Genie ist, obwohl ich das eigentlich schon wusste. Er hat diesen Radikalos so einiges unterjubeln können, entweder, weil sie das wahre Gesicht der Personen nicht kannten oder einfach die Bilder nicht. Da sind natürlich sämtliche Philosophen versammelt, die deutsche Geistigkeit war ja wirklich immer führend, da kann man stolz sein, da sehe ich Kant und Hegel, Schopenhauer, Schelling und Fichte, und natürlich fehlt der Vornazi Nietzsche, dafür hat Paul ihnen noch Habermas, Horkheimer und sogar Adorno untergeschoben, die Urlinken und Sozialkritiker. Etliche grosse Maler, Dichter und Komponisten folgen, darunter so heikle wie Lenz, Büchner und Heine. Die Auswahl der gekrönten Häupter ist süffisant: Karl der Grosse, der ja inzwischen eher als Europäer als als Deutscher gilt, Barbarossa fehlt, dafür sein Enkel,  fast ein Orientale in seinem Denken, Friedrich der Grosse, bei dem man nach seiner Facon selig werden konnte, der ein Herz für die Juden hatte und „auch den Muslimen, wenn sie gekommen wären eine Moschee gebaut hätte.“
Ich rufe Paul noch einmal an: „Du bist super. Aber wo sind Marx, Brecht und Brandt?“ „Schlaumeier, die Bilder kennt man doch.“ „Und Ulrike, Gudrun und Andreas?“ „Hör mal, checkst du es nicht? Erstens kennt man die Fotos ja auch, die hingen in jedem Postamt, erst so und dann mit dem Filzstift durchgekreuzt, und dann ging es nicht einfach um Provokation, sondern um Leute, auf die wir stolz sein können. Und das kann ich auf die Stammheimer beim besten Willen nicht sein.“ „Und wenn die DP dahinter kommt?“ Paul lacht wieder sein unnachahmliches Lachen: „Dann zahle ich mein Honorar zurück und gehe aber zur Presse. Die blamieren sich doch bis auf die Knochen, wenn herauskommt, was man ihnen unterjubeln kann, einfach weil sie keine Ahnung haben.“  






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