Montag, 17. September 2012

Ukraine 1


Ich hätte letzte Woche doch posten können, es gibt in der Ukraine Strom, es gibt sogar Internet – und Handys. Daher jetzt ein paar Eindrücke.

Die Ukraine ist ein strenges Land. Der Reisende merkt das sofort, wenn er das Flugzeug der Ukrainian Airlines betritt. Kein Lächeln, ein dezidiertes Kopfnicken, später laufen die Saftschubsen herum und rügen: „Fasten seatbelt!!“ „Chair position!!“, scheinbar war das Luftpersonal früher in Gefängnissen angestellt. Um in eine Kneipe zu kommen, muss man am Eingang die Parole wissen, der Türsteher zeigt mit seinem  MG auf einen und erwartet die Parole. „Slawa Ukraijne“ (Heil der Ukraine), wenn man das sagt wird man nicht erschossen, sondern bekommt „Heroem slawa“ (Heil den Helden) zur Antwort und ein Glas Schnaps. Das ist übrigens nicht in jeder Beiz so, aber die Kneipe gibt es, in Lemberg und in einem alten Partisanenkeller.
Übel ist es, wenn man wie ich ständig gegen Spielregeln verstösst, die man nicht kennt oder nicht begriffen hat. Ohne unsere beiden Dolmetscherinnen, Dascha und Alona, wäre ich völlig aufgeschmissen gewesen. Zum Beispiel, dass man in einer Musikakademie anständig herumläuft. In Flipflops, Badeshorts und Tanktop zur Geigenstunde? In Basel bei 34° sehr angenehm, in Kiew undenkbar. So wurde ich,  nachdem ich im Pulk der Kinder nicht aufgefallen war, vom Pförtner später nach einer Zigarettenpause nicht mehr hereingelassen. Ich solle eine lange Hose anziehen, die befand sich aber im Gebäude (Catch 22). Alona und Dascha kostete es einige Mühe, mich wieder in das Nationalkonservatorium hineinzubekommen. Apropos Zigarettenpause, in Ostroh eckte ich auch an, weil ich nicht bemerkt hatte, dass auf dem ganzen(!) Campus Qualmverbot herrscht. Es gibt vor der von einem Soldaten bewachten Pforte eine Raucherecke, und da haben sie Lungenkrebsbilder aufgehängt.
Ganz schlimm ist es, wenn man Pianist ist und Neue Musik spielt. Für die MOSAIKEN von Valentino Ragni müssen die Dämpfer mit Klebern bestückt werden, weil man die Saiten zupft und sonst nicht die richtige findet. Alona kostete es eine halbe Stunde Diskussion, bis der Saaldiener in Lviv mir das erlaubte, er war offensichtlich ein geistiger Bruder der Haftanstaltstewardessen und des Militärknepiers. Er blieb danach noch eine Weile während meines Einspielens mit gezückter Pistole sitzen und hätte mich sofort erschossen, wenn ich am Flügel etwas kaputt gemacht hätte.
Erholung nach den Konzerten? Am Abend? Weit gefehlt, der Chor, bei dem wir zu Gast waren,  hatte einen strikten Bespasser organisiert, der schon 35 Sekunden nach der Ankunft mit seinem „Was wollt ihr heute Abend machen?“ „Was wollt ihr morgen machen?“ nervte. Wer sich nicht entscheiden konnte,  wurde mit vierzig Anrufen und fünfzig SMS bestraft. Ich konnte mich einmal nur noch ins Hotel retten und den Portier überzeugen, Andruschki keine Besucherkarte (!) auszustellen. Strenge hat doch manchmal etwas Positives.
Am Freitag kommen dann die lieblichen, leckeren, angenehmen und schönen Seiten dieses faszinierenden Landes. 

 

 

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