Montag, 18. Juni 2012

Picknick

Ich habe heute in einer Wurfzeitung einen Bericht über Picknick gelesen, gespickt mit Empfehlungen für ein gelungenes Essen im Freien. Da war zunächst der Koffer, handgekorbt und reich bestückt für 499.- (ein Muss!), dann die Decke mit Motiven von Chagall für 299.- (auch ein Muss!), schliesslich Kleinigkeiten wie eine mundgeblasene Cake-Box, ein Weinkühler, ein Designhocker, Servietten im Provence-Look und ein tragbares Gewürzkästchen. (Muss! Muss! Muss!) Ich hätte mir auch alles sofort gekauft - man gönnt sich ja sonst nichts - wäre mir nicht das Folgende in den Sinn gekommen: Hat Picknick nicht auch irgendwas mit Essen zu tun? Müssten nicht in einem solchen Artikel Tipps für den Gourmeteinkauf stehen? Es wäre doch viel spannender, zu wissen, wo es in Basel die besten eingelegten Tomaten, die frischesten Brötchen, den würzigsten Käse und die deliziöseste Wurst gibt. Was nützt einem der Vitra-Tisch, wenn Dennerschinken darauf liegt? Was nützt einem der handgetöpferte Teller, wenn er mit nichtssagendem Gemüse belegt wird?
Freunde von mir berichteten von einem Picknick in Paris und zeigten mir Fotos: Vor der Kulisse des Chateau de Vincennes war ein Baumstamm reich gedeckt. Zwar Pappteller und keine Stühle, dafür eine Quiche, eine Terinne, Hähnchen, Wurst und Käse, die alle im *****-Bereich lagen. Das hat doch viel mehr mit Essen zu tun.
Aber wir leben in einer Welt des Scheins. Die Leute können ja sehen, wie meine Decke aussieht, aber nicht genau, was darauf liegt. Die Menschen nehmen die Swarowskigläser wahr, aber nicht, ob ein Fusel oder eine Chateau Brisante darin funkelt. Wir präsentieren den grössten Schwachsinn in absolut perfekten Powerpoints, wir glauben einem Politiker alles, weil seine Krawatte modisch sitzt, wir füllen alte Waren in neue Schläuche, wir renovieren aussen und lassen innen verfallen.
Neuerdings wird sogar bei Fussballern auf die Frisur geachtet: Da hatte doch tatsächlich einer sich in der Spielpause die Haare gerichtet!
Dabei würde es doch darauf ankommen, die Qualität im Inhalt und nicht in der Verpackung zu suchen.
Also, wenn Sie mal wieder ein Picknick machen: Ihr alter Weidenkorb tut es völlig, Ihre IKEA-Gläser auch, aber wenn auf der ALDI-Decke eben dann Pfefferkäse aus der Bretagne, echte Mozarella aus dem Mezzogiorno, ein originales Brot aus Andorra und dazu ein trockener, vollmundiger Rotwein von der Rhone steht, dann haben Sie gewonnen.

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