Freitag, 22. Juni 2012

Erlöser Ronaldo


„Christiano Ronaldo erlöste Portugal“, so prangt mir die Schlagzeile von 20min heute Morgen entgegen. Gut, Fussball ist eine wichtige Sache, aber ist da nicht ein etwas starkes Verb gewählt? Ist „Erlösung“ nicht eine Vokabel, die eigentlich auf den religiösen, den spirituellen Bereich anspielt? Fehlt Ronaldo nicht noch eine Kleinigkeit zum Messias? Da kommt mir einer meiner Lieblingswitze in den Sinn:
Mutter und Sohn sitzen in einem Café am Place de la Concorde.
Sohn: „Monsieur Le President hat Frankreich gerettet?“
Mutter: „Ja, mein Kind.“
Sohn: „Monsieur Le President hat Frankreich gerettet?“
Mutter: „Ja, mein Kind.“
Sohn: „Gerettet wie die Jean d’arc?“
Mutter: „Ja, mein Kind.“
Sohn: „Warum verbrennen sie ihn dann nicht?“
Zum wahrhaften Heiligen gehören also Aufstieg, Vernichtung und Rehabilitation. Gut, gehen wir daran Ronaldo systematisch zu vernichten. Behaupten wir  etwas Fieses, Gemeines, Wüstes über ihn. Geht nicht? Ich habe in den letzten Monaten den Kurs „Mobbing für Anfänger“ belegt, und einer der Grundsätze lautete: Es bleibt immer etwas hängen, wo Rauch sei, sagt der Volksmund, sei ja auch Feuer, also viel schwarzen Qualm aufsteigen lassen, den Brand braucht man dann nicht nachzuweisen. BILD funktioniert seit Jahren so.
Was dichten wir uns unserem Kicker nun an? Nein, Doping ist wirklich zu abgedroschen, abgesehen davon sind Fussballer selten gedopt, weil man sie bei einer Erschöpfung ja kurz auswechseln kann. Nein, Sex mit einer Minderjährigen würde einem so sportlichen, hübschen, knackigen und potenten jungen Mann als eine lässliche, verstehbare Sünde aufgefasst werden. Behaupten wir doch das Schlimmste, was man einem Kicker andichten kann, den SuperGAU für jeden Ballsportler, die Katastrophe in jeder Liga: Ronaldo ist schwul. Als Beweis sagen ein paar gekaufte Masseure und Balljungen aus, Fotoshop tut das Übrige, Bilder, auf denen sich Christiano sein Shirt abzieht, hat es ja genug. Für absolute Sportmuffel: Trikottausch – ein Ritual des Profifussball.
In ein paar Jahren können wir dann alles aufdecken und Ronaldo rehabilitieren.
Wie gesagt, es geht uns nicht darum, den guten Mann kaputt zu machen. Er soll die Laufbahn des Heiligen einschlagen, um das zu werden, was er angeblich heute schon ist: Der Erlöser.


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