Am Dienstag werden sich viele
gewundert haben, denn ich habe ja sonst immer vom Rhein-Main-Gebiet geschwärmt.
Ich brauchte einfach die Verbindung von Kleist, Zusammenbruch und Frankfurter
Bahnhof. Also gut, muss ich ein bisschen differenzieren:
Ich mag Mainz, da war ich sogar
schon öfters in Ferien, ich mag Wiesbaden, ich liebe den Waldsee bei
Rüsselsheim über alle Massen und ich liebe den Rheingau. Nachdem ich nun durch
die Weinberge hin und her gewandert war, mir Östrich und Winkel und Eltville
angeschaut hatte, alles ganz liebliche Städtlein, musste ich mir vor ein paar
Jahren nun doch die Stadt ansehen, die für Touristen in aller Welt als der
Innbegriff des Rheinufers gilt: Rüdesheim. Ich nahm allen meinen Mut zusammen,
stellte mir ein grauenhaftes Szenario vor, verdreifachte meine
Schreckensvorstellung und ging mit diesem Präjudiz hin. Es haute mich um: Diese
Stadt war noch viermal so schlimm wie das Dreifache meiner Horrorvorstellung. Die
an sich schönen Fachwerkhäuser waren so touristisiert, so dermassen mit
Plastikweinreben, falschen Fässern und widerlichen Flaggen verunstaltet, die
Luft so voll deutschen Liedgutes, die Speisekarten strotzten so sehr von
Würstl, Kraut, Speck und Käsebrot, dass ich meinen Ärger nicht einmal mit einem
wunderbaren Weissherbst sedieren konnte, ich hätte den Rheinwein sofort ausgekotzt. Die Gassen waren
gestopft voll mit Japanern, die ein Foto nach dem anderen machten und
Amerikanern, die permanent nach dem Grossen Fass und nach Goethe fragten, denn
aus transantlantischem Blickwinkel schrumpft Deutschland ja zu einer
Miniaturstadt zusammen.
Rüdesheim teilt sein Schicksal mit
allen Gemeinden, die für irgendjemand den
„typisch …………Ort“ darstellen, deshalb mag ich auch Zermatt nicht und
deshalb mag ich Den Haag, eben weil Den Haag nicht so schrecklich „Holland wie
aus dem Bilderbuch“ darstellt.
Mein Leidensweg in Rüdesheim ging übrigens
noch weiter: Nach dem ich einer
Cafébesitzerin verzweifelt klarzumachen versucht hatte, dass ein Capuccino kein
Kaffee mit Schlagsahne ist – ja es gibt sie noch die Lokale, die die Kunst des
Milchschäumens nicht erlernt haben, es sind 10 in Deutschland, davon 8 in
Rüdesheim, eines bei Neuschwanstein und eines in Jüterbog – fuhr ich mit dem
Sessellift zum Germaniadenkmal hoch.
Hier war es nun auf andere Art grauenhaft, einigen betrunkenen Landsleuten
kochte bei so viel Germanentum die deutsche Seele über und sie sangen die
Nationalhymne mit allen drei Strophen. Ich haute sofort in die – wirklich herrlichen – Weinberge ab.
Alles ist übrigens diesmal nicht
erfunden, erfunden ist nur der Schluss:
Am nächsten Morgen war meine arme
Seele noch immer so verwirrt, dass ich nach Winkel fuhr und mir im Morgengrauen
auf den nebelbeschwadeten Rheinwiesen a la Günderrode einen Dolch ins Herz zu
rammen versuchte, wovon mich ein paar Jogger gerade noch abhalten konnten.
Also: Fahren Sie nach Mainz und
Wiesbaden, beides lohnt auf seine Weise, fahren Sie unbedingt in den Rheingau,
besuchen Sie die herrlichen alten Städtchen, besichtigten Sie auf jeden Fall
das Brentanohaus in Winkel und – Geheimtipp – probieren und kaufen Sie im
Weingut Blümlein Frühburgunder, nein ich bekomme keine Prozente.
Aber machen Sie einen weiten,
weiten, riesigen Bogen um Rüdesheim. Es lohnt sich.
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