Montag, 21. Mai 2012

Kleist, die DB und das Rhein-Main-Gebiet

Kleist hatte im Rhein-Main-Gebiet einen Nervenzusammenbruch bekommen, dachte ich, während ich mein Gepäck durch den Frankfurter Hauptbahnhof wuchtete, Kleist hatte von Frankreich kommend einen Zusammenbruch erlitten, nicht hier in Frankfurt, sondern in Mainz, wo ihn ein Arzt namens Wedekind aufpäppelte, dachte ich, und zwar nicht, wie man immer behauptet, weil er es gerade bis Mainz geschafft hat, sondern weil man hier einfach einen Zusammenbruch bekommen muss. Das Rhein-Main-Gebiet ist wie geschaffen für Zusammenbrüche, dachte ich, während ich mein Gepäck von Gleis 3 zu Gleis 19 schleppte, es ist ein Zusammenbruchsgebiet und der Frankfurter Hauptbahnhof ist ein Zusammenbruchsbahnhof. Meine Reiseverbindungen hatten das Gleis 3 als Gleis der Anschlussverbindung angegeben, ebenso die Abfahrtstafel, am Gleis aber war kein Zug angezeigt. Der Lautsprecher wartete nun bis 5 Minuten vor Abfahrt des Zuges, um zu verkünden, der Zuge fahre auf Gleis 19. Ich wuchtete also meine Reisetasche und meinen Rucksack hoch und hechelte auf Gleis 19. Der Frankfurter Hauptbahnhof ist ein  Zusammenbruchsbahnhof, dachte ich, ein nicht so durchtrainierter Mensch wie ich wäre längst zusammengeklappt, überhaupt steht ja die Bundesbahn auch kurz vor dem Zusammenbruch, sie ist eine Zusammenbruchsbahn schlechthin, entweder die Züge fahren gar nicht, oder Stunden zu spät, hat man reserviert, gibt es den Platz nicht, hat man nicht reserviert, kommt man kaum in den Wagen.
Kleist hätte das nicht geschafft, er hatte ja eine Lebensschwäche, dachte ich, und diese Lebensschwäche hat ihn eben in den Kollaps getrieben, und zwar nicht in Paris, sondern eben hier, in diesem Kollapsgebiet, man gehe nur einmal nach Rüdesheim, dieses deutsche Disneyland, oder in die Frankfurter Innenstadt, ja Rüdesheim und Frankfurt sind zwei Seiten einer Medaille, dachte ich, während ich Gleis 19 fast erreicht hatte, in Frankfurt scheffelt die Menschheit das Geld um es in Rüdesheim zu verpulvern, in Frankfurt zeigt sich der Deutsche von seiner Gierseite, in Rüdesheim von seiner Kitschseite. Der Deutsche braucht das Geld so sehr wie den Kitsch, dachte ich, der Deutsche ist ein Geldmensch und ein Kitschmensch, und so musste Kleist eben hier zusammenklappen, eben weil er kein Kitschmensch und kein Geldmensch war. Kleist brach hier zusammen, in diesem Zusammenbruchsgebiet, dachte ich, eben weil er Gier und Kitsch verachtete. Vielleicht hat er aber auch die DB vorhergesehen, dachte ich, nun auf Gleis 19, Kleist hat ja immer in grösstmöglichen Katastrophen gedacht, und wenn man die grösstmöglichen Katastrophen wie Vergewaltigung und Erdbeben sieht, dann kann man ja auch eine grösstmögliche Katastrophe wie die DB vorhersehen. Kleist hätte es nicht auf Gleis 19 geschafft in diesem Zusammenbruchsbahnhof, dachte ich, während der Zug nun abfuhr.
Tatsächlich hat es der Zug bis Utrecht geschafft.
Die Fahrt war entsetzlich.

in Memoriam Th.B.

1 Kommentar:

  1. wie treffend erlebt, diese zusammenbruchsregion. da kann man nur wegfahren, weglaufen, wegreiten, wegradeln...wegskaten...wegfliegen ist schwierig. der rhein-main-flughafen ist eine hochpotenzzusammenbruchsregion....

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