Donnerstag, 19. Januar 2012

Standardkäse

Ich habe letztes Wochenende seit einiger zeit einmal wieder in einem Hotel übernachtet. (In Tübingen, ja, Sie passen gut auf, das ist gut.) Es war ein schlichtes, aber gemütliches Etablissement, das Foyer noch im Stil der sechziger Jahre, aber die Zimmer hübsch renoviert, das Bad nagelneu. Ich habe wunderbar geschlafen und am Morgen ein üppiges Frühstücksbuffet vorgefunden, mit Müesli, Kuchen, Eiern und – und das ist der einzige Wermutstropfen - dem üblichen Käse. Warum gibt es auf der ganzen Welt in Hotels den gleichen Käse? Sie kennen ihn sicher, den Standardkäse, den Hotelstandardkäse: Er ist quadratisch, schnittfest, gelb und schmeckt so nichtssagend, dass man beim letzten Bissen schon wieder vergisst, was man im Mund hat. Er schmeckt nicht eklig, nein, er hat einfach keinen identifizierbaren Geschmack. Wahrscheinlich hat irgendein Marktforschungsinstitut einst Daten gesammelt und aus der Schnittmenge ein Produkt kreiert, das garantiert allen mundet. Und eben durch dieses „allen Leuten recht getan“ ist dieses Milchetwas eben völlig, aber völlig nichtssagend. Stellen Sie sich einen Roman, ein Drama, ein Musikstück, einen Film vor, der nach dieser Methode gemacht wird! Das Standardgeschmackkunstwerk, das dem Standardgeschmack der Leute gerecht wird. In einem solchen Film würden Dialoge wie „Hast du ausgeschlafen?“ „Ja, ich bin sehr erholt“ vor einer Kulisse wie „Seenlandschaft mit Bäumen“ geführt, dazu leichte Unterhaltungsmusik (z.B. Elisabeth-Serenade). Grauenhaft! Warum wagt man nicht einmal etwas anzubieten, was ein Drittel Ok findet, ein Drittel grauenhaft, ein Drittel aber völlig begeistert? Ich liebe Kunst, die die Menschen spaltet. Bieto halten die einen für einen Schmierlappen, die einen für ein Genie, man ist entweder Wagnerianer oder Antiwagnerianer, und damit gut. Harald Schmidt ist für die einen ein Idiot, für andere ein zweiter Karl Valentin, die Liste liesse sich fortsetzen.
Ich habe übrigens dann ein Stück Käse in mein CD-Laufwerk eingelegt.
Mein Laufwerk mochte den Käse definitiv nicht. Davon am Dienstag.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen