Freitag, 1. März 2024

Eigenlob stinkt nicht


Man sagt mir, der letzte Post sei Eigenlob gewesen.
Und Eigenlob stinke.
Ich habe das Wort «Eigenlob» noch nie in einem Post verwendet, also wird es nach über 1100 Texten doch mal Zeit, über dieses Phänomen zu schreiben.

«Guck mal», sagt Carla zu ihrem Götti, «guck mal, dieses Bild habe ich in der Schule gemalt und das ist richtig schön, endlich habe ich mal die Sonne so schön gelb hingekriegt und die Bäume so schön grün.» «Eigenlob stinkt», sagt der Götti mit einem ganz, ganz, ganz strengen Blick.
«Gestern mussten wir vorsingen», sagt Marco zu seiner Gotte, «und ich habe so schön gesungen, der Vers war noch ein wenig wacklig, aber der Refrain war aller erste Sahne.» «Eigenlob stinkt», meint die Gotte mit einem bösen Grinsen.

Warum trichtern wir den Kindern ein, dass man niemals sagen darf, eine Sache sei einem gut gelungen, auf das oder jenes sei man stolz, diese oder jene Kiste sei jetzt richtig gut? Wir heissen die Youngsters immer noch wie vor 100 Jahren in tiefer Demut auf dem Boden herumrutschen. Völlig unnötig, zumal ja Carla durchaus kritisch ist, sie sagt ja nicht, dass sie immer male wie Rembrandt oder Monet, sondern, dass sie «endlich mal» die Sonne hinbekommen habe; und Marco lobt den Refrain, meint aber, der Vers sei «noch wacklig» gewesen.
Warum also nicht klar sagen: Wenn du auf etwas stolz bist, dann darfst du es auch äussern?

Ja, und dann…
Dann…
Dann…
Dann kommen die Herrschaften zu mir in die Berufskunde und müssen genau das lernen. Ja, sie bekommen bei mir die Portion Eigenlob eingetrichtert, die sie vorher verloren haben.
Denn was ist eine Bewerbung anderes als ein permanentes Eigenlob?
Würden Sie jemand eine Lehrstelle geben, der Ihnen das folgende Schreiben vorlegt:

Guten Tag,
obwohl ich weiss, dass Sie 1000 andere und bessere Bewerber haben, möchte ich mich auf die Lehrstelle als Florist EZF bewerben. Mein Name ist Tim Schubert und ich gehe in die 9. Klasse. Alle meine Noten sind durchschnittlich – so wie ich. Ich bin nicht unzuverlässig, kann aber schon mal auch Sachen verschusseln. Ich habe nicht zwei linke Hände, bin aber nicht unbedingt total praktisch. Hobbys habe ich keine, ich mache zwar viele Dinge gerne, es fehlt mir einfach die Ausdauer, um zum Beispiel eine Sportart im Verein zu machen oder mich sonstwie zu engagieren…

Niemand will so jemand. Nein, im Gegenteil, in einem Bewerbungsschreiben muss man sich selber loben. Man muss sagen, dass man pünktlich, zuverlässig, sauber usw., usw. ist. Auch wenn es nur zur Hälfte stimmt. «Heisst Bewerben denn Lügen?» werde ich immer wieder gefragt – und ich kann es nicht ganz verneinen…

Aber noch mal an den Anfang:
Eigenlob stinkt nicht.
Wenn man etwas gut hinbekommen hat, wenn man eine Leistung erbracht hat, wenn man erfolgreich war, dann darf man stolz sein – und darf das auch sagen.
Wenn nicht, dann soll man schweigen. So einfach ist das.

Das genaue Gegenteil von Carla und Marco ist ja jeder Politiker und jede Politikerin. Wenn solch ein Mensch vor die Medien tritt, dann wird er ja immer Erfolge und Siege verkünden, was soll er auch anderes tun. Er wird sich und seine Arbeit loben – auch wenn es wenig zu loben gibt. Oder haben Sie so etwas schon einmal gehört:

Ich habe Ihnen letztes Jahr Wohnungen und Kita-Plätze versprochen. Ja, und mehr Handynetz. Ach ja, und auch einen Ausbau des ÖV. Und das ganze ohne Steuererhöhung. Und nun muss ich Ihnen sagen, dass nichts von alledem passiert ist: Keine Wohnungen. Keine Kita-Plätze. Kein Netz. Kein ÖV. Denn ich habe herausgefunden, dass solche Dinge Geld kosten. Und deshalb habe ich die Steuern erhöht. Um 35%. Jetzt gucken Sie.

Nein, das wird niemand so sagen. Nein, man wird jeden kleinen Erfolg herausheben. (3 statt 3000 Wohnungen wurden ja doch gebaut und 2 statt 200 Kita-Plätze gab es ja auch, und die Netzdeckung ging von 0,8% auf 1,3% und EINEN E-Bus (20 Plätze) hat man ja auch gekauft.) und die Misserfolge wird man verschweigen.

Die Wahrheit liegt also – wie immer – in der Mitte:
Erlogenes Eigenlob stinkt echt.
Ehrliches Eigenlob stinkt nicht.

Ich habe das Wort «Eigenlob» noch nie in einem Post verwendet, also wurde es nach über 1100 Texten doch mal Zeit, über dieses Phänomen zu schreiben.
Was ich hiermit getan habe.

 

      

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