Freitag, 15. März 2024

Swifties

Liebe Leserinnen und Leser

wissen Sie, was «Swifties» sind?
(Kleine Randbemerkung: Mein Korrekturprogramm weiss es auch nicht, ist nicht up to date, es macht mir die rote Linie und bietet mir «Sixties» oder «Stiftes» an.)

«Swifties» sind die Fans von Taylor Swift.
Sie lieben Taylor mehr als ihre Familie und ihre besten Freunde, sie haben alle Songs von ihr im Kopf, sie folgen ihr auf allen Kanälen, und sie sagen, Taylor sei für sie «wie eine gute Freundin, eine Schwester».
Und sie reihen sich in ihrem Fanatismus, ihrer Sturheit, ihrer Gutgläubigkeit, ihrer Sehnsucht und ihrem Gemeinschaftsstreben in eine lange Reihe der Fankultur ein. Von der «Beatlemania» über die «Belieber» (Justin Bieber-Fans) geht eine ewige und traurige Strecke bis zu den Swifties. Aber nicht nur die Popmusik lebt ja von der Fankultur; auch im Sport haben wir ähnliche Phänomene, und ebenfalls ein Nurejew hatte eine wilde und brausende Gemeinde von Anhängern: Beim Applaus wurden ihm nicht nur Blumen, sondern auch Briefchen, Unterwäsche und Hotelzimmerschlüssel auf die Bühne geworfen.

Mir ist das Fan-Gehabe fremd.

Jetzt tu doch nicht so, höre ich einige sagen, du bist ja auch Wagnerianer. Und dem muss ich nun ganz, ganz, ganz, ganz deutlich widersprechen.
Ich mag Wagner-Opern und brauche jedes Jahr meinen «Ring des Nibelungen», aber ein Wagnerianer ist etwas anderes. Ich habe mich bei meinem letzten Tribschen-Besuch extrem aufgeregt, dass in der einen Vitrine sämtliche Wagner-Schriften unkommentiert aufgereiht sind – inklusive der Text «Das Judenthum in der Musik». Ein echter Wagnerianer hätte meine Aufregung nicht verstanden, er hält jeden Ton des Meisters für einen göttlichen Ton und jedes Wort des Meisters für ein göttliches Wort. Für einen Wagnerianer soll Tribschen eben auch kein Ort der kritischen Aufarbeitung sein, sondern ein Wallfahrtsort. Ich kenne – das ist jetzt wirklich wahr – Menschen, die, wenn sie im Boot auf dem Vierwaldstätter See an Tribschen vorbeifahren, im Schiff aufstehen, in allem Ernst.
Warum ich dann das Buch «Wagners Musikdramen» auf einem kleinen schwarzen Tischlein speziell drapiert präsentiere? Weil dieses Buch über 100 Jahre alt ist, weil es eine Widmung meiner Grossmutter an meinen Grossvater enthält, die einzige schriftliche Erinnerung, die ich habe, und weil das Buch mich ein Schweinegeld fürs Neubinden gekostet hat, darum steht es nicht im Bücherschrank, sondern liegt da.
Nein.
Ich bin Ring-Fan und Ring-Hörer und reihe mich ein in die grosse Truppe der Ring-Touristen.
Wagnerianer bin ich nicht.

Aber wir waren bei den «Swifties».
Der Hype um diese Frau hat Züge angenommen, die ein normaler Mensch nicht mehr versteht. Sie ist ja klare Demokratin, und so hat Trump Angst, dass sie massiv in den Wahlkampf eingreifen wird, aber beide, Trump UND Biden, sie haben Angst, dass die Songwriterin irgendwann auf die Idee kommt, sie könnte ja auch selber kandidieren. Dann wäre nämlich aus mit den Herren, dann hiesse der nächste, der 47. Präsident der USA Taylor Swift.
Und dass sie keine Ahnung vom wirklichen Regieren hat, was soll es, wir haben so viele Schauspieler im Politikgewerbe (von Reagan bis Selenskyj), dass es auf einen Sänger oder eine Sängerin auch nicht ankommt; Karel Gott wäre übrigens mit über 70% zum Staatspräsidenten von Tschechien gewählt worden – er hat nur nicht kandidiert.

Aber vielleicht bin ich auch nur neidisch.
Ja.
Ja, wahrscheinlich.
Wahrscheinlich stimmt das.
Ich hätte gerne auch eine solche Fangemeinde. Und ich werde sie auch bald gründen. Ich benötige – und hier wird es schwierig – nur noch einen guten Namen.
«Rolfies», einerseits klingt das zu sehr nach «Rolfing», was eine Behandlungsmethode ist, die man mit «therapeutisches Foltern» übersetzen könnte, andererseits ist «Rolfi» ja ein Spitzname, den niemand auf der ganzen Welt zu mir sagen dürfte.
«Herties», das klingt jetzt wieder sehr nach einem ehemaligen Kaufhaus, zumindest für Boomer, die ja auch die Möglichkeit haben sollten, bei mir mitzumachen.
Sollen wir vielleicht «Tuesdayies», «Frydayies» oder «Glossies» anstreben? Alles das ist irgendwie doof; aber klar ist, dass ich eine Fangruppe brauche…

Es ist also der Neid, der mich treibt. Lassen wir also die Swifties Swifties sein, sollen sie jubeln, sollen sie feiern, und wenn Taylor beschliesst, dass sie selbst Präsidentin der USA werden will, dann hat sie schon mal einen klaren Vorteil:
Sie braucht, wenn sie ein Statement abgeben will, tänzerische und geschmeidige 10 Sekunden vom Sitz zum Rednerpult – und nicht 10 Minuten wie unsere beiden (!) Altersheimbewohner.





 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

    

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