Freitag, 11. September 2020

Meine (neuesten) schönsten Versprecher

Ich habe einen solchen Post schon einmal, im Jahre 2014, veröffentlicht. Damals stellte ich meinen Verlesern folgendes Vorwort voran:

Ich erhebe Legasthenie zur Kunstform schreibt Sten Nadolny in seinem Erstling Netzkarte.
Immer wieder verliest er sich dort auf höchst amüsante Weise, allerdings ist das alles Fiktion
Axel Hacke hat in seiner Trilogie des Weissen Neger Wumbaba Verhörer gesammelt, und zwar wirklich passierte. (Der Titel kommt von einem falsch gehörten Weissen Nebel wunderbar aus Der Mond ist aufgegangen)
Auch ich verhöre und verlese mich ständig und zwar nicht nur auf Reisen (ich bin wieder einmal, passend zu Nadolny mit einer Netzkarte durch die BuRePu unterwegs), sondern auch im Alltag.

Ich bin jetzt, im Jahre 2020, übrigens nicht in der BuRePu unterwegs, sondern daheim, aber nichtsdestotrotz möchte ich meine schönsten Verleser der letzten Zeit vorstellen:

MÜNSTERBRAUHÜTTE
lese ich an einer Tür des Basler Münsters. Im oder am Münster wird Bier gebraut? Das ist schön, das ist allerliebst. Einerseits reiht sich das Münsterbier in eine wunderbare Serie von Gerstensaft, der in Basler Privatbrauereien gemacht wird, andererseits in eine lange Tradition, da im Mittelalter ja das Bier in Klöstern gebraut wurde und den Bauern im Tausch gegen Feldernte angeboten wurde, man denke nur an das Alpirsbacher Klosterbräu und die (Sauf-)Pilgerfahrten ins Kloster Andechs. Jetzt gibt es also auch ein evangelisches, ein reformiertes, ein oekolampadisches Bier, das ist nur folgenderichtig. Ich gehe hinüber ins Restaurant Zum Isaak und bestelle ein Basler Münsterbier. Der Kellner sieht mich mit froschgrossen Augen an und muss zugeben, dass er ein solches Bier nicht kenne. Als ich ihn versuche aufzuklären, und versuche, ihm zu sagen, was da schräg gegenüber stattfinde, bekommt er einen Lachkrampf, ja er muss so sehr lachen, dass ihm die Tränen über die Wangen laufen und er sich eine Weile auch auf dem Boden wälzt. Nur stammelnd, zwischen Lachsalven hervorgezwängt, bringt er das eigentliche Wort über die Lippen:
MÜNSTERBAUHÜTTE

HANDYTAUCHAKTION
lese ich an der Reklametafel eines Moonshine®-Ladens. ich bin mir nicht ganz sicher, was das bedeuten soll.
Einerseits könnte es bedeuten, dass man jetzt endlich vollständig wasserdichte Handys erfunden hat und diese vollständig wasserdichten Handys jetzt in einer Tauchaktion getestet werden sollen. Aber will ich das? Man wird ja jetzt schon ständig mit SMS, WhatsApp oder Mail zugemüllt und zugetextet, ich bin eigentlich ganz froh, dass die Zeit im Schwimmbecken, in der ich meine 20 Bahnen (oder bei 50m-Becken 10 Bahnen) ziehe, eine Zeit ohne SMS, WhatsApp oder Mail ist. Ich möchte mein Handy auch nicht in die Dusche mitnehmen, ich möchte unter dem Wasserstrahl nicht texten, sondern…nein, nicht was Sie denken, auch nicht singen, sondern einfach unter dem Wasserstrahl stehen.
Andererseits könnte «tauchen» auch mit «surfen» zusammenhängen. Wenn man aber im Internet surft, wo taucht man dann? Im Darknet? Das wäre natürlich schön, wenn Mobilfunkfirmen wir Moonshine® einem den korrekten Umgang mit den düsteren Regionen des Netzes beibringen würde, aber kann sich ein solcher Konzern wirklich eine Liaison mit der Illegalität leisten?
Aber natürlich heisst es:
HANDYTAUSCHAKTION

KUHTÜRME DER RHEINISCHEN CHEMIEWERKE
lese ich im neuen Erzählband von Bernhard Schlink (übrigens sehr lesenswert!). Auch hier wird mein Hirn von Fragen förmlich bombardiert: Warum müssen Kühe in einer Firma gehalten werden? Und warum in einem Turm – war das (es geht um die 50er Jahre) überhaupt artgerecht? Und was wollte man mit den Kühen? Gewiss, Kühe produzieren, sie produzieren Milch und Dung. Aber was wird aus Milch und Dung gemacht? Von einer Chemiefirma? Kann man aus Milch und Dung Dünger machen? Aber Dung ist eh Dünger, das zeigt schon die Etymologie. Oder chemische Kampfstoffe? Ginge das auch in anderen Ländern? Haben deshalb die Japaner keine Kühe (die Kobe-Rinder gibt es nur auf der Nordinsel…)? Weil sie nicht in die Versuchung geraten wollen, doch Waffen herzustellen…?
Aber ein weiterer Blick in Abschiedsfarben, so heisst der neue Schlink, belehrt mich. Es steht dort:
KÜHLTÜRME DER RHEINISCHEN CHEMIEWERKE

SANITÄRTRENDWENDE
So steht es auf der WC-Wand im Gartenbad. Unter dem Firmenlogo der Firma Arschbedert. Trendwende? Also, ich bin da nicht begeistert. Ich finde die heutige westliche Kombi von Duschkabine, Badewanne und Wasserklosett eigentlich ziemlich gut. So sehr ich in vielen Punkten Nostalgiker bin, so wenig möchte ich in die Zeit der Plumpsklos zurück. Ich möchte auch keine japanischen Toiletten, wo neben der viel zu kleinen Klobrille eine Schalttafel ist, mit der man auch ein Raumschiff steuern könnte (siehe Post Willkommen im KAYTAYAHAYA - Japanische Hotelkultur vom 20. Juli 2018). Ich möchte ebenso keine bulgarischen Verhältnisse, wo es keinen Duschvorhang gibt und die ganze Nasszelle nach einer Dusche ihrem Namen alle Ehre macht, praktisch zum Putzen, sehr ungeschickt, wenn man eine Zeitung mit auf dem Klo hatte.
Aber natürlich macht Arschbedert
SANITÄRTRENNWÄNDE 

P.S. Der Name der Firma ist ein Anagramm des echten Unternehmens


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