Hilfe! Ich bin pleite.
Ich bin bankrott, abgebrannt, ich bin
verarmt. Meine Kassen und meine Beutel, meine Schatullen und meine Konten sind
leer, so leer wie der Weltraum und das All, so leer wie der Kopf von Trump und
so leer wie die Konzertsäle und Stadien in Zeiten des Virus. Alle Kohle ist
weg, alles Geld, alle Penunze, ich habe keine Knete mehr und keine Mäuse.
Und warum?
Nicht weil ich Selbstständiger bin, der
gerade nichts verdient, nicht weil ich ein KMU bin oder ein Freelancer, ich
habe keine Coiffure und kein Café, ich habe kein Restaurant und keine
Galerie, nein, meine Arbeitgeber zahlen weiter, und meine Konten haben sich am
1.4.2020 wieder gefüllt.
Warum also?
Nein, ich habe auch nicht in Aktien
gesetzt und alles in Firmenanteilscheinen angelegt und bin jetzt mit dem Down
Jones, dem DAX und dem Nikkei auf Talfahrt gegangen.
Warum jetzt?
Ich bin dem Corona-Online-Shopping-Hype
erlegen. Und das zum Teil aus edlen Motiven.
Ich habe ausser den neuen Büchern von
Sybille Berg, Alex Capus, ausser den neuen Werken von Karl-Heinz Ott und Pascal
Mercier, ausser den neuen Romanen von Stanišić und Nothomb, ausser dem – nein, nicht neuen,
aber neu editierten – Williams folgende Bestellungen aufgegeben:
Dr. Hermann
Schubiger: Die Geschichte des Aargaus (1500 Seiten, gebunden, 98.–)
Hymenobus
von Korym (ca. 570): Tractatus religiosus et culinaricus (neu übersetzt und
kommentiert, 700 Seiten, gebunden, 102.–)
Sämtliche
Ölbilder von Markus Schoff (Glanzdruck, gebunden, 130.–)
Alles, um
meine Buchhändlerin zu unterstützen.
Ich habe
ausser ein paar Chornoten, die ich wirklich brauchte, noch folgende Partituren
bestellt:
Max von
Schindel (1878–1925): Atalemonela (Oper in 5 Akten, Partitur, 140.–)
Georg
Friedrich Salomon Timon Julian Bach (Grossurenkelneffencousin von J.S.B.):
Sämtliche Sonaten für Cembalo (6 Bände, mit ausführlichem Revisionsbericht,
350.–)
John Cage: 4′33″
in der Fassung für 8 Solisten, 4 Chöre, grosses symphonisches Orchester und
Live-Elektronik (89.–)
Alles, um
meinen Musikalienhändler zu unterstützen.
Ich habe ein
Corbusier-Tischchen erworben, um meinen Möbelhändler zu unterstützen.
(3400.–)
Ich habe mir
ein Kobe-Kaviar-Lachs-Menü liefern lassen, um mein Stammrestaurant zu
unterstützen. (2300.–)
Ich habe mir
ein Marimekko-Jackett in den Farben blau, gelb und rot bestellt, um meine
Stammboutique zu unterstützen.
(950.–)
Dann bin ich
auf das Problem gestossen, was passiert, wenn gewisse elektronische Geräte den
Geist aufgeben würden. Das erste Gerät, das ich argwähnisch (sic!)
begutachtete, war mein Rasierapparat. Blöd, wenn er kaputtgehen würde, ich
würde einen scheusslichen Bart bekommen, und da ich mit Videokonferenzen
arbeite, würde man das 5 Tage-Stoppel-Ungetüm besser sehen als bei einer
normalen Begegnung. Und weil ich ja auch nicht zum Coiffeur kann, die sind ja
auch alle zu, habe ich mir einen Rasierer mit integriertem Haarschneider
bestellt.
Was aber,
wenn mein Laptop…? Wenn mein Toaster…? Meine Kaffeemaschine…? Mein Mixer…?
Also ergibt
es beim DINTERUSCOINT® eine Gesamtbestellung von 9450.–
Und dann
kommt die Langeweile und ich surfe durch allerlei Seiten und ich bleibe –
wieder einmal – auf Seiten mit Badehosen hängen, nicht nur wegen der knackigen
Kerle, deshalb auch, aber nicht nur, sondern weil ich begeisterter Schwimmer
bin, und ich bestelle bei HUM®, Schasser® und DIEDA® noch tolle Modelle, in den
Farben, die ich noch nicht besitze (ich habe schon 10 Badehosen): Mintgrün,
Zitronengelb und Violett, kostet mich (nur) 130.–. Eine völlig sinnlose
Ausgabe, denn wann werde ich die Badepants ausprobieren können? Die Hallenbäder
werden noch lange zu sein.
Und wenn wir
jetzt zusammenrechnen – und die am Anfang erwähnten Bücher mit 25.– im Schnitt
berechnen – dann sind wir bei ca. 17500.–.
Damit ist
mein Sparbuch leer, mein Konto auf Anschlag und meine Kreditkarte im grössten
Minus, das mir die Servantcard® (die Konkurrenz der Mastercard) erlaubt.
Und nun
sitze ich an einem Formular des Bundes, in dem ich Finanzhilfe beantrage, denn
ich habe etwas wahnsinnig Wichtiges für die Volkswirtschaft getan, ich habe in
schweren Zeiten und in Zeiten, in denen viele Geld brauchen, konsumiert. Und
noch einmal konsumiert. Und noch einmal konsumiert.
Hilfe! Ich bin pleite.
Ich bin bankrott und abgebrannt, ich bin
verarmt. Ich habe keine Knete mehr und keine Kohle.
Nicht weil ich Selbstständiger bin, nein,
meine Arbeitgeber zahlen weiter, und meine Konten haben sich wieder gefüllt.
Ich habe auch nicht in Aktien gesetzt.
Warum nun?
Ich bin dem Corona-Online-Shopping-Hype
erlegen.
Und das zum Teil aus edlen Motiven.
Zum Teil.
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