Dienstag, 7. April 2020

Corona Shopping


Hilfe! Ich bin pleite.
Ich bin bankrott, abgebrannt, ich bin verarmt. Meine Kassen und meine Beutel, meine Schatullen und meine Konten sind leer, so leer wie der Weltraum und das All, so leer wie der Kopf von Trump und so leer wie die Konzertsäle und Stadien in Zeiten des Virus. Alle Kohle ist weg, alles Geld, alle Penunze, ich habe keine Knete mehr und keine Mäuse.
Und warum?
Nicht weil ich Selbstständiger bin, der gerade nichts verdient, nicht weil ich ein KMU bin oder ein Freelancer, ich habe keine Coiffure und kein Café, ich habe kein Restaurant und keine Galerie, nein, meine Arbeitgeber zahlen weiter, und meine Konten haben sich am 1.4.2020 wieder gefüllt.
Warum also?
Nein, ich habe auch nicht in Aktien gesetzt und alles in Firmenanteilscheinen angelegt und bin jetzt mit dem Down Jones, dem DAX und dem Nikkei auf Talfahrt gegangen.
Warum jetzt? 
Ich bin dem Corona-Online-Shopping-Hype erlegen. Und das zum Teil aus edlen Motiven.

Ich habe ausser den neuen Büchern von Sybille Berg, Alex Capus, ausser den neuen Werken von Karl-Heinz Ott und Pascal Mercier, ausser den neuen Romanen von Stanišić  und Nothomb, ausser dem – nein, nicht neuen, aber neu editierten – Williams folgende Bestellungen aufgegeben:
Dr. Hermann Schubiger: Die Geschichte des Aargaus (1500 Seiten, gebunden, 98.–)
Hymenobus von Korym (ca. 570): Tractatus religiosus et culinaricus (neu übersetzt und kommentiert, 700 Seiten, gebunden, 102.–)
Sämtliche Ölbilder von Markus Schoff (Glanzdruck, gebunden, 130.–)
Alles, um meine Buchhändlerin zu unterstützen.

Ich habe ausser ein paar Chornoten, die ich wirklich brauchte, noch folgende Partituren bestellt:
Max von Schindel (1878–1925): Atalemonela (Oper in 5 Akten, Partitur, 140.–)
Georg Friedrich Salomon Timon Julian Bach (Grossurenkelneffencousin von J.S.B.): Sämtliche Sonaten für Cembalo (6 Bände, mit ausführlichem Revisionsbericht, 350.–)
John Cage: 4′33″ in der Fassung für 8 Solisten, 4 Chöre, grosses symphonisches Orchester und Live-Elektronik (89.–)
Alles, um meinen Musikalienhändler zu unterstützen.

Ich habe ein Corbusier-Tischchen erworben, um meinen Möbelhändler zu unterstützen.
(3400.–)
Ich habe mir ein Kobe-Kaviar-Lachs-Menü liefern lassen, um mein Stammrestaurant zu unterstützen. (2300.–)
Ich habe mir ein Marimekko-Jackett in den Farben blau, gelb und rot bestellt, um meine Stammboutique zu unterstützen.
(950.–)

Dann bin ich auf das Problem gestossen, was passiert, wenn gewisse elektronische Geräte den Geist aufgeben würden. Das erste Gerät, das ich argwähnisch (sic!) begutachtete, war mein Rasierapparat. Blöd, wenn er kaputtgehen würde, ich würde einen scheusslichen Bart bekommen, und da ich mit Videokonferenzen arbeite, würde man das 5 Tage-Stoppel-Ungetüm besser sehen als bei einer normalen Begegnung. Und weil ich ja auch nicht zum Coiffeur kann, die sind ja auch alle zu, habe ich mir einen Rasierer mit integriertem Haarschneider bestellt.
Was aber, wenn mein Laptop…? Wenn mein Toaster…? Meine Kaffeemaschine…? Mein Mixer…?
Also ergibt es beim DINTERUSCOINT® eine Gesamtbestellung von 9450.–
Und dann kommt die Langeweile und ich surfe durch allerlei Seiten und ich bleibe – wieder einmal – auf Seiten mit Badehosen hängen, nicht nur wegen der knackigen Kerle, deshalb auch, aber nicht nur, sondern weil ich begeisterter Schwimmer bin, und ich bestelle bei HUM®, Schasser® und DIEDA® noch tolle Modelle, in den Farben, die ich noch nicht besitze (ich habe schon 10 Badehosen): Mintgrün, Zitronengelb und Violett, kostet mich (nur) 130.–. Eine völlig sinnlose Ausgabe, denn wann werde ich die Badepants ausprobieren können? Die Hallenbäder werden noch lange zu sein.

Und wenn wir jetzt zusammenrechnen – und die am Anfang erwähnten Bücher mit 25.– im Schnitt berechnen – dann sind wir bei ca. 17500.–.
Damit ist mein Sparbuch leer, mein Konto auf Anschlag und meine Kreditkarte im grössten Minus, das mir die Servantcard® (die Konkurrenz der Mastercard) erlaubt.

Und nun sitze ich an einem Formular des Bundes, in dem ich Finanzhilfe beantrage, denn ich habe etwas wahnsinnig Wichtiges für die Volkswirtschaft getan, ich habe in schweren Zeiten und in Zeiten, in denen viele Geld brauchen, konsumiert. Und noch einmal konsumiert. Und noch einmal konsumiert.

Hilfe! Ich bin pleite.
Ich bin bankrott und abgebrannt, ich bin verarmt. Ich habe keine Knete mehr und keine Kohle.
Nicht weil ich Selbstständiger bin, nein, meine Arbeitgeber zahlen weiter, und meine Konten haben sich wieder gefüllt.
Ich habe auch nicht in Aktien gesetzt.
Warum nun?
Ich bin dem Corona-Online-Shopping-Hype erlegen.

Und das zum Teil aus edlen Motiven.
Zum Teil.


   
 

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