Dienstag, 15. Januar 2019

Lyrik im Dialog (2): Unverziehene Pflaumen


William Carlos Williams (1883 – 1963):
This is Just to Say

I have eaten
the plums
that were in
the icebox

and which
you were probably
saving
for breakfast.

Forgive me
they were delicious
so sweet
and so cold.


Du bist so ein Vollidiot! Nein, ich vergebe dir nicht. Ich vergebe dir überhaupt nicht. Die Pflaumen waren nicht für das Frühstück, du Pflaume. Sie waren für einen Pflaumenkuchen für Tante Erna, und Tante Erna ist, wie du hoffentlich weisst, meine Erbtante, und sie liebt Pflaumenkuchen, und wenn sie kommt, will sie Pflaumenkuchen haben, und eben einen solchen wollte ich heute backen. Wenn also Tante Erna uns enterbt, weil sie mit einem gekauften Zitronencake aus der Migros abgespeist wird, dann ist das deine Schuld. Also nix mit verzeih mir und so…

Nebenbei bemerkt: Die Steine gehören in den Müll und nicht einfach auf die Ablage, ebenso hättest du auch die Pflaumensaftspuren auf dem Boden aufwischen können, aber das ist die gleiche Gedankenlosigkeit, mit der du einfach Obst klaust. Gedankenlos, so wie du alles gedankenlos machst, gedankenlos deine Zahnpastareste im Waschbecken hinterlässt und gedankenlos deine Kleider irgendwo fallen lässt. Ich bin es so satt, ständig deine Handgriffe und Taten zu korrigieren und wieder ins Reine zu bringen.
By the way: Tante Erna hatte mich immer gewarnt vor dir. Du bist ein Schludri, das hat sie stets gesagt, ein Schludri, das hat sie sofort gemerkt, schon beim ersten Besuch bei ihr, und ich hätte auf sie hören sollen.

Das Problem ist, dass du einfach nicht zuhörst. Ich habe dir gesagt, du sollst die Pflaumen in Ruhe lassen, ich habe dir dreimal gesagt, du sollst die Pflaumen in Ruhe lassen, ich habe dir gesagt, dass sie für Tante Erna sind und NICHT für das Frühstück. Du hörst einfach nicht zu, und da kann ich mir den Mund fusselig quatschen, kann Wort um Wort dir entgegenschleudern, kann reden und reden und reden und reden, und du stellst einfach auf Durchzug. Ich kann dir am Morgen sagen, dass wir abends bei Schnüllers eingeladen sind, und du bleibst einfach bis 20.00 im Büro, ich kann dir xmal sagen, dass ich nach Ibiza möchte und dass ich Mallorca schrecklich finde, und du buchst einfach zwei Wochen Palma. Ich kann dich anschreien: «Pass auf, da kommt eine Pfütze!», aber du tappst natürlich rein und bespritzt deine neuen Hosen mit Matsch.
Und wer muss die dann wieder reinigen?
Na?
Na?

Pass auf, ich glaube, ich gehe eine Weile zu meiner Mutter zurück. Oder gleich zu Tante Erna, die braucht immer ein wenig Gesellschaft und das Erbe ist dann auch gesichert. MEIN Erbe, nicht dass du auf dumme Gedanken kommst. In Zukunft wirst du das Problem mit Lebensmitteln im Eisfach nicht haben, weil nämlich gar keine Lebensmittel im Kühlschrank sind.

Denke nicht, die Pflaumen wären der Grund.
Sie sind der Anlass.
Nein, ich vergebe dir nicht.
Irgendwann platzt jedem(r) mal der Kragen.

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