Dienstag, 29. Januar 2019

Lyrik im Dialog (6): Heine hat Geld verschwendet


Heinrich Heine (1797 – 1856)
Die Loreley

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin;
ein Märchen aus alten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kühl und es dunkelt, und ruhig fließt der Rhein;
der Gipfel des Berges funkelt im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet dort oben wunderbar;
ihr goldnes Geschmeide blitzet, sie kämmt ihr goldenes Haar.
Sie kämmt es mit goldenem Kamme und singt ein Lied dabei;
das hat eine wundersame, gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe ergreift es mit wildem Weh;
er schaut nicht die Felsenriffe, er schaut nur hinauf in die Höh.
Ich glaube, die Wellen verschlingen am Ende Schiffer und Kahn;
und das hat mit ihrem Singen die Loreley getan.


Bundesgerichtshof Karlsruhe
Am Schloss

Aktenzeichen GHSTZ/567345672/FGEVEB/efgegge/9003435
In Sachen: Der deutsche Staat gegen Heinrich Heine

Karlsruhe, den 13. 11. 2018

Im Namen des Volkes ergeht letztinstanzlich folgendes Urteil:

Der Dichter Heinrich Heine wird wegen Grobem Unfug (StGB § 345 d) und Anstiftung zur Veruntreuung von Geldern (StGB 723 c) zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.


Begründung:

Mit seinem Gedicht hat der Poet die Illusion erweckt, bei der Loreley handele es sich um eine alte deutsche Sagenfigur. («Ein Märchen aus uralten Zeiten…») Dies hat er wissentlich und in voller Absicht getan. Hunderte von Germanisten und Volkskundlern sind seitdem an den Rhein gefahren und haben Archive und Nachlässe durchforstet, natürlich ohne fündig zu werden. Dabei sind Spesen und Honorare von einem siebenstelligen Betrag entstanden, ganz zu schweigen von vergeudeter Lebenszeit, die nicht ersetzt werden kann. Herrn Heine musste klar sein, dass man nach einer solchen Figur suchen würde. Ob die Gelder immer sinnvoll eingesetzt wurden, kann hier nicht mehr eruiert werden, spielt für die Entscheidung aber auch keine Rolle. Der im Prozess diskutierte Sachverhalt, dass Prof. Dr. Hubert Schleuder während seiner Loreley-Recherchen in einem *********-Hotel abgestiegen ist und relativ kostspielig gegessen hat, wird als Einzelfall gesehen.
Die sogenannte «dichterische Freiheit» oder «Freiheit der Dichtung» greift hier nicht, denn das BGB schränkt die Freiheit eines Literaten klar ein: Gelogen werden darf nach § 854 BGB in der Belletristik durchaus, aber er setzt drei Ausschlusskriterien:
·         Es dürfen keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden.
·         Die öffentliche Ordnung darf nicht gestört werden.
·         Es dürfen keine Kosten entstehen.  

Die Frage stellt sich natürlich, ob nicht eigentlich der Kollege Brentano der wirkliche Schuldige ist. Hier muss darauf hingewiesen werden, dass im Gedicht von diesem noch die Möglichkeit gelassen wird, die Loreley als eine Erfindung der Romantik zu sehen, während Heine mit seinem «Märchen aus uralten Zeiten» hier klar die Behauptung aufstellt, die Dame auf dem Felsen sei eine alte deutsche Sagenfigur.

P.S.
Da Heinrich Heine nicht mehr lebt, wird das Urteil posthum gefällt. Der komplexe Sachverhalt einer posthumen Bewährung wird noch auszuarbeiten sein.






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