Also, ich
putze sehr gerne.
Wirklich.
Ich finde
nichts schöner, als Lavabos und Böden, Fenster und WCs, als Geländer und
Spiegel von Dreck, Schmutz und Staub zu befreien. Der Anblick eines geputzten
Waschbeckens kann mich zu Freudenjodlern verleiten und ein frisch gewienertes
Parkett fasziniert mich so, dass ich mich 10 Minuten flach auf den Boden lege
und die Spiegelung betrachte. Und erst Fenster, nichts ist schöner, als wieder
eine Wohnung mit glasklaren, reinen, mit spiegelnden und blitzenden Fenstern zu
haben.
Ich putze
sehr gerne.
So wie
andere Leute durch das Warenhaus laufen, um Hosen und Hemden, um Kleinkram und
Kinkerlitzchen einzukaufen, kaufe ich Putzmittel. Ständig beschäftigt mich die
Frage: Gibt es noch etwas Besseres, Reinigenderes, gibt es ein Spezialmittel,
ein Spezialtuch, eine Spezialbehandlung? Meine Flaschen mit Putzmitteln,
aufgereiht und in schöner Ordnung sind meine besten Freunde: Monogirl®
Möbelpflege, Monogirl® Marmorpflege, Monogirl® Lederlotion und Monogirl®
Glaswäsche, genauso wie Stuffer® Parketttuch, Stuffer® Staubtuch, Stuffer®
Fenstertuch und Stuffer® Türentuch.
Leider bin
ich Christ. Sonst würde ich sofort in ein Zen-Kloster eintreten. Denn:
Zen bedeutet
Putzen.
In den
Heiligtümern des Zen-Buddhismus wird 4-5 Stunden am Tag geputzt, und beim
Putzen wird Erleuchtung erlangt. Verschiedene Heilige hätten, so schreibt
Keisuke Matsumoto in seinem wunderbaren Buch Die Kunst des Achtsamen Putzens, seien während der simpelsten
Putzhandlungen erleuchtet worden, einige sogar während des Kloputzens. (Lachen
Sie jetzt bitte nicht zu früh, das Buch gibt es wirklich.)
Ich putze
sehr gerne.
Aber sobald
ich diesen Satz zu jemandem sage, kommen immer die gleichen dummen Reaktionen:
«O, komm doch auch mal zu mir.» oder «Bei mir müsste auch mal wieder geputzt
werden.» oder «Du kannst gerne morgen bei mir.» Diese Reaktionen sind auf eine
entzückende Weise falsch. Leute, die mich kennen, müssten wissen, dass ich
Putztyp 2 bin, und nicht Putztyp 1.
Putztyp 1
ist der oder die Weltverbesserer(in), er oder sie leidet am Dreck der ganzen
Welt und will den ganzen Dreck der Welt bekämpfen, Menschen des Putztyp 1
kommen wirklich zu Ihnen nach Hause, weil sie es nicht aushalten, dass irgendwo
in ihrer Stadt sich Staub angesammelt hat. Das Grausame: Typ 1-Leute tun das
auch ungefragt, sie stürmen aus Ihrer Toilette, holen sich ein Javelwasser aus
dem Putzschrank und fangen an die Schüssel zu bearbeiten: «Das hat’s wirklich
nötig – ich kann da gar nicht hinschauen.»
Putztyp 2 ist der
My-Home-Is-My-Castle-Typ. Menschen vom Typ 2 wollen es bei sich zuhause
sauber und gemütlich haben, der Dreck anderer Leute ist ihnen egal. Typ
2-Putzer würden nie woanders einen Lappen in die Hand nehmen, weil sie ja ihre
eigene Bude, ihre eigenen vier Wänden schön und sauber haben wollen.
«Bei mir
müsste auch mal wieder geputzt werden.»
Der Satz
stellt natürlich noch ein anderes Problem: Ich will Geld. Für ein ordentliches
Honorar würde ich vielleicht doch zu Ihnen kommen. Was mein Honorar ist? 80.-
in der Stunde. Das ist mein durchschnittlicher Lohn als Lehrer, Pianist und
Dirigent.
Finden Sie
jetzt völlig überrissen.
Aber warum
eigentlich?
Und nun
müssen wir fast ein wenig sozialistisch werden: Warum wird Putzen so schlecht
bezahlt? Weil es eine einfache, simple, eine angelernte und nichtqualifizierte
Technik ist? Aber das stimmt ja nicht, so viele Leute können ja nicht putzen.
Weil es unwichtig ist? Ganz und gar nicht, wenn sie eine Firma betreten, ist
der erste Eindruck, ob es sauber ist. Wenn ich z.B. Bankdirektor wäre, würde
ich meine Putzleute besser bezahlen als meine Finanzberater.
Aber, höre
ich sie sagen, das sind doch hochspezialisierte Leute, die haben Ahnung und
Durchblick und müssen wahnsinnig viel wissen und wahnsinnig viel voraussehen.
Klar, deshalb hatten wir ja auch eine Finanzkrise, weil das Investmentbanking
so toll war. Stellen wir uns vor, Investment Banker und Putzfrau tauschen eine
Woche die Rollen. Was würde die Putzfrau tun? Sie würde den Kunden einige
Papiere empfehlen, von denen sie wüsste, die können nicht extrem in den Keller
rasen, also klassische, grosse Firmen, die keine 300%-Rendite bringen, aber
auch kein Risikogeschäft sind, sie würde die Aktienkäufe streuen, und
vielleicht für 1000.- Nestlé, für 1000.- Novartis und für 1000.- Lonza
erwerben. Kein Big Deal, aber auch nichts versaut. Der Banker aber würde
verzweifeln: Schlieren und Streifen würden sich durch das Foyer ziehen, überall
würde man kleben bleiben und der Staub stünde meterhoch.
Nun werden
Sie sagen, aber eine Putzkraft begreift doch nicht, wie Hochgeschwindigkeitshandel
oder wie Derivate funktionieren? Nun, die Banker begreifen das ja auch nicht
mehr, nur will das keiner zugeben.
Die
Putzfrauen jedenfalls waren unschuldig an der Leeman Brother-Pleite.
Also?
Wenn Lenin
sagte, er wolle einen Staat, den eine Köchin regieren kann, dann proklamiere
ich das Banking, das eine Putzfrau ausüben kann.
Nun muss ich
schliessen, ich habe auf Bodenfliesse Nr. 23 A einen kleinen Fleck entdeckt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen