Dienstag, 27. November 2018

Ich putze so gerne! ...aber nicht bei Ihnen


Also, ich putze sehr gerne.
Wirklich.
Ich finde nichts schöner, als Lavabos und Böden, Fenster und WCs, als Geländer und Spiegel von Dreck, Schmutz und Staub zu befreien. Der Anblick eines geputzten Waschbeckens kann mich zu Freudenjodlern verleiten und ein frisch gewienertes Parkett fasziniert mich so, dass ich mich 10 Minuten flach auf den Boden lege und die Spiegelung betrachte. Und erst Fenster, nichts ist schöner, als wieder eine Wohnung mit glasklaren, reinen, mit spiegelnden und blitzenden Fenstern zu haben.

Ich putze sehr gerne.
So wie andere Leute durch das Warenhaus laufen, um Hosen und Hemden, um Kleinkram und Kinkerlitzchen einzukaufen, kaufe ich Putzmittel. Ständig beschäftigt mich die Frage: Gibt es noch etwas Besseres, Reinigenderes, gibt es ein Spezialmittel, ein Spezialtuch, eine Spezialbehandlung? Meine Flaschen mit Putzmitteln, aufgereiht und in schöner Ordnung sind meine besten Freunde: Monogirl® Möbelpflege, Monogirl® Marmorpflege, Monogirl® Lederlotion und Monogirl® Glaswäsche, genauso wie Stuffer® Parketttuch, Stuffer® Staubtuch, Stuffer® Fenstertuch und Stuffer® Türentuch.

Leider bin ich Christ. Sonst würde ich sofort in ein Zen-Kloster eintreten. Denn:
Zen bedeutet Putzen.
In den Heiligtümern des Zen-Buddhismus wird 4-5 Stunden am Tag geputzt, und beim Putzen wird Erleuchtung erlangt. Verschiedene Heilige hätten, so schreibt Keisuke Matsumoto in seinem wunderbaren Buch Die Kunst des Achtsamen Putzens, seien während der simpelsten Putzhandlungen erleuchtet worden, einige sogar während des Kloputzens. (Lachen Sie jetzt bitte nicht zu früh, das Buch gibt es wirklich.)

Ich putze sehr gerne.
Aber sobald ich diesen Satz zu jemandem sage, kommen immer die gleichen dummen Reaktionen: «O, komm doch auch mal zu mir.» oder «Bei mir müsste auch mal wieder geputzt werden.» oder «Du kannst gerne morgen bei mir.» Diese Reaktionen sind auf eine entzückende Weise falsch. Leute, die mich kennen, müssten wissen, dass ich Putztyp 2 bin, und nicht Putztyp 1.
Putztyp 1 ist der oder die Weltverbesserer(in), er oder sie leidet am Dreck der ganzen Welt und will den ganzen Dreck der Welt bekämpfen, Menschen des Putztyp 1 kommen wirklich zu Ihnen nach Hause, weil sie es nicht aushalten, dass irgendwo in ihrer Stadt sich Staub angesammelt hat. Das Grausame: Typ 1-Leute tun das auch ungefragt, sie stürmen aus Ihrer Toilette, holen sich ein Javelwasser aus dem Putzschrank und fangen an die Schüssel zu bearbeiten: «Das hat’s wirklich nötig – ich kann da gar nicht hinschauen.»
Putztyp 2 ist der My-Home-Is-My-Castle-Typ. Menschen vom Typ 2 wollen es bei sich zuhause sauber und gemütlich haben, der Dreck anderer Leute ist ihnen egal. Typ 2-Putzer würden nie woanders einen Lappen in die Hand nehmen, weil sie ja ihre eigene Bude, ihre eigenen vier Wänden schön und sauber haben wollen.

«Bei mir müsste auch mal wieder geputzt werden.»
Der Satz stellt natürlich noch ein anderes Problem: Ich will Geld. Für ein ordentliches Honorar würde ich vielleicht doch zu Ihnen kommen. Was mein Honorar ist? 80.- in der Stunde. Das ist mein durchschnittlicher Lohn als Lehrer, Pianist und Dirigent.

Finden Sie jetzt völlig überrissen.
Aber warum eigentlich?

Und nun müssen wir fast ein wenig sozialistisch werden: Warum wird Putzen so schlecht bezahlt? Weil es eine einfache, simple, eine angelernte und nichtqualifizierte Technik ist? Aber das stimmt ja nicht, so viele Leute können ja nicht putzen. Weil es unwichtig ist? Ganz und gar nicht, wenn sie eine Firma betreten, ist der erste Eindruck, ob es sauber ist. Wenn ich z.B. Bankdirektor wäre, würde ich meine Putzleute besser bezahlen als meine Finanzberater.
Aber, höre ich sie sagen, das sind doch hochspezialisierte Leute, die haben Ahnung und Durchblick und müssen wahnsinnig viel wissen und wahnsinnig viel voraussehen. Klar, deshalb hatten wir ja auch eine Finanzkrise, weil das Investmentbanking so toll war. Stellen wir uns vor, Investment Banker und Putzfrau tauschen eine Woche die Rollen. Was würde die Putzfrau tun? Sie würde den Kunden einige Papiere empfehlen, von denen sie wüsste, die können nicht extrem in den Keller rasen, also klassische, grosse Firmen, die keine 300%-Rendite bringen, aber auch kein Risikogeschäft sind, sie würde die Aktienkäufe streuen, und vielleicht für 1000.- Nestlé, für 1000.- Novartis und für 1000.- Lonza erwerben. Kein Big Deal, aber auch nichts versaut. Der Banker aber würde verzweifeln: Schlieren und Streifen würden sich durch das Foyer ziehen, überall würde man kleben bleiben und der Staub stünde meterhoch.
Nun werden Sie sagen, aber eine Putzkraft begreift doch nicht, wie Hochgeschwindigkeitshandel oder wie Derivate funktionieren? Nun, die Banker begreifen das ja auch nicht mehr, nur will das keiner zugeben.
Die Putzfrauen jedenfalls waren unschuldig an der Leeman Brother-Pleite. 
Also?
Wenn Lenin sagte, er wolle einen Staat, den eine Köchin regieren kann, dann proklamiere ich das Banking, das eine Putzfrau ausüben kann.

Nun muss ich schliessen, ich habe auf Bodenfliesse Nr. 23 A einen kleinen Fleck entdeckt.

   

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