Freitag, 9. November 2018

Mein Taxifahrer hat bessere Jobs als mich


Diese Geschichte ist jetzt wirklich wahr: Am letzten Freitag versetzte mich mein Taxifahrer.

Zur Erklärung:
Ich habe zwei Fahrer, deren Handynummer ich besitze (einen für den Tag und einen für die Nacht – ein Schelm, wer jetzt Arges denkt…) und die ich ohne Kontakt zur Zentrale auf bestimmte Zeiten und bestimmte Orte bestelle. Das ist dann eine kurze SMS (ich weiss, dass kurze Short Message ein Pleonasmus ist!) und der bestätigt dann und erscheint am ausgemachten Ort und zur ausgemachten Zeit – oder eben nicht. Wenn etwas dazwischenkommt, wird ein Ersatz geschickt, zum angegebenen Ort und zur ausgemachten Zeit.
So stand ich neulich vor dem Bischofshof und wartete auf meinen Fahrer, nennen wir ihn doch – um die Anonymität zu wahren - Ursli; als die ausgemachte Zeit schon zwei Minuten verstrichen war (normalerweise sind Chauffeure bei Bestellungen fünf Minuten vorher da), rief ich Ursli an. «Hallo Rolf», meldete er sich fröhlich, «bin auf dem Weg nach Kloten, ich habe dir jemand geschickt, der ist in fünf Minuten da.» ich rechnete im Kopf kurz durch und stellte fest, dass ich 7 Minuten zu spät in Münchenstein sein würde, nicht schlimm, nicht weltbewegend, aber genau die Verspätung, die ich auch gehabt hätte, wenn ich mit dem Tram gefahren wäre, also 30 Franken für die Füchse oder für die Katz’.
Ruedi, der Chauffeur, der dann 19.55 erschien (auch dieser Name ist nicht echt), schüttelte natürlich den Kopf, ob meiner Bitte, es in fünf Minuten nach Münchenstein zu schaffen, aber er gab sich alle Mühe. Und so kamen wir ins Gespräch. Ruedi teilte mir mit, er habe den Anruf von Ursli um 19.50 erhalten, also fünf Minuten NACH dem Termin, den ich angegeben hatte. Ich beklagte mich nun bitterlich über Ursli, der scheinbar immer mehr «wichtige» und «lukrative» Kunden habe und einen kleinen Fisch wie mich natürlich einfach links liegen (oder besser «stehen-«) lassen könne. Es war nämlich nicht das erste Mal passiert. Ruedi gab zu, dass Ursli wirklich «gut im Geschäft» sei, dass er viele Aufträge von Hotels und der SBB erhalte und dann jeweils die Kollegen um Mit- beziehungsweise Aushilfe bitte, und meinte, dass bei aller Grösse der anderen Kunden ein angenommener Auftrag eben doch eigentlich eine ausgemachte Sache sei. Nun fragte ich Ruedi, ob er nicht mein Mann für die Nacht werden könne (Honi soit, quit mal y pense!), aber dieser verneinte, er wolle keinem Kollegen die Kunden wegnehmen. «Aber nein!», so rief ich aus, «das ist ja gar nicht der Fall! Ich schmeisse Ursli so oder so raus, da kann ich auch gleich deine Handynummer bekommen.» «Rufen wir ihn doch einfach an», so mein neuer Chauffeur in spe, «ich muss mich eh melden, dass es geklappt hat.

Das Telefonat mit meinem Ex-Fahrer war einfach, schlicht, es war kurz und knapp und bündig, das Telefonat war die simpelste Sache der Welt: Ursli hörte sich meine Vorwürfe an, kommentierte sie mit «ok», «tja» und «hm» und belegte dann mein Statement, dass ich mir jemand anderes suchen werde mit einem marginalen «schade». Ich speicherte die Nummer von Ruedi und löschte jene von Ursli.

Warum fällt uns im Bereich von Geschäften und Aufträgen die Ehrlichkeit so schwer? Und die Anstandigkeit (sic)?
Wenn mich der Männerchor Buffwil (BE) bittet, bei seinem Jahreskonzert zwei Lieder zu begleiten und ein Intermezzo zu spielen und dafür 150.- SFr zahlt, habe ich mehrere Möglichkeiten:
-          Ich kann die Sache machen, aber dann mache ich sie gut und anstandig (sic), ich erscheine pünktlich, mit Noten und habe geübt und zeige dem Chor mit keiner Miene, wie abgrundschlecht er ist.
-          Ich lehne die Sache von vornherein ab, weil sie weder Geld noch Prestige bringt, mich aber ein ganzes Wochenende kostet.
-          Ich sage zu und schicke dann einen Kollegen, der die Sache gut und anstandig (sic) macht, der pünktlich, mit Noten und geübt erscheint und dem Chor in keinster Weise zeigt, wie grottenmies er singt.

Keine Option allerdings ist diese Variante: Ich erscheine viel zu knapp zur Probe, habe weder meine Noten geklebt noch einen Ton geübt, pfusche mich durch die Stücke, ich rede nur mit dem Dirigenten und öffne in jeder Pause meinen Laptop oder fummele an meinem Handy herum, sprich, ich zeige allen, dass die Sache unter meiner Würde ist.

Warum aber kann man das nicht ehrlich sagen: «Das ist jetzt unter meiner Würde.»? Oder: «Ich habe jetzt bessere Aufträge, ich kann den nicht mehr annehmen.» Oder: «Ich habe dich hinter mir gelassen.» Oder: «Du musst dir jemand Neues suchen.»???
Ich hätte Ursli ja in keiner Weise übelgenommen, wenn er mir irgendwann gesagt hätte, dass er so viele Aufträge im Rahmen von 100.- aufwärts hat, dass er meine Termine nicht mehr garantieren kann und es besser wäre, wenn ich mir jemand neues suchte, aber so wie es gelaufen ist, geht es nicht.

Und deshalb schreibe ich ab jetzt auch «anstandig», weil man da viel direkter den «Anstand» mithört, und mehr Anstand braucht es überall.    

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