Diese
Geschichte ist jetzt wirklich wahr: Am letzten Freitag versetzte mich mein
Taxifahrer.
Zur
Erklärung:
Ich habe
zwei Fahrer, deren Handynummer ich besitze (einen für den Tag und einen für die
Nacht – ein Schelm, wer jetzt Arges denkt…) und die ich ohne Kontakt zur
Zentrale auf bestimmte Zeiten und bestimmte Orte bestelle. Das ist dann eine
kurze SMS (ich weiss, dass kurze Short Message ein Pleonasmus ist!) und der
bestätigt dann und erscheint am ausgemachten Ort und zur ausgemachten Zeit –
oder eben nicht. Wenn etwas dazwischenkommt, wird ein Ersatz geschickt, zum
angegebenen Ort und zur ausgemachten Zeit.
So stand ich
neulich vor dem Bischofshof und wartete auf meinen Fahrer, nennen wir ihn doch
– um die Anonymität zu wahren - Ursli; als die ausgemachte Zeit schon zwei
Minuten verstrichen war (normalerweise sind Chauffeure bei Bestellungen fünf
Minuten vorher da), rief ich Ursli an. «Hallo Rolf», meldete er sich fröhlich,
«bin auf dem Weg nach Kloten, ich habe dir jemand geschickt, der ist in fünf
Minuten da.» ich rechnete im Kopf kurz durch und stellte fest, dass ich 7
Minuten zu spät in Münchenstein sein würde, nicht schlimm, nicht weltbewegend,
aber genau die Verspätung, die ich auch gehabt hätte, wenn ich mit dem Tram
gefahren wäre, also 30 Franken für die Füchse oder für die Katz’.
Ruedi, der
Chauffeur, der dann 19.55 erschien (auch dieser Name ist nicht echt),
schüttelte natürlich den Kopf, ob meiner Bitte, es in fünf Minuten nach
Münchenstein zu schaffen, aber er gab sich alle Mühe. Und so kamen wir ins
Gespräch. Ruedi teilte mir mit, er habe den Anruf von Ursli um 19.50 erhalten,
also fünf Minuten NACH dem Termin, den ich angegeben hatte. Ich beklagte mich
nun bitterlich über Ursli, der scheinbar immer mehr «wichtige» und «lukrative»
Kunden habe und einen kleinen Fisch wie mich natürlich einfach links liegen
(oder besser «stehen-«) lassen könne. Es war nämlich nicht das erste Mal
passiert. Ruedi gab zu, dass Ursli wirklich «gut im Geschäft» sei, dass er
viele Aufträge von Hotels und der SBB erhalte und dann jeweils die Kollegen um
Mit- beziehungsweise Aushilfe bitte, und meinte, dass bei aller Grösse der
anderen Kunden ein angenommener Auftrag eben doch eigentlich eine ausgemachte
Sache sei. Nun fragte ich Ruedi, ob er nicht mein Mann für die Nacht werden
könne (Honi soit, quit mal y pense!), aber dieser verneinte, er wolle keinem
Kollegen die Kunden wegnehmen. «Aber nein!», so rief ich aus, «das ist ja gar
nicht der Fall! Ich schmeisse Ursli so oder so raus, da kann ich auch gleich
deine Handynummer bekommen.» «Rufen wir ihn doch einfach an», so mein neuer
Chauffeur in spe, «ich muss mich eh melden, dass es geklappt hat.
Das
Telefonat mit meinem Ex-Fahrer war einfach, schlicht, es war kurz und knapp und
bündig, das Telefonat war die simpelste Sache der Welt: Ursli hörte sich meine
Vorwürfe an, kommentierte sie mit «ok», «tja» und «hm» und belegte dann mein
Statement, dass ich mir jemand anderes suchen werde mit einem marginalen
«schade». Ich speicherte die Nummer von Ruedi und löschte jene von Ursli.
Warum fällt
uns im Bereich von Geschäften und Aufträgen die Ehrlichkeit so schwer? Und die
Anstandigkeit (sic)?
Wenn mich
der Männerchor Buffwil (BE) bittet, bei seinem Jahreskonzert zwei Lieder zu
begleiten und ein Intermezzo zu spielen und dafür 150.- SFr zahlt, habe ich
mehrere Möglichkeiten:
-
Ich kann die Sache machen, aber dann mache ich
sie gut und anstandig (sic), ich erscheine pünktlich, mit Noten und habe geübt
und zeige dem Chor mit keiner Miene, wie abgrundschlecht er ist.
-
Ich lehne die Sache von vornherein ab, weil sie
weder Geld noch Prestige bringt, mich aber ein ganzes Wochenende kostet.
-
Ich sage zu und schicke dann einen Kollegen, der
die Sache gut und anstandig (sic) macht, der pünktlich, mit Noten und geübt
erscheint und dem Chor in keinster Weise zeigt, wie grottenmies er singt.
Keine Option
allerdings ist diese Variante: Ich erscheine viel zu knapp zur Probe, habe
weder meine Noten geklebt noch einen Ton geübt, pfusche mich durch die Stücke,
ich rede nur mit dem Dirigenten und öffne in jeder Pause meinen Laptop oder
fummele an meinem Handy herum, sprich, ich zeige allen, dass die Sache unter
meiner Würde ist.
Warum aber
kann man das nicht ehrlich sagen: «Das ist jetzt unter meiner Würde.»? Oder:
«Ich habe jetzt bessere Aufträge, ich kann den nicht mehr annehmen.» Oder: «Ich
habe dich hinter mir gelassen.» Oder: «Du musst dir jemand Neues suchen.»???
Ich hätte
Ursli ja in keiner Weise übelgenommen, wenn er mir irgendwann gesagt hätte,
dass er so viele Aufträge im Rahmen von 100.- aufwärts hat, dass er meine
Termine nicht mehr garantieren kann und es besser wäre, wenn ich mir jemand
neues suchte, aber so wie es gelaufen ist, geht es nicht.
Und deshalb
schreibe ich ab jetzt auch «anstandig», weil man da viel direkter den «Anstand»
mithört, und mehr Anstand braucht es überall.
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