Am Ende
unserer Persönlichkeits-Specials (das mit 7 Folgen immerhin mein längstes
Special wurde), kommt nun der ultimative, der endgültige, kommt der
durchschlagende und leuchtende Tipp zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit:
Werden Sie
ein netter Mensch.
Nein, ich
meine das völlig ernst: Werden Sie ein netter Mensch, denn nette Menschen gibt
es viel zu wenig auf dieser Welt. Nettigkeit – und hier kann der Autor auch
klammheimlich noch einmal die Stichworte der letzten Wochen wiederholen –
schlägt alle Begriffe und Einteilungen.
Wenn Sie mir
ins Gesicht husten oder in meiner Gegenwart in sich an den Genitalien kratzen,
wenn Sie mir hässliche Dinge wie F*Y* oder A… an den Kopf werfen, wenn Sie sich
vordrängeln und mich zur Seite schubsen, dann mag das authentisch sein, nett ist das nicht.
Und wenn ein
Politiker sein Volk in die Zukunft führt und dabei halt ein wenig rau vorgehen
muss, weil ein paar Hansel nicht an seine Ideen glauben, wenn er flammende
Reden hält und überspitzte Parolen herausgibt, dann mag er Charisma haben, aber ein netter Mensch ist er nicht.
Und auch
wenn er das Gewisse Etwas hat und
sich nach Colour-Me-Beautiful
kleidet, wenn ihm die Nettigkeit fehlt, dann beobachten wir den Menschen von
weitem und sagen: «Alle Achtung», aber wir gehen ihm aus dem Weg.
Und kommen
Sie mir jetzt bitte nicht mit Sternzeichen,
selbst nach dem Molwanischen Horoskop besteht für Quallen, Kakerlaken und
Tse-Tse-Fliegen eine Möglichkeit auf Veränderung.
Nett.
Wir haben
dieses Wort völlig disqualifiziert. Als der christliche Satiriker und
evangelikale Nestbeschmutzer, der hochumstrittene Adrian Plass eine Lesereise
durch die Schweiz machte, bemerkte er erst nach sechs Lesungen, dass sein
Übersetzer einen Satz stets falsch wiedergab: Plass hatte immer «God is nice»
gesagt, was der andere als «Gott ist gut» statt «Gott ist nett» übersetzte, und
genau diese Nettigkeit Gottes ist eine zentrale Botschaft des Autors von Tagebuch eines frommen Chaoten.
Nett.
Wir scheuen
uns vor diesem Wort. Im Zusammenhang mit Tatsachen und Gegenständen, mit Kultur
und Sport hat es ja auch etwas sehr Minderndes. Ich will in einer Galerie keine
netten Bilder sehen, sondern kraftvolle und inspirierte, ich will auch kein
nettes Fussballspiel sehen, sondern eines, wo Tore fallen. Auf den Hinweis,
dass Froururd Hingam den Nobelpreis für Medizin erhält, kann man nicht «nett»
antworten, genauso wenig wie auf den Hinweis, dass Geribert Meier neuer Landrat
wird. Es gibt keine netten U-Bahn-Haltestellen und keine netten Flughäfen, es
gibt keine netten Sonaten und Sinfonien und es gibt keine netten Initiativen.
Aber beim
Menschen? Da finde ich es sehr angebracht, von netten Leuten zu reden. Warum
hat das Wort bei uns sofort den Beigeschmack von naiv, dumm, tapsig, den Geruch
von Teddy oder Murmeltier, warum denken wir bei einem netten Menschen an
jemand, der sich nicht durchsetzt und fast untergeht? Warum können wir uns
einen netten Künstler, Musiker oder Schriftsteller, einen netten Sportler oder
Politiker so schwer vorstellen?
Es gibt sie
nämlich.
Ich kann
jetzt nur von meinem Metier reden, der Musik, dort habe ich wirklich nette
Dirigenten und Solisten kennengelernt und die sind keine schlechteren
Interpreten wie andere. Wollen Sie ein paar Namen? Gut, ausnahmsweise kriegen
die sie auch:
Dieter
Schnebel. Sigiswald Kuyken. Isabell van Keulen. Frank Ollu. Thomas Meier.
Aber auch in
Regie und Schauspiel gibt es richtig nette Leute. Und auch bei den
Schriftstellerinnen und Schriftstellern und bei den Künstlerinnen und Künstlern.
Nette
Politiker kenne ich keine persönlich, aber auch sie muss es geben.
Werden Sie
also ein netter Mensch!
Auf dass Ihr
Ratespiel so ausgehe:
Moderator: Und unser nächster Gast, die Frau Gereber.
Welches No-ohni-Rüüssel-Elefäntli hätten Sie gerne?
Gast: (schönstes Lächeln) Das weisse, weiss ist so eine schöne Farbe.
Moderator: Und jetzt machen Sie noch eine Bewegung.
Gast: (einladende Hand- und Armbewegung)
Moderator: Und dran ist Reto.
Reto: Nein, Kurt hat erraten,
Simone ist dran.
Moderator: Richtig.
Simone: Also, Frau Hutter, Sie haben so schön
gesprochen und laden uns mit der Bewegung ein… sind Sie…ein…netter Mensch?
(Frenetischer Jubel bricht aus)
Geld kriegen so
keines, aber nette Menschen brauchen kein Geld.
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