Donnerstag, 27. September 2018

Special Persönlichkeit (7/Quintessenz): Werden Sie ein netter Mensch!


Am Ende unserer Persönlichkeits-Specials (das mit 7 Folgen immerhin mein längstes Special wurde), kommt nun der ultimative, der endgültige, kommt der durchschlagende und leuchtende Tipp zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit:

Werden Sie ein netter Mensch.

Nein, ich meine das völlig ernst: Werden Sie ein netter Mensch, denn nette Menschen gibt es viel zu wenig auf dieser Welt. Nettigkeit – und hier kann der Autor auch klammheimlich noch einmal die Stichworte der letzten Wochen wiederholen – schlägt alle Begriffe und Einteilungen.
Wenn Sie mir ins Gesicht husten oder in meiner Gegenwart in sich an den Genitalien kratzen, wenn Sie mir hässliche Dinge wie F*Y* oder A… an den Kopf werfen, wenn Sie sich vordrängeln und mich zur Seite schubsen, dann mag das authentisch sein, nett ist das nicht.
Und wenn ein Politiker sein Volk in die Zukunft führt und dabei halt ein wenig rau vorgehen muss, weil ein paar Hansel nicht an seine Ideen glauben, wenn er flammende Reden hält und überspitzte Parolen herausgibt, dann mag er Charisma haben, aber ein netter Mensch ist er nicht.
Und auch wenn er das Gewisse Etwas hat und sich nach Colour-Me-Beautiful kleidet, wenn ihm die Nettigkeit fehlt, dann beobachten wir den Menschen von weitem und sagen: «Alle Achtung», aber wir gehen ihm aus dem Weg.
Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit Sternzeichen, selbst nach dem Molwanischen Horoskop besteht für Quallen, Kakerlaken und Tse-Tse-Fliegen eine Möglichkeit auf Veränderung.

Nett.
Wir haben dieses Wort völlig disqualifiziert. Als der christliche Satiriker und evangelikale Nestbeschmutzer, der hochumstrittene Adrian Plass eine Lesereise durch die Schweiz machte, bemerkte er erst nach sechs Lesungen, dass sein Übersetzer einen Satz stets falsch wiedergab: Plass hatte immer «God is nice» gesagt, was der andere als «Gott ist gut» statt «Gott ist nett» übersetzte, und genau diese Nettigkeit Gottes ist eine zentrale Botschaft des Autors von Tagebuch eines frommen Chaoten.
Nett.
Wir scheuen uns vor diesem Wort. Im Zusammenhang mit Tatsachen und Gegenständen, mit Kultur und Sport hat es ja auch etwas sehr Minderndes. Ich will in einer Galerie keine netten Bilder sehen, sondern kraftvolle und inspirierte, ich will auch kein nettes Fussballspiel sehen, sondern eines, wo Tore fallen. Auf den Hinweis, dass Froururd Hingam den Nobelpreis für Medizin erhält, kann man nicht «nett» antworten, genauso wenig wie auf den Hinweis, dass Geribert Meier neuer Landrat wird. Es gibt keine netten U-Bahn-Haltestellen und keine netten Flughäfen, es gibt keine netten Sonaten und Sinfonien und es gibt keine netten Initiativen.

Aber beim Menschen? Da finde ich es sehr angebracht, von netten Leuten zu reden. Warum hat das Wort bei uns sofort den Beigeschmack von naiv, dumm, tapsig, den Geruch von Teddy oder Murmeltier, warum denken wir bei einem netten Menschen an jemand, der sich nicht durchsetzt und fast untergeht? Warum können wir uns einen netten Künstler, Musiker oder Schriftsteller, einen netten Sportler oder Politiker so schwer vorstellen?
Es gibt sie nämlich.
Ich kann jetzt nur von meinem Metier reden, der Musik, dort habe ich wirklich nette Dirigenten und Solisten kennengelernt und die sind keine schlechteren Interpreten wie andere. Wollen Sie ein paar Namen? Gut, ausnahmsweise kriegen die sie auch:
Dieter Schnebel. Sigiswald Kuyken. Isabell van Keulen. Frank Ollu. Thomas Meier.
Aber auch in Regie und Schauspiel gibt es richtig nette Leute. Und auch bei den Schriftstellerinnen und Schriftstellern und bei den Künstlerinnen und Künstlern.
Nette Politiker kenne ich keine persönlich, aber auch sie muss es geben.

Werden Sie also ein netter Mensch!
Auf dass Ihr Ratespiel so ausgehe:

Moderator:        Und unser nächster Gast, die Frau Gereber. Welches No-ohni-Rüüssel-Elefäntli hätten Sie gerne?
Gast:                     (schönstes Lächeln) Das weisse, weiss ist so eine schöne Farbe.
Moderator:        Und jetzt machen Sie noch eine Bewegung.
Gast:                     (einladende Hand- und Armbewegung)
Moderator:        Und dran ist Reto.
Reto:                    Nein, Kurt hat erraten, Simone ist dran.
Moderator:        Richtig.
Simone:               Also, Frau Hutter, Sie haben so schön gesprochen und laden uns mit der Bewegung ein… sind Sie…ein…netter Mensch?
(Frenetischer Jubel bricht aus)

Geld kriegen so keines, aber nette Menschen brauchen kein Geld.


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