Als mein
Gemüsehändler Remo Dudli letztes Jahr erkrankte, übernahm seine Mitarbeiterin
Sara Vondrüben ad Interim die Leitung des Geschäftes. Und da die Krankheit sich
hinzog, führte sie insgesamt ein Jahr den Laden. Hatte man zunächst Bedenken,
entpuppte sich dieses Interim als wahrer Segen. Man hatte immer schon
gemunkelt, dass Vondrüben eigentlich besser Bescheid wusste, an Termine früher
dachte, die Ware besser kontrollierte, dass sie freundlicher zu den Kunden und
strenger zu den Lieferanten war als der Chef selbst. Und nun merkte man, dass
das die Wahrheit war: Es war für Sara Vondrüben so viel leichter, die
Stromrechnung gleich zu bezahlen, als Dudli dreimal daran zu erinnern, und das
in einem Tonfall, der Dudli nicht ständig vor Augen führte, dass er nichts im
Griff hatte: «Remo, ohne etwas sagen zu wollen, denkst du dran, dass…» Es war
für Frau Vondrüben auch einfacher, offen durch die Bestände zu gehen als
heimlich, es war einfacher, nett zu den Kunden zu sein, wenn kein Miesgram im
Laden war und es war einfacher, die Lieferanten zu massregeln, wenn man mit
ihnen keinen Schnaps trank.
Es lebe das
Interim!
Als in
Buxtehude am Klinikum Dr. Hubelbröd, der Chefarzt der Neurologie, im Herbst
2013 ausfiel und Oberärztin Dr. Helene Sankter das Amt für ein Jahr
kommissarisch übernahm, wurde auch diese Frist zu einer glücklichen. Hubelbröd,
der mehr Zeit auf dem Golfplatz als im Spital verbracht hatte, hatte längst den
Überblick über die 80 Betten und zwei OPs verloren, und Sankter konnte endlich
schalten und walten wie sie wollte. In die Zeit ihres kommissarischen Amtens
fiel dann die Neustrukturierung der Dienstpläne, die (seit 2003 angedachte)
Anschaffung eines dritten Computertomographen, die Entlassung des grapschenden
Oberpflegers Brummel, ebenso die Durchsetzung der Hygieneverordnung und die
Installation eines (diesmal funktionierenden) W-Lan.
Es lebe die
kommissarische Phase!
Gut, werden
die, die mich kennen, nun sagen: Du lobst dich damit auch selber. Immerhin
warst du 2016/2017 auch Interimsleiter, kommissarischer Chef eines Basler
Knabenchores. Und das hat ja auch ganz gut funktioniert.
Und ich sage
dazu:
Und wenn
schon.
Lobe ich
mich halt auch selber.
Denn:
Es lebe das
Interim!
Es lebe die
kommissarische Phase!
Darum mache
ich der BRD hier einen brauchbaren Vorschlag: Lasst doch die ganze
GroKo-Geschichte, lasst doch die ganze Herumrederei und Herumverhandelerei,
lasst doch die ganzen Pläne und Vorhaben. Das einzig Wahre wäre jetzt: Alle
Ministerinnen und Minister bleiben bis 2020 im Amt, ad Interim, kommissarisch.
Dann gibt es um ein Jahr vorgezogene Neuwahlen. Abgesehen davon, dass Ministerinnen
und Minister sowieso vom Tagesgeschäft keine Ahnung haben, die Fachleute sind
die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, abgesehen davon, dass schon der
eigene Schulbesuch zum Bildungsministerium, der eigene Arztbesuch zum
Gesundheitsministerium und die Führung einer eigenen Haushaltskasse zum
Finanzministerium zu berechtigen scheinen, abgesehen davon, dass die wahre
Arbeit sowieso von den unteren Chargen gemacht wird, bisher läuft doch alles
gut, oder?
Nehmen wir
doch einmal das Aussenministerium, da hat sich der Herr Gabriel doch gut
eingearbeitet, hat Kontakte geknüpft, hat sich einen gewissen Ruf erworben, hat
neulich auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine schöne Rede gehalten (die er
nicht selber schrieb, siehe oben, aber was soll’s) und nun will man den einfach
in Rente schicken?
Nein.
Lasst die
ganze GroKolerei und macht schön interimsmässig, kommissarisch weiter.
Ist viel
besser.
Als Remo
Dudli nach 10 Monaten in seinen Gemüseladen zurückkehrte, war dieser so gut in
Schuss, dass er einige (wenn nicht sogar alle) Dinge, die Vondrüben eingeführt
hatte, übernahm. Zum Beispiel das Aufschreiben von Rechnungsterminen. Und
seinen Schnaps – nun wissen Sie auch, worin die Erkrankung bestand – trank er
zwar immer noch, aber nicht mehr mit den Lieferanten.
Dr.
Hubelbröd stiess am ersten Tag, an dem er wieder durch die Gänge der Neurologie
schritt, auf das CT-Gerät und fragte Sankter erstaunt, wie sie das geschafft
habe. «Ich habe die Mail an die Klinikleitung, die seit zehn Jahren im Ausgang
von Outlook hing, einfach abgeschickt.» So ihre etwas kesse Antwort.
Und bei
jenem Knabenchor? Fragen Sie doch meinen Chef – der nicht der alte, sondern ein
neuer war.
Also: Keine
GroKo! Lasst alle im Amt und wählt 2020 neu!
Es lebe das
Interim!
Es lebe die kommissarische
Phase!
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