Dienstag, 31. Oktober 2017

Mauer die Zweite: Man wird schiessen müssen



Sie kennen sicher das nette Lied vom Donaustrand?
Nein, ich meine nicht das Lumpenlied, das wir als Teenager sangen ("Ich ging einst am Strande der Donau entlang…"), das ist sexistisch, frauenverachtend und gewaltverherrlichend, nein, ich meine das entzückende Liedchen aus den Liebesliederwalzern von Johannes Brahms:

Am Donaustrande,
da steht ein Haus,
da schaut ein rosiges
Mädchen aus.

Das Mädchen,
es ist wohl gut gehegt,
zehn eiserne Riegel
sind vor die Türe gelegt.

Zehn eiserne Riegel
das ist ein Spaß;
die spreng ich
als wären sie nur von Glas.

Der Text zeigt uns die folgenden Dinge:
Es gab schon immer Riegel und Schlösser, es gab schon immer Mauern und Zäune, es wurde schon immer abgeschlossen, weggesperrt, es wurde schon immer ausgeschlossen und versucht, Leute abzuhalten.
Und schon immer hatten Türen und Riegel, hatten Mauern, Hecken, Zäune und Gatter, hatten Absperrungen und Wegsperrungen einen unglaublichen Reiz, diese zu überwinden.
Ja, und auch schon immer machte es einen fast perversen Spass, genau dies zu tun.

Im 19. Jahrhundert war es üblich, seine Töchter, wenn sie ins rollige Alter kamen, einfach im Zimmer einzusperren. Und Hunderte von Töchtern überwanden dieses, indem sie einfach aus dem Fenster stiegen, um dann in Parks, Gärten und Wäldern genau das zu tun, wovor sich Mama und Papa so ängstigten. Ja, eigentlich viel mehr, denn wenn der junge Mann ins Haus gedurft hätte, wäre es vielleicht nur ein Küsschen gewesen, aber nun, wenn man schon das Spalier hinabgeklettert war, dann musste es sich doch nun wirklich auch lohnen, dann kam man schon wirklich zur Sache.
Wenn die Zeitungen verkünden, dass der «Blaue Turban», der im Museum ausgestellt wird, nicht nur eine der teuersten Juwelen aller Zeiten ist, sondern auch eine der bestgesichertsten (sic) aller Zeiten, dann sitzen auf der ganzen Welt 3000 Banden und überlegen: «Das muss doch zu knacken sein». Die Filme Ocean’s 11, Ocean’s 12 und Ocean’s 13 handeln vom herrlichen Klamauk, vom Heidenspass, den ein solcher Coup bereitet.
Wenn eine Party der Oberschicht, eine Feier der Hautevolee, wenn ein Geburtstag oder eine Hochzeit der High Society aufs Allermöglichste abgeschirmt wird, abgeschirmt vor Partycrashern, vor Paparazzi, wenn man versucht, allen Pöbel, allen Plebs, alles Volk und vor allem die gesamte Journaille draussen zu halten, versuchen Tausende, in eben diese heiligen Hallen einzudringen, in denen die Verlobung des Grossministersohns, der Geburtstag der Königin, in denen die Goldene Hochzeit des reichsten Bürgers stattfindet. Da werden Butler bestochen und Karten gefälscht, da wird durchs Dach eingestiegen und durch den Kamin geklettert, da werden alle Hebel und alle Register gezogen. (Wir haben in Basel übrigens einen solchen Helden, der es auf jede Einladung schafft: Den Augenklappenmenschen.)

Was sagt uns das jetzt bezüglich unseres armen Mannes vom letzten Post?
Die Mauer wird nichts nützen. Wie weiland die Jungfrauen, wie stets die Museumsdiebe, wie oft die Partycrasher werden die Mexikaner versuchen, über die Mauer zu kommen. Oder besser noch darunter durch. Und so müssten wir unser Lied ein wenig umschreiben, da reimt sich dann sogar noch «Rio Grande» auf «Strande» und «Mauer» auf «Lauer», und dann kommen wir auf ein nettes anderes Liedchen:

An dem Strand
Vom Rio Grand’
Da steht ein Mexikaner
An der Mauer
Auf der Lauer
Da steht ein Mexikaner
Seht den Mexikaner an
Wie der Mexikaner graben kann
An dem Strand und auf der Lauer
Steht ein Mexikaner

Und nun müssen wir der traurigen Wahrheit ins Auge sehen: Da keine Mauer wirklich aufhalten wird, muss Trump – jetzt wollen wir den hässlichen Namen doch einmal in den Mund nehmen – aufs Schiessen zurückgreifen. Es muss ein Schiessbefehl erteilt werden, ähnlich dem an der innerdeutschen Grenze, anders werden wir der Sache nicht Herr. Nur im Unterschied zur Grenzlinie BRD/DDR müssen hier keine armen Wehrpflichtigen, keine armen jungen Kerle verdonnert werden, man muss den Bürgern der USA nur ein bisschen freie Hand lassen. Die schiessen nämlich eh gerne, sie schiessen auf alles, was sich in der Wüste auf sie zubewegt, sie knallen auf Kojoten, Klapperschlangen und Präriehunde, sie knallen auf ihre Nachbarn und ihre Frauen, sie ballern auf Fremde und Touristen, geschützt und verteidigt und geheiligt von der NRA, die in den USA so ungefähr den Status des Vatikans hat, und jetzt dürfen sie mit dem Segen von Washington eben auf die Menschen schiessen, die versuchen, die Mauer zu überwinden.  

Es gab schon immer Riegel und Schlösser, es wurde schon immer weggesperrt, abgeschlossen, es wurde schon immer versucht jemand abzuhalten.
Und schon immer hatten Türen und Mauern, hatten Riegel, Zäune und Gatter, hatten Absperrungen und Wegsperrungen einen unglaublichen Reiz diese zu überwinden.
Ja, und auch schon immer machte es einen fast perversen Spass, genau dies zu tun.

Und diesen Spass muss man austreiben.
Annie, get your gun.

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