Sie kennen
sicher das nette Lied vom Donaustrand?
Nein, ich
meine nicht das Lumpenlied, das wir als Teenager sangen ("Ich ging einst am
Strande der Donau entlang…"), das ist sexistisch, frauenverachtend und
gewaltverherrlichend, nein, ich meine das entzückende Liedchen aus den
Liebesliederwalzern von Johannes Brahms:
Am Donaustrande,
da steht ein Haus,
da schaut ein rosiges
Mädchen aus.
Das Mädchen,
es ist wohl gut gehegt,
zehn eiserne Riegel
sind vor die Türe gelegt.
Zehn eiserne Riegel
das ist ein Spaß;
die spreng ich
als wären sie nur von Glas.
Der Text
zeigt uns die folgenden Dinge:
Es gab schon
immer Riegel und Schlösser, es gab schon immer Mauern und Zäune, es wurde schon
immer abgeschlossen, weggesperrt, es wurde schon immer ausgeschlossen und
versucht, Leute abzuhalten.
Und schon
immer hatten Türen und Riegel, hatten Mauern, Hecken, Zäune und Gatter, hatten
Absperrungen und Wegsperrungen einen unglaublichen Reiz, diese zu überwinden.
Ja, und auch
schon immer machte es einen fast perversen Spass, genau dies zu tun.
Im 19.
Jahrhundert war es üblich, seine Töchter, wenn sie ins rollige Alter kamen,
einfach im Zimmer einzusperren. Und Hunderte von Töchtern überwanden dieses,
indem sie einfach aus dem Fenster stiegen, um dann in Parks, Gärten und Wäldern
genau das zu tun, wovor sich Mama und Papa so ängstigten. Ja, eigentlich viel
mehr, denn wenn der junge Mann ins Haus gedurft hätte, wäre es vielleicht nur
ein Küsschen gewesen, aber nun, wenn man schon das Spalier hinabgeklettert war,
dann musste es sich doch nun wirklich auch lohnen, dann kam man schon wirklich
zur Sache.
Wenn die
Zeitungen verkünden, dass der «Blaue Turban», der im Museum ausgestellt wird,
nicht nur eine der teuersten Juwelen aller Zeiten ist, sondern auch eine der
bestgesichertsten (sic) aller Zeiten, dann sitzen auf der ganzen Welt 3000
Banden und überlegen: «Das muss doch zu knacken sein». Die Filme Ocean’s 11,
Ocean’s 12 und Ocean’s 13 handeln vom herrlichen Klamauk, vom Heidenspass, den
ein solcher Coup bereitet.
Wenn eine
Party der Oberschicht, eine Feier der Hautevolee, wenn ein Geburtstag oder eine
Hochzeit der High Society aufs Allermöglichste abgeschirmt wird, abgeschirmt
vor Partycrashern, vor Paparazzi, wenn man versucht, allen Pöbel, allen Plebs,
alles Volk und vor allem die gesamte Journaille draussen zu halten, versuchen
Tausende, in eben diese heiligen Hallen einzudringen, in denen die Verlobung
des Grossministersohns, der Geburtstag der Königin, in denen die Goldene
Hochzeit des reichsten Bürgers stattfindet. Da werden Butler bestochen und
Karten gefälscht, da wird durchs Dach eingestiegen und durch den Kamin
geklettert, da werden alle Hebel und alle Register gezogen. (Wir haben in Basel
übrigens einen solchen Helden, der es auf jede Einladung schafft: Den
Augenklappenmenschen.)
Was sagt uns
das jetzt bezüglich unseres armen Mannes vom letzten Post?
Die Mauer
wird nichts nützen. Wie weiland die Jungfrauen, wie stets die Museumsdiebe, wie
oft die Partycrasher werden die Mexikaner versuchen, über die Mauer zu kommen.
Oder besser noch darunter durch. Und so müssten wir unser Lied ein wenig umschreiben,
da reimt sich dann sogar noch «Rio Grande» auf «Strande» und «Mauer» auf
«Lauer», und dann kommen wir auf ein nettes anderes Liedchen:
An dem Strand
Vom Rio Grand’
Da steht ein Mexikaner
An der Mauer
Auf der Lauer
Da steht ein Mexikaner
Seht den Mexikaner an
Wie der Mexikaner graben kann
An dem Strand und auf der Lauer
Steht ein Mexikaner
Und nun
müssen wir der traurigen Wahrheit ins Auge sehen: Da keine Mauer wirklich
aufhalten wird, muss Trump – jetzt wollen wir den hässlichen Namen doch einmal
in den Mund nehmen – aufs Schiessen zurückgreifen. Es muss ein Schiessbefehl
erteilt werden, ähnlich dem an der innerdeutschen Grenze, anders werden wir der
Sache nicht Herr. Nur im Unterschied zur Grenzlinie BRD/DDR müssen hier keine
armen Wehrpflichtigen, keine armen jungen Kerle verdonnert werden, man muss den
Bürgern der USA nur ein bisschen freie Hand lassen. Die schiessen nämlich eh
gerne, sie schiessen auf alles, was sich in der Wüste auf sie zubewegt, sie
knallen auf Kojoten, Klapperschlangen und Präriehunde, sie knallen auf ihre
Nachbarn und ihre Frauen, sie ballern auf Fremde und Touristen, geschützt und
verteidigt und geheiligt von der NRA, die in den USA so ungefähr den Status des
Vatikans hat, und jetzt dürfen sie mit dem Segen von Washington eben auf die
Menschen schiessen, die versuchen, die Mauer zu überwinden.
Es gab schon
immer Riegel und Schlösser, es wurde schon immer weggesperrt, abgeschlossen, es
wurde schon immer versucht jemand abzuhalten.
Und schon
immer hatten Türen und Mauern, hatten Riegel, Zäune und Gatter, hatten
Absperrungen und Wegsperrungen einen unglaublichen Reiz diese zu überwinden.
Ja, und auch
schon immer machte es einen fast perversen Spass, genau dies zu tun.
Und diesen
Spass muss man austreiben.
Annie, get
your gun.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen