Freitag, 20. Oktober 2017

Vom Unsinn von Reiseprospekten



Da ich eine Reise nach Atschenberg machen möchte, bin ich sehr froh, dass mir die Tourist Information des kleinen mittelalterlichen Städtchens im westlichen Dauperland eine Broschüre per Mail zuschickt. Als ich allerdings das Dokument öffne, bin ich ein wenig verdutzt:

Das Atschenberg-ABC

A wie Atschenberg:
Herzlich willkommen in Atschenberg im Dauperland, unserer schönen Heimat, die wunderbare Erholungsmöglichkeiten bietet und einige schöne Baudenkmäler hat.
B wie Baudenkmäler:
Es hat einige schöne Baudenkmäler in Atschenberg, darunter die Epiphanias- und die Franziskuskirche.
C wie Christliche Gottesdienste
Finden in der Epiphanias- und der Franziskuskirche statt.
D wie Dauperland:
Das Dauperland bietet Erholungsmöglichkeiten, z.B. in Atschenberg, Juxen oder Ibbelheim.
E wie Epiphaniaskirche
Dort finden Gottesdienste statt und sie ist auch ein wichtiges Baudenkmal.
F wie Franziskuskirche
Dort finden Gottesdienste statt und sie ist auch ein wichtiges Baudenkmal.
G wie Gottesdienste
Finden in der Epiphanias- und der Franziskuskirche statt.
H wie Heimat
Atschenberg ist unsere schöne Heimat, die wunderbare Erholungsmöglichkeiten bietet und einige schöne Baudenkmäler hat.
I wie Ibbelheim
Ibbelheim liegt im Dauperland und ist die Nachbarstadt von Atschenberg.

Muss ich weitermachen? Muss ich noch zu den Buchstaben J – Z kommen? Ist Ihnen nicht klar, dass unter J natürlich Juxen erwähnt wird und unter K die beiden Kirchen? Wollen Sie das ganze Teil wirklich haben? Gut, ich schicke es Ihnen per Mail.

Ich jedenfalls entschied mich dafür, lieber mein Glück in Juxen zu versuchen. Von dort erhielt ich eine PDF-Broschüre per Mail, die im Stil eines Tagebuches gehalten war:

8.45                 Ankunft am Bahnhof mit dem RE 45 von Daupern
9.00                 Frühstück im Café Topos (Spezialität: Karottencroissants)
10.00               Rundgang durch die Altstadt (Rathaus, Stadtkirche St. Liebold, Neptunsbrunnen, Kramergasse und Dauperbrücke)
12.10               Mittagessen im «Silbernen Schwan» (Spezialität: Lammbraten mit Erdnussgnocchi)
14.15               Hotelbezug im «Juxener Hof»
15.00               Besuch des Museums für Neue Künste (Schwerpunkt Pop-Art, Richter und Japanische Videokunst)
16.40               Eine Runde Golf auf dem herrlichen Platz an der Dauper
Muss ich weitermachen? Wohl kaum. Immerhin sagte die Broschüre ja eine gewisse Anzahl von Dingen aus. Aber eben nur eine gewisse Anzahl. Was, wenn ich keine Karottengipfeli im Café Topos frühstücken will und kein Lamm im Schwanen? Was, wenn ich ein anderes Museum besuchen will – obwohl die Schwerpunkte sehr verlockend klingen? Was, wenn ich nicht im Juxener Hof logieren will? Und was soll ich mit einem Golfplatz? Ich brauche für meinen sportlichen Nachmittagsausklang ein Hallenbad. Hat es ein solches? Wann hat es geöffnet?

Ich kann mir gut vorstellen, wie solcher Schwachsinn entsteht. Da sitzen die Verantwortlichen des Tourismus-Amtes bei der Besprechung für eine neue Werbebroschüre, einen neuen Flyer und hirnen sich die Schädel wund. Nicht so langweilig-normal, nicht so standardmässig wie alle anderen Dauperlandgemeinden, hat der Bürgermeister gesagt, etwas Neues, Spritziges, und dann brainstormt man eine Weile und kommt auf solch zündende Ideen. Ich habe über die Gefahren des Gehirnsturmes ja neulich schon geschrieben. Was man über all dem Neuen und Kreativen vergisst, ist, erst einmal aufzuschreiben, was alles in eine solche Broschüre hineinmuss.
Form follows function.
Sollte die Devise sein. Und die Funktion wäre hier, über möglichst viele Bauten, Hotels, Restaurants, über möglichst viele Sportstätten und Erholungsangebote, über möglichst alle Museen und Galerien zu informieren.
Aber nein. Man wählt eine Form, stürzt sich hinein und erleidet Schiffbruch. Und das nur, weil der blöde Gemeindechef sagte, er wolle etwas Witziges, Originelles.

Natürlich habe ich mir dann auch noch die PDF-Datei mit der Werbung von Ibbelheim zusenden lassen.

Es war ein Gedicht.
Mit 8 Strophen á 4 Versen.
Vierhebiger Jambus mit Paarreim.
(In Ibbelheim im Dauperland
 Da steht manch’ alte, schöne Wand…)

Information gab es keine.  


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen