Dienstag, 17. Oktober 2017

Von Goldeseln und Kirchenmäusen



Ich habe im letzten (oder war es der vorletzte oder der vorvorletzte?) Post den Kantonswechsel von Moutier (von Bern zum Jura) erwähnt. So ein Kantonswechsel ist ein lustiges Spiel und verläuft in vier Schritten:
1)      Die Gemeinde(n) stimmt/stimmen ab, ob sie ihren Kanton verlassen und zu einem anderen überlaufen wollen. Der Plural ist wichtig, weil manche Täler gemeinsam entscheiden müssen, damit keine Enklave entsteht.
2)      Der Kanton, der abgibt, stimmt ab, ob man die Treulosen ziehen lassen will.
3)      Der begehrte Kanton stimmt ab, ob man die Typen überhaupt will.
4)      Der Nationalrat bestätigt (oder auch nicht) die Änderung in der Schweizkarte.
Bei jedem Schritt kann das Vorhaben scheitern, man kann in der eigenen Stadt die Mehrheit verfehlen, der Abgebekanton kann einen nicht loslassen, der heissbegehrte Nachbar kann einen gar nicht wollen und am Ende könnte noch (Bundes-)Bern bösartig bocken.
Moutier hat wahrscheinlich Glück. Die Abstimmung wurde mit einer nie geahnten Heftigkeit geführt und brachte eine knappe Mehrheit für den Wechsel. Nun ist der Kanton Bern an der Reihe und wahrscheinlich werden sie die Gemeinde im Berner Jura ziehen lassen, zu lange schwelt das schon, zu lange wird da diskutiert und gestritten, zu lange hat man sich über die Querulanten Gedanken machen müssen. Die Aufnahme ist bei Jurassiern gesetzte Sache, man hat Moutier quasi schon willkommen geheissen. Und Bundesbern wird auch sicher nicht querschiessen.

Woran liegt das?
Moutier hat die idealen Kantonswechselvoraussetzungen: Es ist mittelreich und mittelpotent. Anders formuliert: Moutier ist im Kanton Bern eine Na-Ja-Gemeinde, im bettelarmen Jura wird es aber ein Schmuckstück sein.
Bei einer anderen Konstellation würde es entweder an Schritt 2 oder Schritt 3 scheitern. Wenn Mimpflingen, das sich in den letzten fünf Jahren ein riesengrosses Gewerbegebiet (vor allem Pharma und Hightech) aufgebaut hat, vom Thurgau nach St. Gallen will, dann wird man eine Stadt mit 50 Millionen Gewerbesteuer sicher nicht ziehen lassen. Wenn aber Gumpf, das eigentlich nur aus fünf Bauernhöfen besteht, die alle hochverschuldet sind, vom Aargau zu Luzern wechseln wollte, käme es zum peinlichsten Szenario; die Luzerner würden mit grosser Mehrheit sagen: Was wollen wir mit fünf Höfen, die ein paar Schweine, eine paar Kühe, mit Höfen, die Mais, Kartoffeln und Obst, aber auch 3 Millionen Schulden einbringen? Nix.

Drum prüfe, wer sich ewig trennt,
Ob er auch schon was Bess’res kennt.
(frei nach Schiller)  

Und das ist ja auch das generelle Problem bei all den Ein- und Austritten, bei all der Wechselerei, das Problem bei all diesen Unabhängigkeitswünschen: Es geht nur ums Geld. Arme Regionen, Länder und Nationen wollen in eine reiche Gemeinschaft, reiche Länder, Regionen und Nationen wollen eher weg. Man lässt aber die Goldesel ungerne ziehen und die Kirchenmäuse nimmt man nicht gerne auf. Die Kirchenmäuse würde man am liebsten loswerden und die Goldesel der Nachbarschaft gerne integrieren.
Wo liegt das Problem mit der Separatisterei von Katalanien? Sie sind wirtschaftlich relativ gut aufgestellt, so einen Teilstaat lässt man ungerne ziehen. Was ist das Problem mit den Schotten? Auch den Schotten geht es finanziell nicht so schlecht, wären sie alles Sozialhilfefälle, wären sie längst draussen. Bei armen Regionen dreht sich der Spiess um: Die Basilicata, deren Felder trockener als die Apuliens sind, als «Ausgleich» dafür aber keine nennenswerte Badeküste besitzt, ja die würde man sofort in die Unabhängigkeit entlassen. Aber die Leute dort wollen genau das eben nicht. 


So müssen wir auch unseren Schiller umtexten:

Drum prüfe, wer sich ewig bindet
Ob er (sie) nicht ‘ne(n) Reich’re(n) findet
Drum prüfe, wer sich ewig trennt,
ob er (sie) schon ‘ne(n) Reich’re(n) kennt

Moutier wird Glück haben, denn es ist ideal. Eine Kirchenmaus für Bern und ein Goldesel für den Jura. Und der Nationalrat wird auch nichts dagegen haben. So glatt läuft es selten in Europa.   
   
  

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