Ich habe im
letzten (oder war es der vorletzte oder der vorvorletzte?) Post den
Kantonswechsel von Moutier (von Bern zum Jura) erwähnt. So ein Kantonswechsel
ist ein lustiges Spiel und verläuft in vier Schritten:
1)
Die Gemeinde(n) stimmt/stimmen ab, ob sie ihren
Kanton verlassen und zu einem anderen überlaufen wollen. Der Plural ist
wichtig, weil manche Täler gemeinsam entscheiden müssen, damit keine Enklave
entsteht.
2)
Der Kanton, der abgibt, stimmt ab, ob man die
Treulosen ziehen lassen will.
3)
Der begehrte Kanton stimmt ab, ob man die Typen
überhaupt will.
4)
Der Nationalrat bestätigt (oder auch nicht) die
Änderung in der Schweizkarte.
Bei jedem
Schritt kann das Vorhaben scheitern, man kann in der eigenen Stadt die Mehrheit
verfehlen, der Abgebekanton kann einen nicht loslassen, der heissbegehrte
Nachbar kann einen gar nicht wollen und am Ende könnte noch (Bundes-)Bern
bösartig bocken.
Moutier hat
wahrscheinlich Glück. Die Abstimmung wurde mit einer nie geahnten Heftigkeit
geführt und brachte eine knappe Mehrheit für den Wechsel. Nun ist der Kanton
Bern an der Reihe und wahrscheinlich werden sie die Gemeinde im Berner Jura ziehen
lassen, zu lange schwelt das schon, zu lange wird da diskutiert und gestritten,
zu lange hat man sich über die Querulanten Gedanken machen müssen. Die Aufnahme
ist bei Jurassiern gesetzte Sache, man hat Moutier quasi schon willkommen
geheissen. Und Bundesbern wird auch sicher nicht querschiessen.
Woran liegt
das?
Moutier hat
die idealen Kantonswechselvoraussetzungen: Es ist mittelreich und mittelpotent.
Anders formuliert: Moutier ist im Kanton Bern eine Na-Ja-Gemeinde, im
bettelarmen Jura wird es aber ein Schmuckstück sein.
Bei einer
anderen Konstellation würde es entweder an Schritt 2 oder Schritt 3 scheitern.
Wenn Mimpflingen, das sich in den letzten fünf Jahren ein riesengrosses
Gewerbegebiet (vor allem Pharma und Hightech) aufgebaut hat, vom Thurgau nach
St. Gallen will, dann wird man eine Stadt mit 50 Millionen Gewerbesteuer sicher
nicht ziehen lassen. Wenn aber Gumpf, das eigentlich nur aus fünf Bauernhöfen
besteht, die alle hochverschuldet sind, vom Aargau zu Luzern wechseln wollte,
käme es zum peinlichsten Szenario; die Luzerner würden mit grosser Mehrheit
sagen: Was wollen wir mit fünf Höfen, die ein paar Schweine, eine paar Kühe,
mit Höfen, die Mais, Kartoffeln und Obst, aber auch 3 Millionen Schulden
einbringen? Nix.
Drum prüfe, wer sich ewig trennt,
Ob er auch schon was Bess’res kennt.
(frei nach
Schiller)
Und das ist
ja auch das generelle Problem bei all den Ein- und Austritten, bei all der
Wechselerei, das Problem bei all diesen Unabhängigkeitswünschen: Es geht nur
ums Geld. Arme Regionen, Länder und Nationen wollen in eine reiche
Gemeinschaft, reiche Länder, Regionen und Nationen wollen eher weg. Man lässt
aber die Goldesel ungerne ziehen und die Kirchenmäuse nimmt man nicht gerne
auf. Die Kirchenmäuse würde man am liebsten loswerden und die Goldesel der
Nachbarschaft gerne integrieren.
Wo liegt das
Problem mit der Separatisterei von Katalanien? Sie sind wirtschaftlich relativ
gut aufgestellt, so einen Teilstaat lässt man ungerne ziehen. Was ist das
Problem mit den Schotten? Auch den Schotten geht es finanziell nicht so
schlecht, wären sie alles Sozialhilfefälle, wären sie längst draussen. Bei
armen Regionen dreht sich der Spiess um: Die Basilicata, deren Felder trockener
als die Apuliens sind, als «Ausgleich» dafür aber keine nennenswerte Badeküste
besitzt, ja die würde man sofort in die Unabhängigkeit entlassen. Aber die
Leute dort wollen genau das eben nicht.
So müssen
wir auch unseren Schiller umtexten:
Drum prüfe,
wer sich ewig bindet
Ob er (sie)
nicht ‘ne(n) Reich’re(n) findet
Drum prüfe,
wer sich ewig trennt,
ob er (sie)
schon ‘ne(n) Reich’re(n) kennt
Moutier wird
Glück haben, denn es ist ideal. Eine Kirchenmaus für Bern und ein Goldesel für
den Jura. Und der Nationalrat wird auch nichts dagegen haben. So glatt läuft es
selten in Europa.
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