Dienstag, 17. Januar 2017

Guter Vorsatz 3: (für den deutschen Einzelhandel) MEHR WECHSELGELD


Die Verkäuferin am Bäckerstand im HBF Köln blickt angewidert, ja angeekelt auf den 50 Euro-Schein, den ich ihr entgegenhalte. So als läge da etwas total Widerliches, Schleimiges, etwas Schlimmes und Böses vor ihr auf der Theke. Sofort zucke ich zusammen. Ist der Schein vielleicht nicht ganz sauber? Klebt irgendetwas Schleimiges, Ekliges an ihm? Oder habe ich aus Versehen ein anderes Papier aus meiner Brieftasche gezückt? Ein Pornobild vielleicht? Nein, das trage ich nicht mit mir herum. Oder einen Zettel, auf dem «f*** dich, du schl****» steht? Habe ich eigentlich auch nie im Portemonnaie. Warum guckt sie dann so? Aber allmählich dämmert es mir. Ich schaue sie an und sehe, wie sie ihren Mund öffnet, aus dem dann die erwarteten und hässlichen Worte fallen:

«Haben Sie es nicht kleiner?»

Es gehört zu den Grundsätzen im deutschen Einzelhandel, nie genug Wechselgeld in der Kasse zu haben. Ja, vermutlich lernen schon die Azubis, dass es etwas Anstössiges und Ungehöriges ist, mehr als eine kleine Auswahl, mehr als einen petit choix an Münzen und kleineren Scheinen bereitzuhalten. Ich nehme sogar an, dass «Wieviel Wechselgeld halten Sie bereit?» eine der Prüfungsfragen für das Kaufmenschdiplom ist; die richtige Antwort lautet natürlich: «Das hängt davon ab, auf jeden Fall nie genug.»

«Haben Sie es nicht kleiner?»

Wo läge das Problem, einfach je 30 Münzen a 10c, 20c und 50c, a 1€ und 2€ und dazu je 40  5-, 10- und 20-Noten parat zu haben? Alle Antworten sind nichts als getarnte Ausreden. Das Überfallrisiko auf einen Bäckereistand am HBF Köln ist – so vermute ich, ohne die Statistik zu kennen – doch relativ gering, anders als bei Taxifahrern nachts um 3.30, denen verzeihe ich es auch, wenn sie wirklich nicht wechseln können. Und der Spruch «dann kommen alle nur zum Wechseln» ist ja unlogisch, wenn alle, die wechseln wollen, etwas kaufen, hat man ja auch Profit gemacht, und wenn sie bei KRAMPF® ihre Rosinenschnecke holen, und nicht bei PAMPS®, weil KRAMPF® eben wechseln kann, hat man sogar einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

«Haben Sie es nicht kleiner?»

Es liegt eine Bösartigkeit darin, eine fulminante und ausgeklügelte Bösartigkeit. Ich habe Kirchenkonzerte besucht, bei denen der Eintritt bei 18.- lag und die Kassenmenschen nicht ein einziges Zweieurostück da hatten, da muss man schon entweder vollsttrottelig oder sehr malignom sein, um die Tatsache, dass jede Besucherin und jeder Besucher mit einem Zwanzigerschein kommt, zu übersehen.

«Haben Sie es nicht kleiner?»

Meistens habe ich es auch kleiner, denn ich schleppe auch ungerne eine Börse mit mir herum, mit der ich ohne Weiteres Bizeps- und Trizepsübungen machen könnte. So gebe ich gerne passend, wenn meine Münzsammlung das hergibt. Besuche ich allerdings mehrere Stände hintereinander, man braucht ja am Bahnhof verschiedene Dinge, Zigaretten, ein Magazin, Essen und evtl. einen Espresso (der von KRAMPF® ist so untrinkbar wie der von PAMPS®), dann geht mein Blechgeld irgendwann zur Neige. Warum kapieren die ganzen Bahnhofseinzelhändler nicht, dass wenn jede und jeder mir diese Frage stellt, ich zum Zeitpunkt X nur noch grosse Scheine habe. Manchmal sage ich auch wirklich: «Ich HATTE es kleiner, aber alle anderen haben genauso wie Sie die Nase gerümpft.

«Haben Sie es nicht kleiner?»

Besonders schlimm ist es – und das ist mir schon wirklich passiert – wenn das Verkaufspersonal Ihnen ins Portemonnaie linst und dort noch Münzen entdeckt. «Da haben Sie doch 5 Euro!», wird dann geschrien, mit diesem fiesen, militärischen, dröhnenden Unterton, der besagen soll: Tja, Sie meinten wohl, wir kommen Ihnen nicht auf die Schliche, Sie Schweinehund, aber nicht mit uns, nicht mit uns, und nun her mit den Münzen. Natürlich kann ich es immer erklären, z.B. brauche ich das Hartgeld für ein Schliessfach; aber warum muss ich als Kunde mich eigentlich verteidigen?

«Haben Sie es nicht kleiner?»

Komischerweise funktioniert es in der Schweiz. Ich habe erlebt, wie am Bahnhof Olten der vierte Kunde einen 100 Franken-Schein zückte und das Verkaufspersonal lächelnd herausgab. Es geht also irgendwie. Und so fordere ich den deutschen Einzelhandel, vor allem den in Bahnhofsbereichen, auf, sich einen guten Vorsatz für 2017 zu setzen:

WIR HABEN IMMER GENUG WECHSELGELD IN DER KASSE.

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