Die
Verkäuferin am Bäckerstand im HBF Köln blickt angewidert, ja angeekelt auf den
50 Euro-Schein, den ich ihr entgegenhalte. So als läge da etwas total
Widerliches, Schleimiges, etwas Schlimmes und Böses vor ihr auf der Theke.
Sofort zucke ich zusammen. Ist der Schein vielleicht nicht ganz sauber? Klebt
irgendetwas Schleimiges, Ekliges an ihm? Oder habe ich aus Versehen ein anderes
Papier aus meiner Brieftasche gezückt? Ein Pornobild vielleicht? Nein, das
trage ich nicht mit mir herum. Oder einen Zettel, auf dem «f*** dich, du
schl****» steht? Habe ich eigentlich auch nie im Portemonnaie. Warum guckt sie
dann so? Aber allmählich dämmert es mir. Ich schaue sie an und sehe, wie sie
ihren Mund öffnet, aus dem dann die erwarteten und hässlichen Worte fallen:
«Haben Sie
es nicht kleiner?»
Es gehört zu
den Grundsätzen im deutschen Einzelhandel, nie genug Wechselgeld in der Kasse
zu haben. Ja, vermutlich lernen schon die Azubis, dass es etwas Anstössiges und
Ungehöriges ist, mehr als eine kleine Auswahl, mehr als einen petit choix an
Münzen und kleineren Scheinen bereitzuhalten. Ich nehme sogar an, dass «Wieviel
Wechselgeld halten Sie bereit?» eine der Prüfungsfragen für das
Kaufmenschdiplom ist; die richtige Antwort lautet natürlich: «Das hängt davon
ab, auf jeden Fall nie genug.»
«Haben Sie
es nicht kleiner?»
Wo läge das
Problem, einfach je 30 Münzen a 10c, 20c und 50c, a 1€ und 2€ und dazu je
40 5-, 10- und 20-Noten parat zu haben?
Alle Antworten sind nichts als getarnte Ausreden. Das Überfallrisiko auf einen
Bäckereistand am HBF Köln ist – so vermute ich, ohne die Statistik zu kennen –
doch relativ gering, anders als bei Taxifahrern nachts um 3.30, denen verzeihe
ich es auch, wenn sie wirklich nicht wechseln können. Und der Spruch «dann
kommen alle nur zum Wechseln» ist ja unlogisch, wenn alle, die wechseln wollen,
etwas kaufen, hat man ja auch Profit gemacht, und wenn sie bei KRAMPF® ihre
Rosinenschnecke holen, und nicht bei PAMPS®, weil KRAMPF® eben wechseln kann,
hat man sogar einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz.
«Haben Sie
es nicht kleiner?»
Es liegt
eine Bösartigkeit darin, eine fulminante und ausgeklügelte Bösartigkeit. Ich
habe Kirchenkonzerte besucht, bei denen der Eintritt bei 18.- lag und die
Kassenmenschen nicht ein einziges Zweieurostück da hatten, da muss man schon
entweder vollsttrottelig oder sehr malignom sein, um die Tatsache, dass jede
Besucherin und jeder Besucher mit einem Zwanzigerschein kommt, zu übersehen.
«Haben Sie
es nicht kleiner?»
Meistens
habe ich es auch kleiner, denn ich schleppe auch ungerne eine Börse mit mir
herum, mit der ich ohne Weiteres Bizeps- und Trizepsübungen machen könnte. So
gebe ich gerne passend, wenn meine Münzsammlung das hergibt. Besuche ich
allerdings mehrere Stände hintereinander, man braucht ja am Bahnhof
verschiedene Dinge, Zigaretten, ein Magazin, Essen und evtl. einen Espresso
(der von KRAMPF® ist so untrinkbar wie der von PAMPS®), dann geht mein
Blechgeld irgendwann zur Neige. Warum kapieren die ganzen Bahnhofseinzelhändler
nicht, dass wenn jede und jeder mir diese Frage stellt, ich zum Zeitpunkt X nur
noch grosse Scheine habe. Manchmal sage ich auch wirklich: «Ich HATTE es
kleiner, aber alle anderen haben genauso wie Sie die Nase gerümpft.
«Haben Sie
es nicht kleiner?»
Besonders schlimm ist es – und das ist mir schon wirklich passiert – wenn
das Verkaufspersonal Ihnen ins Portemonnaie linst und dort noch Münzen
entdeckt. «Da haben Sie doch 5 Euro!», wird dann geschrien, mit diesem fiesen,
militärischen, dröhnenden Unterton, der besagen soll: Tja, Sie meinten wohl,
wir kommen Ihnen nicht auf die Schliche, Sie Schweinehund, aber nicht mit uns,
nicht mit uns, und nun her mit den Münzen. Natürlich kann ich es immer
erklären, z.B. brauche ich das Hartgeld für ein Schliessfach; aber warum muss
ich als Kunde mich eigentlich verteidigen?
«Haben Sie
es nicht kleiner?»
Komischerweise funktioniert es in der Schweiz. Ich habe erlebt, wie am
Bahnhof Olten der vierte Kunde einen 100 Franken-Schein zückte und das
Verkaufspersonal lächelnd herausgab. Es geht also irgendwie. Und so fordere ich
den deutschen Einzelhandel, vor allem den in Bahnhofsbereichen, auf, sich einen
guten Vorsatz für 2017 zu setzen:
WIR HABEN IMMER GENUG WECHSELGELD IN DER KASSE.
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