Dienstag, 29. September 2015

Winterkorn TUT ES LEID

Mein Grossvater arbeitete bei der Reichsbank. Wie alle, die nicht in einer Bankfiliale, sondern bei einer Zentralbank, bei der Bundesbank, bei der Reichsbank, bei der EZB, also nicht am Schalter und der Kasse, sondern im Büro schaffen, hatte er nicht permanent mit echtem Geld zu tun. Er verschob, kaufte und verkaufte, er registrierte und verteilte zwar Geld, aber das meiste eben auf dem Papier. Die Möglichkeit, echtes Geld in die eigene Tasche zu stecken, war also gering. Wenn aber – und das geschah doch auch immer wieder – doch echtes Geld im Spiele war, war es viel, war es sehr viel. Eine heikle Sache ist z.B. die Vernichtung von abgelaufenen, von ungültigen Geldscheinen, die durch neue ersetzt werden sollen. Hier kann ein labiler Charakter ins Wanken kommen. Mein Opa war nun ein stabiler Charakter, aber ein Kollege von ihm erlag der Versuchung und schaffte 10.000 RM auf die Seite, er machte - so sagten die Banker früher - „Tote wieder lebendig“.
Dummerweise wurde der gute Mann erwischt. Und dann tat er das Einzige, was in seinem Fall noch Sinn machte: Er stellte sich vor den Chef, die Polizei, vor den Staatsanwalt und die Öffentlichkeit und sagte die magischen Worte
ES TUT MIR LEID
Also, es sagte es nicht einfach so, er sagte es mit warmer, leidender Stimme, mit Tremolo und Tränchen im Auge, er sagte es mit weihevoller Reue und aufrichtiger Scham, er sagte es so, dass die Herzen schmelzen und die harten Sinne weich werden mussten, er sagte so schön
ES TUT MIT LEID
dass er sofort begnadigt wurde, freigesprochen, er wurde in den Ruhestand versetzt , ihm schon mit 45 Jahren seine erste Rente ausbezahlt und er lebte noch lange in Frieden.

Der erste Teil der Story ist wahr. Der zweite ist es nicht.
Wäre auch noch schöner. Ich baue so grob Scheisse (s.v.v.) und dann stelle ich mich hin und sage
ES TUT MIR LEID
?

Aber genau das hat der werte Herr Winterkorn jetzt getan. Er hat
ES TUT MIR LEID
gesagt.  Also, es sagte es nicht einfach so, er sagte es mit warmer, leidender Stimme, mit Tremolo und Tränchen im Auge, er sagte es mit weihevoller Reue und aufrichtiger Scham, er sagte es so, dass die Herzen schmelzen und die harten Sinne weich werden mussten, er sagte
ES TUT MIT LEID
und dann trat er zurück und bekommt ein paar Milliönchen Pension.

Sind wir eigentlich noch ganz bei Trost? 
Lassen wir diesen Halunken wirklich springen? 
Der Opakollege hatte etwas Schlimmes gemacht, aber er hatte dennoch nur die Inflation angetrieben. Winti hat einen gesunden Konzern an die Wand gefahren, er hat die VW-Aktie in den Marianengraben gesenkt, er hat dem DAX einen 9/11 beschert und made in Germany wieder zu dem gemacht, was es einmal war: Der Hinweis auf einem Makel. (Als England Ende des vorletzten Jahrhunderts die Länderkennzeichnung einführte, bedeutete made in Germany nämlich noch, dass das Produkt eine billige Imitation vom Festland und nicht ein qualitativ hochwertiges britisches Produkt war.)
Lassen wir Winti wirklich mit einem
ES TUT MIR LEID
gehen?

Was tut ihm eigentlich leid? Dass er so viel Mist gebaut hat – dass er von der Sache nichts wusste, was er sagt, dass glaubt sowieso kein Mensch – und so grossen Schaden angerichtet hat? Oder tat ihm leid, dass er erwischt wurde? Dass man die Manipulation gemerkt hat? Was bedeutet das
ES TUT MIR LEID
?

Der Kollege meines Opas kam natürlich sofort in U-Haft. Und das war 1930 eine relativ unschöne Sache: Enge Zellen, feucht, stinkend und kalt. Und in dieser U-Haft schaffte er es, sich das Leben zu nehmen. Durch diesen Trick, Suizid VOR der Verurteilung rettete er für seine Familie die Pension.

Winti muss sich nicht unbedingt umbringen.
Aber er sollte in den Knast.
Ich kann es nicht netter sagen,
TUT MIR LEID.




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