Freitag, 25. September 2015

Wer bin ich? Wir sind alle ein bisschen Bluna.

Beim so genannten post it-Spiel bekommen die Teilnehmer eines dieser gelben Klebezettelchen auf die Stirne gepinnt und müssen herausfinden, wer sie sind. Dabei dürfen nur Fragen gestellt werden, die mit JA oder NEIN zu beantworten sind, wie z.B. „Bin ich ein Mann?“, „Bin ich berühmt?“ „Bin ich tot?" oder „Bin ich ein Deutscher?“ Das Spiel ist eine philosophisch heikle Sache, da es die Menschen in den Glauben irreführt, die entscheidende Frage nach dem Sein liesse sich durch Ja-Nein-Entscheidungen herbeizaubern. Die entscheidende Frage nach dem Sein beruht ja gerade auf Ja-Jein-Nein-Ichweissnicht-Konstellationen.

Klarere Fronten herrschen da beim App-Spiel AKINATOR. Hier denken Sie sich eine Figur aus und die Maschine fragt danach. Während beim post it-Spiel man schnell weiterkommt, wenn man gezielt einkreist, also z.B. erst Kontinent, dann Land, dann Region, dann Stadt, fängt der AKINATOR, gezeichnet als kitschiger „Geist aus der Flasche“, irgendwo an und fragt dann in wildesten Sprüngen. Er hat nämlich einen Algorhythmus, der sich merkt, wie Fragen in der Vergangenheit mit anderen Fragen zusammenhingen.  Im obigen Beispiel käme, hätte man Mann, berühmt, Deutscher und tot jeweils mit ja beantwortet auf jeden Fall die Frage: „Hat Ihre Figur Juden vernichtet?“ Akilein unterstellt hier nicht allen Deutschen, Antisemiten zu sein, nein, die Kombi tot/deutsch/Mann/berühmt kam halt am meisten bei Hitler vor, der wird nämlich ständig von irgendwelchen Deppen eingegeben. Oder steckt doch mehr Weisheit in der Maschine?

Wer bin ich? Wer sind wir?
Die entscheidende Frage unseres Lebens, immer wieder gestellt, immer wieder diskutiert und eigentlich nicht wirklich beantwortet.

Wer bin ich? Wer sind wir?
Hielt und hält man die Augen offen, bekam und bekommt man eine Fülle von Antworten geliefert, die einen aber meistens in ein gewisses Erstaunen versetzten und versetzen.

DU BIST DEUTSCHLAND
prangte es vor etlichen Jahren von den Plakatwänden zwischen Flensburg und Garmisch. Sorry? Ich bin schon das ganze Land? Und mein Kumpel Pit ist dann Dänemark und Heiko ist Japan? Spielen wir gerade RISIKO? Ausserdem wurde das Plakat auch von Türkischen Einwanderern, Afrikanischen Asylbewerbern und Chinesischen Touristen gelesen. Alle waren Deutschland, wobei es mich für die beiden ersten Gruppen ja freute.
Nein, als Komplettlösung war der Slogan nicht ganz brauchbar.

ICH BIN VAUDOISE
ICH BIN ZYTGLOGGE
Gut und schön, es wäre zwar toll eine ganze Versicherung zu sein – her mit der Kohle – aber auch das ist nicht die Antwort, und eine Haltestelle – der Spruch entstammt nämlich einer Kampagne des libero, des Bernisch-Solothurnischen Verkehrsverbundes – will ich schon gar nicht sein. Ich möchte nicht, dass man auf mir herumtrampelt, mich mit Füssen tritt, nur bei mir ist, weil man von mir weg will und mich zum Ein- und Aussteigen benutzt.

SIND WIR NICHT ALLE EIN BISSCHEN BLUNA?
Das allerdings gefiel mir, ich bin gelb, fruchtig, süss und unglaublich sprudelnd, sprudelnd vor Witz und Charme und sprudelnd vor Intelligenz und Kreativität. Entscheidend ist aber das BISSCHEN, wir sind alle ein bisschen fruchtig und ein bisschen süss, und daher auch ein bisschen herb und ein bisschen bitter.
Vielleicht liegt aber die Lösung in der Kombination:

Ich bin Zyglogge, du bist Deutschland und wir sind alle ein bisschen Bluna.
Ich bin Rübe, du bist Sahne und wir sind alle ein bisschen Suppe.
Ich bin Bein, du bist Schulter und wir sind alle ein bisschen Topmodel.
Ich bin Chinese, du bist Türke und wir sind alle ein bisschen Migration.
Ich bin hier, du bist da und wir sind alle ein bisschen Haltestelle.

Wer sind wir? Wer bin ich?
Fest steht, die Fragen sind heikel und postit, AKINATOR und Werbeagenturen haben noch nicht die entscheidenden Antworten. Fest steht aber auch, dass postit, AKINATOR und Werbung mehr Spass machen als Sartre, Heidegger und Kant – die ja die wirkliche Lösung auch noch nicht fanden…

Lassen wir doch zum Schluss Tom Tykwer sprechen: In seinem unnachahmlichen Film Lola rennt fährt zu Beginn die Kamera über eine Menschenmenge und zoomt immer wieder auf Einzelne. Dazu philosophiert eine Off-Stimme über den Menschen und das Menschsein, bis Armin Rohde die klärenden Worte spricht:

Ball is rund, Spiel jeht 90 Minuten.
Alles andre is Theorie…  

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