Freitag, 26. Juli 2024

Welche Bastionen fallen noch?

Manchmal sollte man gar nicht anfangen zu denken. Ich habe im letzten Post darüber nachgedacht, wie es ist, wenn eine kulturelle Bastion wie Bayreuth wankt. – Nachdem ich im vorletzten Post mich darüber beklagt hatte, dass Sprecherinnen und Sprecher des SWR über die Musik quatschen. Und nun denke ich darüber nach, was noch alles kippen könnte.
Und man sollte einfach nicht zu sehr nachdenken.
Man kommt auf die tollsten Ideen:

JEDERMANN

…geht natürlich gar nicht mehr. Etwas Unfeministischeres, Machohafteres, Undiverseres als Jeder-Mann gibt es ja wohl kaum. «Jedermann» wird also in «Jedermensch» umbenannt. Und auf dem wunderbaren Domplatz von Salzburg hallt dann eben nicht mehr die Stimme mit
…Jedermann!...
…Jedermann!...
…Jedermann!...
sondern eine genauso sonore, eine genauso tiefe, genauso dröhnende Stimme mit
…Jedermensch!...
…Jedermensch!...
…Jedermensch!...
Ein klitzekleines, winziges, mikroskopisches Problemchen ergibt sich noch im Text. Und dieses klitzekleine, winzige, mikroskopische Problemchen ist der Reim. Im Buch von Hofmannsthal wird gereimt und auf «Mann» reimen sich halt 1000 Wörter wie «kann», «an», «Bann», «heran», usw. Auf «Mensch» reimt sich nix. Gar nix. Wenn wir von der US-Farm absehen. Aber was hat eine «Ranch» im Text zu suchen? Vielleicht müsste man den ganzen Hugo-von-Text kippen und eine moderne Prosanachdichtung machen…

RADETZKY-MARSCH

Jeder kennt natürlich das dadadam-dadadam-dadadamdamdam, das jedes Jahr das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker beschliesst. Und die Melodie ist ja auch ganz lustig. Man könnte sich aber am Namensgeber stören. Denn Johann Josef Wenzel Anton Franz Karl Graf Radetzky von Radetz war ein Feldmarschall. Also Militarist. Nun könnte jemand einwenden, dass in der damaligen Zeit ja wohl jeder Adlige auch ein Heermensch war und das kein Baron oder Graf NICHT zur Armee gegangen ist, es sei denn, er hätte nur einen Arm, nur ein Bein gehabt und wäre zusätzlich blind gewesen. Aber Johann Josef Wenzel Anton Franz Karl Graf Radetzky von Radetz war ein ganz bedeutender Heerführer – und sollte man in Zeiten globaler Aufrüstung nicht etwas Friedvolles und Anti-Militärisches spielen? Und so wird beim Neujahrkonzert 2025 aus dem Wiener Musikverein nicht der Radetzkymarsch gespielt, sondern «Imagine».
Oder «Blowing in the Wind.»

LAND OF HOPE AND GLORY

Das Trio des Marsches «Pomp and Circumstance» von Edward Elgar ist nach der offiziellen Königshymne und dem netten Song, der Britannien zum Führen auffordert, so etwas wie die dritte Hymne des Vereinigten Königreichs. Und wenn diese schöne Melodie bei der «Last Night of the Proms» erklingt, dann singen alle mit: Daaa-dada-da-daaa-daaa…
Aber ist UK noch das Land der Hoffnung und des Ruhmes? Und ist dieses Lied nicht ein Lied eines weltmächtigen, weltführenden Reiches? Wäre nicht etwas Europäisches, etwas Integratives, etwas weniger Angeberisches viel angebrachter?
Ja, und so wird bei der nächsten (oder übernächsten) «Last Night» nicht mehr den Marsch von Edward Elgar gespielt, sondern die Europa-Hymne, «Freude, schöner Götterfunken» aus der Sinfonie IX von Herrn Beethoven.

WELCHE TRADITIONEN KÖNNTE MAN NOCH KIPPEN?

Natürlich jede.
Oder keine.
Denn das Schöne an einer Tradition ist doch, dass sie sich nicht ständig rechtfertigen muss. Sie ist irgendwann entstanden. Und ist irgendwann geblieben.
Niemand drückt das besser aus als Tevje:

Dank unserer Tradition haben wir bisher unser Gleichgewicht seit vielen, vielen Jahren gehalten
Hier in Anatevka haben wir Traditionen für alles

Nun werdet ihr fragen, wie es mit diesen Traditionen angefangen hat.
Ich werde es euch sagen: Ich weiß es nicht.
Das ist eben Tradition.

Manchmal sollte man gar nicht anfangen zu denken. Ich habe darüber nachgedacht, wie es ist, wenn eine Wagner-Bastion wie Bayreuth wankt. – Nachdem ich in einem anderen Post mich darüber beklagt hatte, dass im SWR über die Musik gequatscht wird. Und nun denke ich darüber nach, was man noch alles kippen kann.
Und man sollte einfach nicht nachdenken.
Man kommt auf Ideen…







 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 


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