Dienstag, 9. August 2022

Sommerkonzerte


Es ist wieder einmal Sommer und damit: Es ist wieder einmal Festspielzeit. Und so sucht sich jedes Orchester, die Bremer, die Hamburger, die Oldenburger oder die Kieler oder die sonstwie Philharmoniker, ein schönes Ambiente und macht ein Sommerkonzert.

Das Ambiente, vor dem das Orchester, die Bremer, die Hamburger, die Oldenburger oder die Kieler oder die sonstwie Philharmoniker, konzertiert, ist am besten ein Schloss, ein barockes Anwesen mit Park und Springbrunnen, ein Anwesen, das man dann während des Konzertes auf die heftigste Weise beleuchten kann, in Rot und Blau und Grün und Orange und Lila, das ist zwar geschmacklos und kitschig, aber den Leuten gefällt der Kitsch, das Rot und Blau und Grün und Orange und Lila, und seien wir ehrlich:
Für Menschen, die nach Donaueschingen oder Witten gehen, für Menschen, die daheim Lachenmann hören, sind solche Sommerkonzerte nichts.

Das Orchester braucht nun eine Dirigentin oder einen Dirigenten, sowie Solistgendergapinnen.
Beim Dirigat greift man oft auf das in den Kirchen beliebte Muster des Kanzeltausches zurück und macht einen Pulttausch, das heisst, die Bremer werden vom Hamburger, die Hamburger werden vom Oldenburger, die Oldenburger werden vom Kieler und die Kieler werden vom Bremer Maestro geleitet. Das bringt Abwechslung und lässt einen einmal ein anderes Gesicht sehen.
Bei den Solistgendergapinnen setzt man auf Vokales, vor allem auf Sängerinnen, die – es ist ein Sommerkonzert – endlich einmal ihre rote, blaue, grüne, orange oder lila Sommergarderobe präsentieren können, luftig und leicht in Tüll (ohne Tränen) und Seide, passend zu der Beleuchtung der Schlösser, und dass manche – wie Böll es so herrlich ausdrückt – Dekolleté mit oben ohne verwechseln, was macht es, es ist Sommer.
Man kann natürlich auch den schmalzfrisierten französischen Cellisten holen, der trotz seiner Frisur und den eigenartigen Ringen an rechtem Ringfinger und rechtem Kleinen Finger richtig gut ist, und sicher spielt er dann als Zugabe die Melodie von Myroslav Skoryk, ein Stück, das zwar mit seinem dadadada daaaaa da da da unglaublich simpel gestrickt ist und auch unglaublich kitschig, aber das passt ja wieder gut zu der roten, blauen, grünen, orangen oder lila Beleuchtung der Kulisse und ausserdem ist der Komponist Ukrainer, und da muss man das Stück ja mögen…

Mit was für einer Programmidee, mit was für einer Dramaturgie gestalten die die Bremer, die Hamburger, die Oldenburger oder die Kieler oder die sonstwie Philharmoniker nun ihren Auftritt? Hier sitzen nun findige Leute im Hintergrund und überlegen sich eine Reihenfolge, einen Ablauf und eventuell einen roten Faden.
Und hier wird nun gesündigt, was das Zeug hält.
Vielleicht wäre es wirklich die beste Methode, einfach alles bunt zu mischen, ohne jede klare Dramaturgie, so haben es die Franzosen am 14. Juli gemacht, Motto «anything goes» und so hatte auch die Freiburger GMD einmal ein Sylvesterkonzert untertitelt (das übrigens doch eine ausgeklügelte Dramaturgie hatte…) Vielleicht wäre das richtig.
Ganz doof sind Motti wie «Eine Reise durch Europa», das ist so ein Quatsch-Motto, unter dem man alles unterbringt, denn natürlich hat jeder Komponist eine Nationalität und manche Stücke auch so eine Überschrift, und wenn dann die Polnischen Tänze von Jaques van der Hals erklingen, einem niederländischen Komponisten mit französischer Mutter, der in Wien lebte und das Stück in England schrieb, wobei er für seine Polnischen Tänze ungarische und rumänische Volksweisen zugrunde legte, dann hat man wirklich fast ganz Europa untergebracht.
Was wären sonst noch für Motti (un)denkbar?
Tiere.
Bitte nicht, man hört hier schon den Hummelflug und den Schwan und was sonst noch so an Tieren in der Musik herumspringt, einen innermusikalischen Zusammenhang bekommt es nicht.
Jahreszeiten?
Farben?
Liebe?
Hören wir auf, uns die Programme vorzustellen, sie werden alle schrecklich.

Egal wie nun das Programm aussieht, für das Ende muss man sich etwas Besonderes überlegen. Was spielen nun die Bremer, die Hamburger, die Oldenburger oder die Kieler oder die sonstwie Philharmoniker zum Schluss des fulminanten Abends? Geografisch unkundige Menschen werden nun hier die Nordseewellen, die an den Strand schwappen vorschlagen, müssen aber hier enttäuscht werden, ginge nur für Hamburg, Oldenburg und Bremen liegen im Binnenland und Kiel an der Ostsee. Lassen wir die Frage unbeantwortet, in Wien ist es klar, immer das Wiener Blut, und dass am 14. Juli von Radio France unter dem Tour d`Eiffel die Marseillaise erklingt, dürfte wohl auch niemand bezweifeln.

Es ist Zeit der Sommerkonzerte, und die Bremer, die Hamburger, die Oldenburger oder die Kieler oder die sonstwie Philharmoniker haben sich Schlösser gemietet, die sie in Rot und Blau und Grün und Orange und Lila erstrahlen lassen. Und wir freuen uns auf viel schöne Musik.

Hoffentlich.



 

 

 

 

 

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