Freitag, 5. August 2022

Das Hitze-Tagebuch

Donnerstag, 4. August 2022

5.00
Ich erwache und muss auf die Toilette. Eigentlich – so merke ich – wäre jetzt eine gute Zeit aufzustehen, es ist angenehm kühl und frisch, nein, ist es nicht, aber mit 22˚ noch erträglich. Was einem Aufstehen entgegensteht: Ich bin noch sehr müde. Also noch einmal schlafen gehen…

7.30
Ich erwache. Ich schliesse in meinem Arbeitsbereich unten auf und öffne heftig Türen und Fenster, während dort der Morgenwind durchweht, trinke ich auf dem Balkon meinen Morgenkaffee.

8.00
Das Heftiglüften hat ein wenig etwas gebracht, aber nicht ganz wirklich. Ich schliesse in meinem Arbeitsbereich Türen, Fenster und Rollläden. Ich setze mich an meinen Computer, checke meine Mails, mache das Zeit- und drei Kreuzworträtsel und übe mein Französisch. Dann gucke ich die Prognosen für den heutigen Tag: Schlechte Nachrichten, um 14.00 werden 39 ˚ erreicht werden.

8.15
Ich versuche spontan, einen Termin bei meinem Bankberater zu bekommen. Herr Schläpfer scheint am Telefon zu grinsen: Er sei bis Mitte der nächsten Woche ausgebucht, und ausserdem hätten wir doch vor zwei Wochen alle meine Anlagen, Säulen, Versicherungen und Fonds optimiert. Er wolle mir nichts unterstellen, aber ob ich nur auf eine Stunde in seinem Air Condition-Büro aus sei, bei angenehmen 22˚, auf die Idee seien eben schon einige andere Leute gekommen…
Ok, einen Versuch war es wert.

9.30
Ich gehe schwimmen.
Im kalten Wasser ist es sehr angenehm, aber das geht ja auch nicht ewig. Nach meinen zehn 50m-Längen ziehe ich mich wieder an. Was ich sonst nach dem Schwimmen mache, ist bei (gefühlten) 40˚ ausgeschlossen: Einen Kaffee trinken und in die Sonne liegen. Ein Heissgetränk treibt mir schon beim Gedanken an es die Schweissperlen auf die Lippe und in der Sonne würde ich nicht eine schöne Bräune bekommen, sondern einschrumpeln wie ein Wiener Würstchen, das zu lange auf dem Grill war.

10.15
Ich habe einen super Ort gefunden: Die Tiefkühltruhe bei der MIGROS®. Dummerweise entdeckt mich ein junger Verkäufer, zieht mich raus und droht mir im Wiederholungsfall ein Hausverbot an.

10.25
Das gleiche Szenario bei COOP®.

10.35
Das gleiche Szenario bei ALDI®.

11.30
Ich sitze im Bus 38 nach Wyhlen Siedlung. Ich hatte schon vor Wochen den Drang, mal diese Buslinie über die Grenze bis zur Endhaltestelle zu fahren, so, als ob dort etwas Besonderes, etwas Feines, etwas Gutes auf mich wartet, so wie der Topf Gold am Ende des Regenbogens. Und nun weiss ich es:

In Grenzech und in Wyhle
Tuet ´s so härrlich kyhle
(apokryphe Strophe des Schwarzwälder im Breisgau von Hebel)

Dann aber kommt der Hammerschlag: Ab Grenze müsste ich einen medizinischen oder FFP2-Lappen vor dem Gesicht haben. Wie bescheuert ist das denn? Bis Hörnli Grenze habe ich ja meine Aerosole auch verbreitet, aber gut, ich steige noch in der Eidgenossenschaft aus…

Kurze Zwischengedanke für Leute, die mein Tagebuch gerade (erlaubt? unerlaubt?) mitlesen: Ich mache deshalb keinen AKW-Gag, weil in Wyhlen (deutsche Rheinseite ca. 10 km von Basel entfernt) keines steht, das berühmte Ding ist in Wyhl am Kaiserstuhl.

13.00
Ich habe Hausverbot in der MIGROS®.

13.00
Ich habe Hausverbot im COOP®.

13.00
Ich habe Hausverbot im ALDI®. Aber nun kommt mir die Idee: Ich greife den Mitarbeiter tätlich an, ich schreie umeinander, zerstöre Glas und vernichte Gemüse. ALDI® holt die Polizei.

14.30
Bingo! Der Polizeiposten Kannenfeld ist klimatisiert. Und die Zellen sind im Keller.
Hätte man gleich draufkommen können.

21.00
Nach endlosen Verhören und Wartezeiten in der Zelle darf ich heim. Inzwischen kann man es in der Wohnung auch aushalten. Und morgen soll es ja Gewitter geben…



 

 

 

 

 

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