Dienstag, 27. April 2021

Bitte keine Superlative

Für den heutigen Post muss ich ein wenig ausholen.

Also, wir haben eine Bekannte. Wir nennen sie mal Doris. Sie ist eine liebe Person, wirklich sympathisch, herzlich und nett. Aber ein wenig… Nun, wie soll ich das sagen? Also, Sie haben sich wahrscheinlich schon gefragt, wer bestimmte Deko-Artikel kauft, Spiegel mit Goldumrandungen im Prägestil und Gläser mit gefalteten Hölzern und so, also Doris` Wohnung ist voll davon. Doris ist eher, sagen wir mal so, ist eher VOX statt arte, ist eher Danella oder Pilcher als Lewitscharoff, ist eher… nun, Sie haben verstanden.

Doris hat nun auch drei Frauenzeitschriften abonniert, Herz der Frau®, Spasspost® und Frau mit Hut®, und wenn sie Herz der Frau®, Spasspost® und Frau mit Hut® ausgelesen hat, dann kommen Herz der Frau®, Spasspost® und Frau mit Hut® zu uns. Herz der Frau®, Spasspost® und Frau mit Hut® liegen bei uns auf dem Klo und informieren uns über die Nöte, Sorgen, aber auch Freuden der internationalen Stars und vor allem die der Königshäuser. Hat Willem Alexander ein Problem mit der Lunge? Herz der Frau® weiss es und hat sogar seine Lungenfunktion vorliegen. Wie hat Paola ihren 70. Geburtstag verbracht? Spasspost® weiss es und hatte am 5. Oktober 2020 einen exklusiven Termin und zeigt ihren Rosenstrauss (sehr scheusslich) und ihre Geburtstagstorte (naja). Hat sich Sylvester Stallone liften lassen? Frau mit Hut® weiss es und zeigt die (wirklich grausamen) Fotos…
Und natürlich sind Herz der Frau®, Spasspost® und Frau mit Hut® hinter Christian von Dänemark her, der Spross des dänischen Königshauses ist 15, bildhübsch und via diverse Social Media mit den (gleichaltrigen) Prinzessinnen von Norwegen, Schweden und der Niederlande vernetzt. Meine Güte, das wäre ja was, wieder eine Hochzeit ganz innerhalb vom Hochadel!

In einem dieser Journale, ich weiss nicht mehr, ob in Herz der Frau®, Spasspost® und Frau mit Hut® fand ich ein Preisausschreiben. Dritter Gewinn war ein Besuch von three!xty. three!xty ist das höchstgelegene Restaurant der Schweiz und das höchstgelegene Drehrestaurant der Welt.

Das höchstgelegene Restaurant der Schweiz und das höchstgelegene Drehrestaurant der Welt.

Und während ich mir diesen Superlativ auf der Zunge zergehen lasse, während ich an ihm herumkaue, während ich ihn schlucke, denke ich, wie blöd solche Superlative doch sind. Ich lasse mir diesen Superlativ auf der Zunge zergehen, ich kaue an ihm herum, ich schlucke ihn und denke: Woher weiss und merkt man, wenn man in dem Restaurant sitzt, dass es das höchstgelegene Restaurant der Schweiz und das höchstgelegene Drehrestaurant der Welt ist?

Ok, gehen wir nochmal einen Schritt zur Seite:
Wenn man im höchstgelegenen Restaurant der Stadt oder im höchstgelegenen Drehrestaurant der Stadt sitzt, dann merkt man, dass es das höchstgelegene Restaurant der Stadt oder das höchstgelegene Drehrestaurant der Stadt ist, weil man auf alle anderen Häuser runtergucken kann. Und da merkt man den Superlativ. Aber wenn ich im three!xty sitze, dann sehe ich nicht alle anderen Beizen und Lokale und kann nicht erkennen, dass ich im höchsten Lokal sitze, ich kann es nur glauben. Der Superlativ bringt mir nix.

Was bringen Superlative?
Wenn Jim (23, Coiffeur) dem Jon (24, Servicekraft) ins Ohr flüstert, er solle mit ihm heimkommen, er habe den längsten … des Landkreises, was macht dann Jon (24, Servicekraft)? Er kann den Superlativ nicht nachprüfen, gut, vielleicht ist er eine solche Punze, dass er das schon hat, nehmen wir nun aber mal nicht an. Er müsste nun alle … des Landkreises kennen, aber selbst dann, auch wenn, es wäre keine Garantie, dass er eine schöne Nacht erlebt. Vielleicht würde ja gerade die blöde Aussage von Jim (23, Coiffeur) dem Jon (24, Servicekraft) die Nacht versauen, weil er immer daran denken müsste, ob der von Jim wirklich der grösste…

Was bringen Superlative?
In der Düsseldorfer Altstadt gibt es beim «Schnitzel-Huber» angeblich das «grösste Schnitzel der Welt». (Das ist jetzt keine Erfindung, genauso wenig wie das three!xty.) Was soll mir das? Erstens kann ich den Superlativ nicht nachprüfen, ich müsste in sämtlichen Restaurants der Welt von Taipeh bis Seattle, von Oslo bis Kapstadt Schnitzel bestellen, und ich müsste in den Beizen von Taipeh bis Seattle, von Oslo bis Kapstadt ein Metermass dabeihaben, um zu messen. Zweitens wäre mir schon das drittgrösste Schnitzel zu gross und zu viel, 200 Gramm Fleisch langen mir als Halbvegetarier völlig, und beim «Schnitzel-Huber» haben die Dinger, die auch über die XXXXXXXL-Teller ragen, stolze 1200 Gramm, sechsmal so viel, also 1,2 Kilo.

Was bringen Superlative?
Gar nichts. Zum Nichtnachprüfenkönnen kommt ja noch die Tatsache, dass man einen Superlativ so lange eingrenzen kann, bis es stimmt, und da kommt man dann aus dem Lachen nicht mehr heraus:
Die Basilika in Weingarten ist die grösste Barockkirche nördlich der Alpen.
Der Dom in St. Blasien ist die grösste Kuppelkirche Deutschlands.
usw.
usw.

Also, wir haben eine Bekannte. Wir nennen sie mal Doris. Sie ist eine liebe Person, wirklich sympathisch, herzlich und nett. Aber ein wenig… Nun, wie soll ich das sagen? Also, Sie haben sich wahrscheinlich schon gefragt, wer bestimmte Deko-Artikel kauft, und so würde ich einen Superlativ lancieren:
Die Wohnung von Doris ist die vollgestopfteste Wohnung der Nordwestschweiz. Nicht nachprüfbar, weil, man kann ja nicht in alle Wohnungen rein, stimmt aber trotzdem.

Es lebe der Superlativ.

P.S.
Eine Kuppelkirche ist kein Ort, wo Jim und Jon ihre …länge verhandeln, das kommt nicht von «kuppeln» sondern von der «Kuppel», dem runden Dachbau.

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