Hans und
Marga leben ein normales Leben, das, was man so als normales Leben empfindet.
Hans ist Architekt, Marga Ärztin, sie haben gute Stellen und ein solides
Einkommen, vor drei Jahren haben sie sich ein kleines Reihenhaus am Stadtrand
gekauft, das sie mit viel Liebe und Geschmack eingerichtet haben. Am Haus hat
es ein kleines Gärtchen, in dem sie Bohnen und Tomaten ziehen und viele bunte
Blumen blühen lassen. Hans und Marga fahren zwei Mal im Jahr in die Ferien,
meistens einmal in die Alpen und einmal auf irgendeine Insel am Meer,
Abenteuerferien im Dschungel brauchen sie nicht. Die beiden lesen sehr gerne
und haben ein Abo für das Städtische Theater, sie gehen in die Ausstellungen
des Kunstvereins und gelegentlich ins Kino; beide treiben in Massen Sport, Hans
geht zweimal die Woche ins Hallenbad und Marga zweimal die Woche laufen.
Ein normales
Leben also, und die beiden finden das auch ganz in Ordnung. Was immer mehr zum
Problem wird, ist ihr Sexleben, das genauso normal wie ihr anderes Leben ist.
Und zwar nicht zum Problem für die beiden – der Himmel bewahre! – sondern weil
die Ansprüche, die die Gesellschaft an unsere Bettkultur stellt, so immens hoch
sind. Gerade bei einem so gewöhnlichen Aussenleben erwartet man doch, dass im
Schlafzimmer die Post in alle Richtungen abgeht. Und genau das können die
beiden nicht bieten: Hans und Marga tun es ein- bis zweimal die Woche, immer im
Bett und immer in Missionarsstellung, dabei kommen meistens beide und sie haben
Spass und Lust dabei. Aber darum geht es ja nicht, es geht darum, dass man so
normal einfach nicht sein darf.
Nicht, dass
die zwei nicht alles probiert hätten, das haben sie!
Sie haben
sich das Kamasutra gekauft und fleissig geübt, aber nach mehreren Verdrehungen,
Zerrungen und Quetschungen, nach Schmerzen und blauen Flecken haben sie dies
wieder aufgegeben und beschlossen, dass der Schlangenmensch-Sex nichts für sie
ist. Genauso ging es ihnen mit ungewöhnlichen Orten wie Küchenboden oder
Schreibtisch, wie Badewanne oder Geräteschuppen, richtig gefährlich wurde es,
als Hans eine Schaufel auf den Kopf flog.
Hans und
Marga haben Fesselspiele und leichtes Schlagen probiert.
Und keinen
Gefallen daran gefunden.
Sie haben
schwule und lesbische Erfahrungen gemacht.
Und keinen
Gefallen daran gefunden.
Sie haben
Swingerclubs und Fetischbars besucht.
Und keinen
Gefallen daran gefunden.
Es ist
einfach zum Verzweifeln, aber das einzige, was ihnen beiden Spass macht, ist
das, was schon ihre Eltern und ihre Grosseltern und ihre Urgrosseltern taten,
langweilig und öde und völlig normal.
Seit einiger
Zeit sind die beiden nun bei einem Sex- und Paartherapeuten, der sich alle Mühe
gibt, Hans und Marga auf einen neuen, einen spannenden, auf einen
ausgefallenen, extrovertierten, auf einen unnormalen und witzigen Weg zu
bringen. Aber auch Dr. Blumsteder, so sein Name, wird irgendwann mit seinem
Latein am Ende sein. Was soll man auch mit einem Paar machen, das seinen
Fragebogen so ausfüllt:
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Hans
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Marga
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Mit wem hatten Sie Ihren besten Sex?
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Marga
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Hans
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Ihre schönste sexuelle Phantasie?
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mit Marga im Bett
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mit Hans im Bett
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Was müsste am Partner/an der Partnerin
anders sein?
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nichts
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nichts
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An wen denken Sie beim masturbieren?
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Marga
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Hans
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Nun sind die
zwei aber auf ein Buch gestossen, das sicher zum Renner werden wird:
Dr. Gernold Schleiber / Dr. Myrtha Köbler:
RÜCKKEHR AUS EROTIKON – Warum wir ganz
normal sein können
Verlag Foppler & Guppler, Zürich
160 Seiten, gebunden – Sfr 25.- / € 22.-
ISBN 786-8-432-76543-9
In diesem
grandiosen Ratgeber schreiben der Arzt und die Psychologin eine klare und
wissenschaftlich fundierte Streitschrift für ein Erlauben der sexuellen
Gewöhnlichkeit.
«Sie müssen
sich keine sexuellen Phantasien zulegen, wenn Sie keine haben. Und Sie müssen
erst recht keine ausleben, wenn Sie keine haben. Sie dürfen es wo Sie wollen
tun, wann Sie wollen tun, wie Sie wollen tun, also auch nachts im Bett in der
Missionarsstellung.»
Und mit
dieser Erkenntnis verabschieden wir uns vom Thema Sex.