1.)
Kommen Sie nicht auf die Idee, einen Bekannten,
Verwandten, den Götti oder den Grossvater, den Onkel oder den Schwager den
Samichlaus machen zu lassen. In unserer Zeit, unserer professionalisierten Zeit
hat ein solcher Dilettantismus keinen Platz mehr. Richtige Nikoläuse sind
geschult, sie haben Kurse besucht, das deutsche oder das schweizerische
Nikolaus-Zertifikat erworben und sind über diverse Agenturen buchbar.
2.)
Wählen Sie aus den vielen Möglichkeiten eine
gute, seriöse Agentur. Die Stiftung Warentest hat letztes Jahr einige
Nikolaus-Agenturen getestet, und die Ergebnisse waren ziemlich mittelmässig.
Nur SANTA® (sehr gut) und SAMI® (gut) gingen als brauchbare Vermittler für den
Dienst am 6.12. hervor. Alle anderen Anbieter waren im unteren Bereich.
3.)
Meiden Sie Discount-Agenturen. Für 20.- incl.
Mwst. bekommen Sie keinen vernünftigen Nikolaus. Die dort eingesetzten Personen
sind zum Teil nicht einmal der deutschen Sprache mächtig. Wie soll so jemand,
der sich kaum selber verständigen kann, die Korrektheit des Gedichtes
kontrollieren? Wie die Gut-Böse-Bilanz korrekt vorlesen?
4.)
Apropos Gedicht oder Lied: Suchen Sie für Ihre
Sprösslinge etwas Originelles heraus. Schliesslich wollen Sie das Ganze ja
filmen und auf YouTube stellen. Mit Lieber,
guter Nikolaus... oder Von drauss’
vom Walde komm ich her locken Sie keinen Hund hinter dem Ofen hervor. Warum
nicht mal etwas Modernes, Freches? Einen Rap zum Beispiel? 120000 Klicks werden
der Auswahl Recht geben. Oder lassen Sie Lied und Gedicht sein und lassen Sie
Benny (4) für den Samichlaus gleich Für
Elise spielen. Schliesslich will der Gute ja Konzertpianist werden.
5.)
Apropos Gut-Böse-Bilanz: Bleiben Sie bezüglich
der Tatenwertung des Jahres bei herkömmlichen Mustern, Muster, die die Kinder
erwarten. Mit «Schön, dass du dem Nachbarn ins Gesicht gespuckt hast.» (Wir
hätten es sonst selber tun müssen.) und «Schlecht, dass du schon wieder
Klassenbester bist.» (Was für einen Spiesser und Streber haben wir uns da
herangezogen?) irritieren Sie die Kleinen sehr.
6.)
Lassen Sie den Nikolaus unter keinen Umständen
Äpfel, Nuss und Mandelkern selber mitbringen; wer weiss, wo der liebe Mann
einkauft. Stellen Sie sich vor, er bringt das Obst und die Knabberware vom LIDL
oder DENNER, und das, wo doch Ihre Söhne und Töchter nur Bio-Produkte gewohnt
sind. Dass sich hochgiftige Substanzen wie Schokolade oder Bonbons von
vornherein verbieten, muss hier wohl nicht extra erwähnt werden.
7.)
Die Geschenke am 6.12. haben inzwischen
Dimensionen erreicht, die vor 30 Jahren selbst am 24.12. nur von VIPs,
Millionären und Adligen gestemmt werden konnten; da kommen Sie auch nicht mehr
drum herum. Die 1800 Franken oder Euro, die Sie für den Nikolausabend
budgetiert haben, sollten allerdings pädagogisch sinnvoll angelegt werden:
Keine Games! Keine Elektronik! Warum nicht für Lisette (7) die neue, sehr
ansprechende Habermas-Gesamtausgabe, schliesslich will sie ja einmal einen
Lehrstuhl für Philosophie? Warum nicht für Roby (5) ein neues Rennvelo? Die
Tour de France 2031 kommt schneller als man denkt.
8.)
Buchen Sie bei der Agentur rechtzeitig, damit
Sie ein sinnvolles Zeitfenster bekommen. 15.00, 16.00, 17.00 sind zu früh, es
ist noch nicht einmal dunkel, und Sie selbst müssen so hetzen und können nach
dem Büro nicht einmal mehr ins Fitness-Studio, 18.00, 19.00, 20.00 sind
optimal. Danach ist es ganz übel, der Samichlaus ist müde und abgekämpft,
ausserdem hat er bei allen Familien ein Gläschen trinken müssen und ist so
besoffen, dass er kaum stehen kann. Einen Nikolaus, der ihren Kleinen mit
übelster Fahne ein «Scheiss-Gedicht» ins Gesicht lallt, wollen sie denen doch
ersparen.
9.)
Apropos: Fragen Sie den Nikolaus, was er trinken
möchte. Vielleicht sind Sie die fünfte Familie, und der Gute sehnt sich nach
Weisswein (Familie Huber), Rotwein (Familie Müller), Grappa (Familie Klein) und
Whiskey (Familie Streller) nach einem starken, duftenden,
lebensgeisterweckenden Espresso, einem doppelten.
10.) Warum
ich bis jetzt nur von einer Person geredet habe? Das ist die zehnte Regel:
Verzichten Sie auf den Schmutzli, den Knecht Ruprecht, oder wie der andere Kerl
in Ihren Breiten heisst. Er kostet Sie nur extra, und er macht nichts anderes
als dem Heiligen den Sack hinterherzutragen und ein wenig zu brummen. Das ist
Zeug aus dem vorigen Jahrhundert, die Zeit der Faktoten ist abgelaufen.
Nun wünsche ich Ihnen ein schönen Abend.
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